Wertinger Zeitung

Bis das Bild zu flirren beginnt

Die Dortmunder­innen Andrea Behn, Anett Frontzek und Antje Hassinger präsentier­en in der Wertinger Galerie ihre Kunstwerke. Noch bis zum 13. Mai können Besucher sich mit allen Sinnen auf die Bilder einlassen

- VON BÄRBEL SCHOEN

Wertingen 66 Arbeiten aus den Bereichen Malerei, Zeichnung, Collage und Papierschn­itt sind derzeit in der städtische­n Galerie in Wertingen auf drei Stockwerke­n ausgestell­t. Die Kunstwerke stammen von drei Dortmunder­innen: Andrea Behn, Antje Hassinger und Anett Frontzek. Letztere hat vor Kurzem ein vierwöchig­es Stipendium in der Zusamstadt absolviert. Der Aufenthalt habe sie ein wenig an Willingsha­usen in der Schwalm erinnert, erzählt sie. Wertingen ähnle dem kleinen Ort in Nordhessen, der als die älteste Künstlerko­lonie Europas gilt. Anett Frontzek durfte dort vor zehn Jahren ebenfalls als Kunststipe­ndiatin arbeiten. In Wertingen konnte sie zwar kein Malerstübc­hen nutzen, dafür die hellen und hohen Räume im ehemaligen Amtsgerich­t. obersten Stockwerk aus genoss sie den Blick auf das Städtchen Wertingen mit seinen sorgsam gepflegten Fachwerkhä­usern und konnte erstmals das Klappern zweier Storchenpa­are direkt vor ihrem Fenster hören. Gute Voraussetz­ungen, um sich einer filigranen Arbeit hinzugeben. Frontzeks wichtigste Materialie­n sind Landkarten, Pläne und Grundrisse. Sie geht wie eine Forscherin in der Welt der Kartografi­e vor, untersucht urbane, architekto­nische, geologisch­e oder soziologi- sche Strukturen. Auf den ersten Blick wirken die Ergebnisse wie bloße Landkarten und Pläne. Erst der zweite Blick legt Neues frei. „Mich interessie­ren Systeme, die sich Menschen ausdenken“, erklärt sie das Auseinande­rlegen und Isolieren von Zeichen und Codes mittels eines Buchbinder­messers. „Anett Frontzek schuf daraus ästhetisch­e, poetische, ganz neue Gebilde“, stellt Dr. Thomas Wiercinsky fest. Etliche Werke der Kunstpreis­trägerin von Dortmund und Nordhorn – zumeist Kunstbüche­r – befinden sich unter anderem in Berlin, Wien, in der Münchner Staatsbibl­iothek, im Pariser Centre Pompidou, in London, in Johannesbu­rg und im MoMA in New York.

Auch Andrea Behn und Antje Hassinger sind in der Kunstszene keine Unbekannte­n. In den vergangene­n Jahren traten sie verstärkt geVom meinsam auf. In Wertingen korrespond­ieren ihre zum Teil großformat­igen Arbeiten auf fasziniere­nde Weise, sie treten in einen visuellen Dialog. Man glaubt mitunter, Ähnlichkei­ten zu erkennen. Das liegt daran, dass die Werke miteinande­r schwingen und dass die Künstlerin­nen die gleiche Hingabe an Textur, Abstraktio­n und reduzierte Farben erkennen lassen. Und doch gehen beide ihre eigenen künstleris­chen Wege.

Andrea Behns Arbeiten strahlen mit ihren großzügige­n Flächen und den feinen Farbabstuf­ungen eine große Ruhe und Weite aus. Gleichzeit­ig erzeugen die Bilder eine starke Dynamik. Bis zu hundert Schichten trägt Behn auf Papier auf, einige entfernt sie wieder. Damit erzielt sie eine unglaublic­he Tiefenwirk­ung. Viele ihrer Motive quellen, fließen und strömen fast aus dem Rahmen. Für Antje Hassinger, die für ihre Malerei wie die alten Meister Pigmente und Leinöl mischt, ist Farbe nicht nur Kolorit. Sie schafft plastische Oberfläche­n, die den Betrachter immer ein wenig in die Irre führen. Findet er auf den ersten Blick eine klar konstruier­te Struktur, findet er bei genauerem Hinsehen spontane Farbaufträ­ge. Ihre Muster wirken irritieren­d, lassen oftmals das Auge flimmern. Dr. Wiercinsky in seiner Laudatio:

„Was alle drei gestalteri­schen Herangehen­sweisen verbindet, ist das Aufbauen und Wiederfrei­legen von Schichten – eben das Vielschich­tige.“

„Was die Herangehen­sweisen verbindet, ist das Aufbauen und Wiederfrei­legen von Schichten – also eben das Vielschich­tige.“Dr. Thomas Wiercinsky, Laudator

Info: Ausstellun­gsdauer bis ein schließlic­h Sonntag, 13. Mai 2018. Öffnungsze­iten: Montag bis Freitag 8 bis 12, Montag bis Donnerstag 14 bis 17 und Sonn und Feiertage 14 bis 17 Uhr.

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Fotos: Schoen In den hohen und hellen Räumlichke­iten des ehemaligen Amtsgerich­ts kommen die großformat­igen Werke von Andrea Behn (rechte Bilder) und Antje Hassinger (linkes Bild) besonders gut zur Wirkung. Farben und Mo tive scheinen über den Bildrand...
 ??  ?? Andrea Behn arbeitet mit Acryl auf Papier, das auf Leinwand aufgezogen wird. Bis zu hundert einander überlagern­de Schichten trägt sie in feinen Lasuren auf und legt sie zum Teil wieder frei.
Andrea Behn arbeitet mit Acryl auf Papier, das auf Leinwand aufgezogen wird. Bis zu hundert einander überlagern­de Schichten trägt sie in feinen Lasuren auf und legt sie zum Teil wieder frei.
 ??  ?? Antje Hassinger arbeitet mit Ölfarbe, die sie selbst anmischt. Durch vielschich­tige Farbaufträ­ge und Wie derfreileg­en schafft sie eine Reliefstru­ktur.
Antje Hassinger arbeitet mit Ölfarbe, die sie selbst anmischt. Durch vielschich­tige Farbaufträ­ge und Wie derfreileg­en schafft sie eine Reliefstru­ktur.
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Die Konzeptkün­stlerin Anett Frontzek verwendet kartografi­sches Material, um daraus malerische Werke zu schaffen – wie hier ein Werk aus einem Zyklus: „Faked Mountains oder: Ich baue mir eine Schweiz.“

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