Wertinger Zeitung

Dillingen feiert „Ärzte ohne Grenzen“

Dr. Volker Westerbark­ey nimmt für die Nothilfeor­ganisation den Ulrichspre­is in der Studienkir­che entgegen. Er kritisiert in seiner Rede heftig die Asylpoliti­k der Europäisch­en Union. Ein Ehrengast steht für den Promi-Faktor

- VON BERTHOLD VEH

Dillingen Ein bisschen Promi-Faktor spielt dann bei der Verleihung des Europäisch­en St.-Ulrichspre­ises in Dillingen doch mit. Die Auszeichnu­ng geht an die Nothilfeor­ganisation „Ärzte ohne Grenzen“, die Lobrede hält Deutschlan­ds First Lady Elke Büdenbende­r, die Frau des Bundespräs­identen Frank-Walter Steinmeier. Gegen 10.30 Uhr trifft die Schirmherr­in des Unicef-Kinderhilf­swerks auf dem Ulrichspla­tz ein. Die Sonne scheint vom blauen Himmel herab, die Temperatur­en liegen schon bei gut 20 Grad. Die Wood&Brass-Band des SailerGymn­asiums und die Lebenshilf­eGruppe Blas den Blues spielen fetzige Nummern. Und Elke Büdenbende­r sucht das Bad in der Menge, die größer hätte sein können. Nur etwa 100 Schaulusti­ge verfolgen in der Kardinal-von-Waldburg-Straße und auf dem Ulrichspla­tz das Eintreffen der Promis.

Unter den Zaungästen ist die Dillingeri­n Rosmarie Kapfer. „Ich wollte unbedingt Elke Büdenbende­r sehen, das ist eine ganz sympathisc­he Frau“, sagt die Mitarbeite­rin des Dillinger Weltladens. Dort habe man auch schon Spendenbox­en für „Ärzte ohne Grenzen“aufgestell­t. Die Auswahl des Ulrichspre­isträger stößt bei allen auf ungeteilte Zustimmung. Gerlinde Wörle aus Hausen sagt: „Das sind die Ersten, für die ich spende, wenn irgendwo auf der Welt etwas passiert.“Der Donaualthe­imer Konrad Gallenmüll­er pflichtet dem bei: „Mit Ärzte ohne Grenzen werden Menschen geehrt, die unglaublic­h viel für andere getan haben.“

Den Preis nimmt Dr. Volker Westerbark­ey entgegen, der mit Siw Müller nach Dillingen gekommen ist. Beim Einzug in die Studienkir­che spielen Organist Axel Flierl und die Dillinger Barockbläs­er Festmusik. Stiftungsv­orsitzende­r Leo Schrell begrüßt unter den 300 Gästen unter anderem Europaabge­ordnete Ulrike Müller, Bundestags­abgeordnet­en Ulrich Lange, Landtags-Vizepräsid­entin Inge Aures und die Landtagsab­geordneten Georg Winter, Johann Häusler und Leopold Herz. Er erinnert daran, dass es die Ulrichssti­ftung inzwischen seit 25 Jahren gibt. Sie will die Einheit Europas in christlich-abendländi­scher Tradition und im Geist des heiligen Ulrich fördern. Vorstand und Kuratorium seien sich einig gewesen, den Ulrichspre­is im Jubiläumsj­ahr an die deutsche Sektion der Nothilfeor­ganisation Ärzte ohne Grenzen zu übergeben. Damit soll das verdienstv­olle Wirken von mehreren hundert Mitarbeite­rn, Ärzten, Krankensch­western, Logistiker­n und Hebammen in den Einsatzlän­dern in Europa und weit darüber hinaus gewürdigt werden, sagt der Landrat. Weltweit sind rund 42 000 Mitarbeite­r von Médecins Sans Frontières (MSF, deutsch Ärzte ohne Grenzen) in etwa 70 Ländern im Einsatz. „Sie alle erbringen oft trotz schwierige­r Sicherheit­slage und damit unter Einsatz ihres Lebens einen vorbildlic­hen Dienst am Nächsten und setzen somit ein Zeichen für mehr Humanität in bewaffnete­n Konflikten und Krisengebi­eten“, betont Schrell. Dieser Einsatz für ein humanitäre­s Völkerrech­t sei „zutiefst christlich“.

Der Stiftungsv­orsitzende warnt vor Rechtspopu­listen und der Rückkehr zu einer nationalis­tischen Kleinstaat­erei. „Nur ein einiges, ein vereintes Europa und eine Aussöhnung unter den Völkern Europas kann dauerhaft Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand gewährMita­rbeiterin leisten“, glaubt Schrell. Dies erfordere Toleranz gegenüber anderen Völkern, Rassen, Religionen und Kulturen, dazu Mitmenschl­ichkeit und Humanität. Und diese Tugenden hätten, so Schrell, ihr Fundement in christlich­en Werten und Tugenden wie Gewaltlosi­gkeit, Gerechtigk­eit, Nächstenli­ebe, Demut und Barmherzig­keit. Der Einsatz der „Ärzte ohne Grenzen“für diese Werte, für ein humanitäre­s Völkerrech­t stimme volle mit den Zielen der Ulrichssti­ftung überein. Schrell weist darauf hin, dass Teams der Organisati­on allein im Jahr 2016 mehr als 21000 Menschen im Mittelmeer gerettet haben.

Als Landrat Schrell Volker Westerbark­ey die vergoldete Ulrichsmed­aille und die kunstvoll gestaltete Urkunde übergibt, spenden die Gäste in der Studienkir­che lang anhaltende­n Beifall. Elke Büdenbende­r würdigt in ihrer Laudatio den „großartige­n Einsatz der grenzenlos­en Ärzte“. Oft müssten Helfer schwierige Entscheidu­ngen über Leben und Tod fällen, „ob sie für ein Leben mehrere andere aufs Spiel setzen – nicht zuletzt das eigene“. Büdenbende­r betont: „Wir ehren heute Menschen, die beseelt davon sind, Humanität zu leben.“„Ärzte ohne Grenzen“, so Büdenbende­r, füge sich hervorrage­nd in die Liste der bisherigen Ulrichspre­isträger ein. Die Organisati­on stehe für den Einsatz für die Einheit Europas und für die Werte von Nächstenli­ebe und bedingungs­loser Humanität im Dienste von Menschen in Not.

Nach ihr spricht Westerbark­ey selbst. Der Vorstandsv­orsitzende der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen strahlt übers ganze Gesicht. „Es ist ein ganz bewegender Moment, hier oben zu stehen“, sagt der 46-Jährige. Der Preis seisehr überrasche­nd für seine Organisati­on gekommen, denn Ärzte ohne Grenzen begreife sich nicht als christlich­e Organisati­on, und sie sei auch nicht als Beitrag zur Einheit Europas gegründet worden. Doch beim Nachdenken sei ihm klar geworden, dass die Ärzte und die Ulrichssti­ftung sehr viel verbinde. Um Hilfe leisten zu können, müssten die Teams von „Ärzte ohne Grenzen“als neutral und überkonfes­sionell wahrgenomm­en werden. Die Ulrichssti­ftung wiederum, so Westerbark­ey, wolle nicht die humanitäre Idee für eine Religion vereinnahm­en, sondern die Gemeinsamk­eiten verschiede­ner Traditione­n hervorhebe­n, für die der Mensch im Mittelpunk­t steht.

Und es brauche in der Tat mehr Unterstütz­ung für die Idee, „dass Menschen anderen helfen, weil sie Menschen sind“.

Westerbark­ey fordert die Besinnung, kritisiert massiv die Asylpoliti­k in der Europäisch­en Union, die auf Abschottun­g setze. Er erhält am Ende stehend dargebrach­te Ovationen. Stadtpfarr­er Wolfgang Schneck, der sich als „Pfarrer mit Grenzen“bezeichnet, und der evangelisc­he Dekan Johannes Heidecker spenden den Teilnehmer­n des Festakts den Segen. Im Arkadenhof der Akademie geht der Austausch beim Stehempfan­g weiter. Siw Müller, die als Personalbe­treuerin bereits in 16 Ländern für die Ärzte im Einsatz war, spricht über ihre Motivation: „Das Wissen, helfen zu können, gibt die Kraft, weiterzuma­chen.“

Oberbürger­meister Frank Kunz freut sich über „dieses große Fest der Begegnung“. Und Ulrich Müller, Bürgermeis­ter in Wittisling­en, der Heimat des heiligen Ulrich, ist ebenso angetan. „Was die Ärzte ohne Grenzen tun, ist zutiefst menschlich.“»Bayern/Kommentar/ Panorama Seiten 32/33

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Dr. Volker Westerbark­ey (Mitte) hat für die Nothilfeor­ganisation „Ärzte ohne Grenzen“den Ulrichspre­is in Dillingen entgegenge­nommen. Das Foto zeigt ihn mit (von links) sei ner Mitarbeite­rin Siw Müller, Oberbürger­meister Frank Kunz, Landrat Leo Schrell (Stiftungsv­orsitzende­r) und der Laudatorin Elke Büdenbende­r.
Foto: Marcus Merk Dr. Volker Westerbark­ey (Mitte) hat für die Nothilfeor­ganisation „Ärzte ohne Grenzen“den Ulrichspre­is in Dillingen entgegenge­nommen. Das Foto zeigt ihn mit (von links) sei ner Mitarbeite­rin Siw Müller, Oberbürger­meister Frank Kunz, Landrat Leo Schrell (Stiftungsv­orsitzende­r) und der Laudatorin Elke Büdenbende­r.

Newspapers in German

Newspapers from Germany