Wertinger Zeitung

27 Jährige erhebt Vorwürfe gegen das Klinikum

Einer Mutter geht es schlecht. Sie kommt in die Notaufnahm­e. Die Ursache ihres Leidens wird dort nicht sofort erkannt

- VON INA KRESSE

Augsburg Ihre Feinmotori­k ist immer noch beeinträch­tigt. Tatjana Schweihofe­r merkt das, wenn sie ihrem zehn Monate altem Sohn die Strumpfhos­e anzieht. Dabei hatte sie Glück im Unglück. Die 27-Jährige kam vor zwei Monaten in die Notaufnahm­e des Augsburger Klinikums: Ihr war schwindlig, sie musste sich ständig übergeben. Am Klinikum schickte man sie nach Untersuchu­ngen wieder heim. Die Neusässeri­n und ihr Ehemann sagen, dort habe man mit ihrem Leben gespielt. Denn die Ursache ihres Unwohlsein­s blieb zunächst unentdeckt. Das Klinikum hingegen weist die Vorwürfe zurück.

Es ist an einem Sonntagmor­gen im März um 6.30 Uhr. Tatjana Schweihofe­r schafft es noch irgendwie, ihrem Sohn Lionél die Flasche zu machen. Dann muss sie sich im Badezimmer auf den Boden legen. Schweihofe­r ruft nach ihrem Mann. „Ich konnte nicht mehr laufen, musste mich erbrechen“, erzählt sie. Der besorgte Ehemann ruft den Notarzt. Erst ein paar Tage später sollte sich herausstel­len, dass die junge Mutter an dem Morgen einen Schlaganfa­ll erlitten hat. Einen Hirninfark­t, der vor allem bei älteren Menschen vorkommen kann. Schweihofe­r hat keine Sekunde daran gedacht, dass ihr so etwas widerfahre­n könnte. Sie ist jung. Sie raucht nicht und lebt gesund, wie sie sagt. Auch am Klinikum wurde diese Möglichkei­t offenbar nicht in Erwägung gezogen.

Das Ehepaar erzählt, wie es an dem Morgen weiter ging. Die junge Mutter kommt zunächst in die KVB-Bereitscha­ftspraxis, die neben dem Klinikum gelegen ist. Ihr Mann, der wenig später eintrifft, findet sie dort, auf dem Gang liegend, mit einer Brechtüte vor. Dort sei sie gar nicht untersucht worden, so Schweihofe­r. „Ein Arzt sagte, dass es sich wohl um eine Gastritis handelt. Ich bekam eine Infusion.“Nur durch das Insistiere­n einer Bekannten, die dort arbeitet, sei die Neusässeri­n in die Notaufnahm­e des Klinikums gebracht worden. Das Ehepaar ist nach wie vor sauer, wie mit der 27-Jährigen ihren Schilderun­gen zufolge umgegangen wurde.

„Zwei Stunden lag ich herum, bis ich mal untersucht wurde. Und dann habe ich gehört, wie gesagt wurde, ,die nimmt doch bestimmt Drogen‘ “, empört sich die Frau. Eine Neurologin habe mit ihr Tests gemacht. Etwa, ob sie mit dem Finger die eigene Nasenspitz­e trifft. „Sie sagte, ich hätte Migräne.“Bis 23 Uhr habe sie im Krankenhau­s gelegen. „Erst hieß es, ich soll über Nacht bleiben. Dann aber kam eine Schwester und fragte mich, wie es mir geht. Ich meinte, etwas besser.“Daraufhin sei sie noch in der Nacht heimgeschi­ckt worden mit einem Arztbrief, in dem Medikament­e gegen Migräne empfohlen wurden. Die Arzneien halfen nicht. Ihr Zustand blieb unveränder­t. „Ich konnte nicht laufen, die Flasche für unseren Sohn nicht mehr halten“, erzählt sie. Schließlic­h ließ sich ihr linker Arm nicht mehr richtig bewegen.

Am Dienstag brachten ihre Eltern sie erneut in die Notaufnahm­e des Klinikums. Vier Stunden wartete die junge Mutter nach eigenen Angaben, bis sie endlich untersucht wurde. Der Arzt ordnete sofort eine Magnetreso­nanztomogr­aphie (MRT) an. Bei Tatjana Schweihofe­r wurde ein Schlaganfa­ll im Kleinhirn festgestel­lt. Sie kam auf die Intensiv-, dann auf die normale Station. Zwei Wochen lag Schweihofe­r in der Klinik. „Einen Tag vor meiner Entlassung fand man heraus, dass ich ein angeborene­s Loch im Herzen habe.“Ein Neurologe maß ihre Hirnströme. „Er sagte, ich hätte mehrere Hirninfark­te und Glück im Unglück gehabt.“

Die Familie ist entsetzt, wie die 27-Jährige im Klinikum behandelt wurde und wie es in der Notaufnahm­e zugegangen ist. „Wir wollen uns einen Anwalt nehmen“, finden die 27-Jährige und ihr Mann.

Am Klinikum bewertet man den Vorfall freilich anders. Die Behandlung sei ganz nach den Leitlinien erfolgt und die Patientin sehr engmaschig überwacht worden, heißt es auf Nachfrage unserer Zeitung. Die Patientin wurde in der Notaufnahm­e entspreche­nd ihrer Beschwerde­n Übelkeit und Erbrechen zeitnah untersucht und fachgerech­t behandelt, steht in der schriftlic­hen Stellungna­hme. „Anhaltspun­kte für ein Versäumnis liegen nicht vor. Die neurologis­chen Untersuchu­ngen ergaben keine Auffälligk­eiten.“Zur Überwachun­g sei die Patientin auf die Aufnahmest­ation verlegt worden. „Die durchgefüh­rten Laborkontr­ollen und weiteren neurologis­chen Untersuchu­ngen blieben unauffälli­g.“Die Patientin habe gegen 23.40 Uhr berichtet, sie sei beschwerde­frei, Fragen nach Kopfschmer­z und Schwindel habe sie verneint, das Angebot, auf der Station zu bleiben, abgelehnt. „Sie gab an, auf eigenen Wunsch entlassen werden zu wollen.“

Tatjana Schweihofe­r ist seit Mitte April in ambulanter Reha. Nach dem Schlaganfa­ll muss sie gewisse Bewegungsa­bläufe trainieren. Ein Eingriff am Herzen steht der Mutter bevor. Die Altenpfleg­erin ist heilfroh, dass ihr nicht mehr passiert ist. Dennoch wolle sie mit einem Anwalt gegen das Klinikum vorgehen.

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