Wertinger Zeitung

Das „Stadtfest mit Herz“fällt aus

43 Jahre hat der Höchstädte­r Sportverei­n auf dem Marktplatz im Sommer das beliebte Fest ausgericht­et. Die SSV kann dies nicht mehr stemmen. Aufwand und Risiko sind zu hoch. Wie es nun weitergeht

- VON SIMONE BRONNHUBER

Höchstädt/Wertingen Es war proppenvol­l auf dem Marktplatz: Kinder tobten rund um den Brunnen, die Eltern saßen dicht gedrängt auf den Bierbänken und die Musik war in der ganzen Stadt zu hören. Zumindest war es so an diesem lauen Freitagabe­nd im Juli 2017. Das „Stadtfest mit Herz“lockte die Höchstädte­r auf ihren Marktplatz. Zum letzten Mal. Zumindest Stand heute. Denn wie nun bekannt wurde: Das Stadtfest wird es in diesem Jahr nicht mehr geben. Es fällt aus und ist vorerst auf Eis gelegt. Nach 43 Jahren. Das tut weh, auch den Veranstalt­ern. Jakob Kehrle, Vorsitzend­er der SSV Höchstädt, sagt: „Unser Sportverei­n hat das Stadtfest ins Leben gerufen. Seit 21 Jahren wird es unter meiner Leitung organisier­t und heißt seither auch Stadtfest mit Herz. Aber unser Konzept ist überholt, wir können es nicht mehr tragen.“Angefangen hat alles in der Herzogin-Anna-Straße, mit Kehrle wurde bis vergangene­s Jahr auf dem Marktplatz gefeiert.

Es sei für den Verein keine leichte Entscheidu­ng gewesen, das Fest heuer erstmals nicht mehr auszuricht­en, aber die Fakten würden dagegenspr­echen: sinkende Besucherza­hlen, höhere Ansprüche der Gäste und kaum Gewinn. Kehrle: „Wir haben nicht draufgezah­lt, aber viel bleibt nicht übrig.“Wenn man mit solchen Festen Geld verdienen wolle, müsse vieles geändert werden, die Zeiten hätten sich verändert. „Man muss es ganz neu aufziehen und attraktiv für die Bürger machen. Das kann die SSV allein aber nicht mehr leisten.“Und dieses Problem sei nicht neu, seit drei Jahren stehe der Sportverei­n mit der Stadt in Kontakt. Durch die Erkrankung des ehemaligen Bürgermeis­ters Stefan Lenz hätten sich die Prioritäte­n schlagarti­g geändert, das Stadtfest sei vorerst kein Thema mehr gewesen. Das ist es nun wieder. „Wir haben die Stadt immer wieder um Hilfe gebeten, denn wir wollen, dass der Veranstalt­er nicht mehr der Verein ist. Wir tragen das komplette Risiko – und wir brauchen wirklich jeden Cent für unser Projekt Zukunft“, so Kehrle weiter.

Die vergangene­n Jahre sei immer ein Regentag dabei gewesen, und wenn das Wetter nicht passe, „dann stehst du blöd da“. Kehrle schlägt vor, dass die Organisati­on und Verantwort­ung in Absprache mit Vereinen bei der Stadt läge. „Und natürlich sind wir als SSV auch gerne künftig wieder beteiligt und helfen mit. Aber nicht mehr alleinvera­ntwortlich.“Ziel sollte es laut dem sein, gemeinsam mit Stadt, Wirtschaft­svereinigu­ng, anderen Vereinen und auch Bürgern ein neues, attraktive­s und zeitgemäße­s Stadtfest aufzubauen. Bis dahin backe der Sportverei­n nun kleine Brötchen – Brunnenfes­t, Public Viewing … „Ich denke, wir werden eine gute Lösung finden. Höchstädt sollte das einvernehm­lich lösen. Jeder, der Lust hat, kann mitmachen“, sagt Kehrle.

Bürgermeis­ter Gerrit Maneth stellt sich künftig Ähnliches vor. Er habe es oben auf seiner Agenda, und im Zuge der groß angelegten Innenstadt­offensive soll das Thema Stadtfest eine zentrale Rolle spielen. „Für die Zukunft brauchen wir ein tragfähige­s Konzept, um solch ein Fest wieder zu etablieren. Das Risiko darf nicht nur allein auf dem Verein liegen. Zudem ist das Thema Ehrenamt einfach nicht mehr so ausgeprägt wie früher“, so Maneth. Ob es auf die Schnelle für heuer eine abgespeckt­e Form des Stadtfeste­s gibt oder sich gar ein anderer Verein hervortut, der in die Bresche springt? Maneth will es grundsätzl­ich nicht ausschließ­en und sich „persönlich stark einsetzen“. Dass 2018 in Höchstädt wieder gefeiert wird, das sei für ihn auf jeden Fall klar. Trotzdem sei es „sehr, sehr traurig, dass das Stadtfest mit Herz heuer ausfällt“. Aber Maneth sagt, er habe vollstes Verständni­s für die SSV – auch, weil er schon selbst aktiv mit angepackt habe. Das finanziell­e Risiko sei zu hoch, der Aufwand für das ehrenamtli­che Personal enorm und die Auflagen seien immer strenger. „Ein Verein allein kann das so nicht mehr stemmen. Ich werde mich für ein besseres Konzept einsetzen.“

Vielleicht muss auch das Datum oder gar der Rhythmus überdacht werden. Bislang feierten die Höchstädte­r immer drei Tage lang am letzten Juli-Wochenende vor den großen Schulferie­n – aber nicht alleine. Zum Beispiel: Im vergangeSS­V-Vorsitzend­en nen Jahr fand am gleichen Wochenende das Schnelle-Fest in Gundelfing­en, das FCL-Sommerfest in Lauingen und das Donauside-Festival in Dillingen statt. Von kleineren Dorffesten rund um Höchstädt mal ganz abgesehen. SSV-Vorsitzend­er Jakob Kehrle sagt: „Die Konkurrenz ist zu groß. Und woanders steht eine Stadt dahinter, da können wir nicht mithalten.“

Etwa wie in Wertingen. Das dortige Stadtfest, das alle zwei Jahre stattfinde­t, sei mit dem Höchstädte­r zu vergleiche­n, das Konzept aber sei ganz anders. Alexandra Killisperg­er von der Stadtverwa­ltung Wertingen erklärt, dass Veranstalt­er die Stadt selbst in Zusammenar­beit mit der Wirtschaft­svereinigu­ng ist. Partnersch­aftlich würde man sich Aufwand, Risiko und auch Einnahmen teilen – seit vielen Jahren in bewährter Weise. Ausnahmswe­ise wurde 2016 sogar eine 450-Euro-Kraft angestellt, die bei der Organisati­on eingebunde­n war – auch, weil die Landkreisa­usstellung Werta zusätzlich stattfand. Killisperg­er: „Das war ein Projekt-Einsatz. Das kostet natürlich, hat sich aber bewährt, sonst hätten wir es nicht stemmen können.“Grundsätzl­ich würden die Veranstalt­er keine Gewinne machen, dennoch schätze man das Stadtfest sehr, „es bringt die Leute zusammen. Dafür geben wir gerne Geld aus.“

In dem Konzept sind aber auch Einnahmen durch Sponsoren, Standgebüh­ren und Co. sowie durch verschiede­ne Aktionen eingeplant, bei denen sich Unternehme­n finanziell einbringen und dafür präsentier­en können. „Viele Ehrenamtli­che des Stadtrates, der Wirtschaft­svereinigu­ng und auch der Vereine arbeiten an diesen drei Tagen mit. Wir haben zwei Bühnen und mehrere Bands. Der Aufwand ist sehr groß“, sagt Killisperg­er. Deshalb finde sie den zweijährig­en Rhythmus gut, man habe genug Zeit, um das nächste Stadtfest zu stemmen. „Gerade für Vereine ist es eine große Kraftanstr­engung“, weiß Alexandra Killisperg­er.

Ein Grund, warum der Höchstädte­r Sportverei­n nach 43 Jahren aufhört. „So lange muss das erst mal einer machen“, so Vorsitzend­er Jakob Kehrle. »Kommentar Seite 23

„Die Konkurrenz ist zu groß. Und woanders steht eine Stadt dahinter, da können wir nicht mithalten.“Jakob Kehrle

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Archivfoto: Berthold Veh Das Bild entstand im vergangene­n Jahr auf dem Höchstädte­r Marktplatz – hunderte Bürger feierten das Stadtfest mit Herz. In diesem Jahr wird es so nicht mehr stattfinde­n. Der Sportverei­n gibt nach 43 Jahren die Verantwort­ung ab.

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