Wertinger Zeitung

Der Schandbaum ist jetzt weg

In Meitingen gab es schon einmal Zoff um das bayerische Brauchtum rund um Diebstahl und Auslöse – aber eine andere Lösung

- VON ELLI HÖCHSTÄTTE­R

Meitingen Viele Passanten bleiben stehen, grinsen und machen ein Foto. Der Schandbaum, den eine Gruppe aus Herbertsho­fen direkt vor das Meitinger Rathaus gestellt hat, war ein Hingucker – wenn auch ein gerupfter. Gestern wurde er weggeräumt. Bürgermeis­ter Michael Higl erklärte, dass der Baum bei den Aufräumarb­eiten nach dem 1. Mai weggeschaf­ft worden sei.

Bei den Meitingern sind die Schandbäum­e – insgesamt waren es vier – das Gesprächst­hema. Diese wurden aufgestell­t, weil der Kulturund Brauchtums­verein, der sich um das Aufstellen des Maibaumes kümmert, sich weigerte, einen gestohlene­n Baum auszulösen. Die Begründung: Die Diebe hätten den Baum, der in einer verschloss­enen Halle lagerte, nicht „brauchtums­gerecht“gestohlen. Der Hallenbesi­tzer hat deswegen auch Anzeige erstattet. Weil es keinen Baum gab, sagte der Verein kurzerhand auch die Maifeier ab.

Dabei war es heuer nicht zum ersten Mal, dass es Streit zum Start in den Mai gab. Vor knapp zehn Jah- ren wollten die Meitinger schon einmal ihren Baum nicht auslösen. 2009 hatte eine Gruppe aus Westendorf­er und Kühlenthal­er Burschen den Baum geklaut. Damals lagerte des Ortes Zier übrigens im Bauhof, und auch vor neun Jahren gab es ordentlich Zoff rund um die Frage, ob man den Stamm aus einem verschloss­enen Gebäude entwenden darf. Damals wurde gemunkelt, dass sich die Maibaumdie­be mithilfe eines mitgebrach­ten Gabelstapl­ers Zutritt verschafft hatten. Die diebische Gruppe war anscheinen­d in Hochform, denn insgesamt schnappte sie sich fünf Bäume. Der Meitinger Verein für Kultur- und Brauchtums­pflege war auch damals stinksauer. Die Verantwort­lichen erklärten, dass dies nichts mehr mit Brauchtum zu tun habe, sondern schlicht ein Einbruch gewesen sei. Mehrere Versöhnung­sund Auslöseges­präche scheiterte­n. Der Brauchtums­verein holte sich damals kurzerhand einen neuen Baum aus dem Langenreic­her Wald, sodass schließlic­h samt Maibaum gefeiert werden konnten.

Auch vor zwei Jahren war in Meitingen der Baum mal wieder weg. Verantwort­lich war damals – wie auch in diesem Jahr – eine Gruppe aus Erlingen. Damals einigte sich der Verein mit den Dieben auf eine Auslöse: eine Brotzeit und 60 Liter Bier. Der Stamm wurde mit einem Oldtimer-Traktor und einem feschen Zug zurück nach Meitingen gebracht.

Vor zwei Jahren herrschte im Landkreis Augsburg übrigens Hochkonjun­ktur in Sachen Maibaumkla­u. Denn auch die Erlinger wiederum standen damals ohne Maibaum da, weil die Ortlfinger ihn gestohlen hatten. Die Auslöse damals: 60 Liter Bier. Ebenfalls geklaut worden waren damals die Bäume aus Herbertsho­fen (von einer Gruppe junger Männer aus Tapfheim-Brachstadt im benachbart­en Landkreis Donau-Ries), Gersthofen (von Hirblingen), Kühlenthal (von Tapfheim), Bon-stetten (von Täfertinge­rn) und Ay-stetten (von Hainhofen). In alle Fällen wurden übrigens die Bäume ausgelöst.

Eine Brotzeit, 60 Liter Bier und ein fescher Zug mit dem Oldtimer Traktor

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Ein beliebtes Fotomotiv – der Schandbaum vor dem Meitinger Rathaus. Er wurde von einer Gruppe aus Herbertsho­fen aufgestell­t. Gestern wurde er weggeräumt.
Foto: Marcus Merk Ein beliebtes Fotomotiv – der Schandbaum vor dem Meitinger Rathaus. Er wurde von einer Gruppe aus Herbertsho­fen aufgestell­t. Gestern wurde er weggeräumt.

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