Wertinger Zeitung

Die Heimat mit neuen Augen sehen

Von der Führung über Schutzheil­ige am Heimatmuse­um, über das Radiomuseu­m bis hin zum Ofenmuseum – die Besucher lernten viel Neues

- VON ALEXANDER MILLAUER

Wertingen „Jetzt lebe ich schon seit sechzig Jahren in Wertingen, aber vieles habe ich noch gar nie gesehen“, staunt Josefa Schmid. Sie ist eine der Teilnehmer­innen der Führung über Schutzheil­ige, die Museumsref­erent Cornelius Brandelik organisier­t hat. Denn gestern war nicht nur Muttertag – sondern auch Internatio­naler Tag der Museen. Gemeinsam mit anderen Teilnehmer­innen läuft sie bei strahlende­m Sonnensche­in quer durch die Zusamstadt. Immer wieder hält die Gruppe und begibt sich auf die Suche nach den Schutzheil­igen, die an die Wertinger Hauswände aufgemalt sind oder in kleinen Nischen als Figuren stehen.

„Normalerwe­ise schaut man ja nicht die ganze Zeit in die Luft, darum fällt das einem nicht auf“, erklärt Brandelik. Besonders Maria ist eine Schutzheil­ige, die sich immer wieder in einigen Nischen findet. Auch im Wertinger Heimatmuse­um, wo die Reise der Gruppe beginnt, findet sich eine Figur der Hausmadonn­a. In der Bergstraße prangt an einer Hauswand fast in Lebensgröß­e ein Porträt des Heiligen Florian – damit glaubte man, das Haus vor Feuer zu bewahren. Mit einer ganz besonderen Technik sei dieser Schutzheil­ige an diese Hauswand gelangt, erklärt Brandelik – mithilfe des Sgraffito. Das sei eine Technik, mit der man vor allem in den 1930er-Jahren gearbeitet habe, sagt er. Dabei werden verschiede­nfarbige Putzschich­ten angebracht, die obere schließlic­h abgekratzt und Teile der darunterli­egenden freigelegt – durch den Farbkontra­st entsteht schließlic­h das Bild.

Ein Bild des Franziskus, um den herum zahlreiche Vögel und Fische abgebildet sind, findet die Gruppe an einer Wohnung, die im Rahmen des sozialen Wohnungsba­us entstanden ist – schließlic­h gilt Franziskus als Patron der Armen, bemerkt Brandelik. Am Zenetti-Haus am Marktplatz bleiben Brandelik und die Teilnehmer­innen erneut stehen – in der Form und Größe eines Tellers ist dort eine Maria mit Kind eingesetzt. Brandelik vermutet, dass dieses Porträt auf Blech gemalt und anschließe­nd eingesetzt wurde.

Während die Gruppe ihren Weg durch die aufgeheizt­en Wertinger Gassen und Straßen fortsetzt, ist auch im kühlen Radiomuseu­m Betrieb. Lockere Jazzmusik, die von Schallplat­ten aufgenomme­n wurde, nimmt die Besucher dort in Empfang. Rund 680 Objekte fasst das Museum. Ein Besucher sei sogar aus München angereist, sagt Otto Killensber­ger, der das Museum gemeinsam mit anderen Mitstreite­rn betreibt. Von Morseschre­ibern, über Radios und Schallplat­tenspieler bis hin zu Jukeboxes, bietet das Radiomuseu­m ein breites Repertoire und eine Zeitreise durch die Geschichte der Technik.

Aber auch witzige Wiedergabe­geräte findet man hier – wie etwa den „Lalala“von Telefunken. Der sieht aus wie ein Megafon, ist aber ein Transmitte­rradio aus dem Jahr 1994. Oder die erste zuckerfrei­e Cola, wie Otto Killensber­ger scherzt – aus ihr kann man zwar nicht trinken, aber das kleine Radio, das sich am Boden der angebliche­n Colaflasch­e befindet, lauter und leiser drehen und den Sender verstellen. Doch an diesem besonderen Tag haben sich die ehrenamtli­chen Helfer des Radiomuseu­ms noch mehr einfallen lassen – gleich zwei Vorträge konnte man am Internatio­nalen Tag der Museen hören – während der von Dr. Alexander Hölzle in die Zukunft blickte und das digitale Radio DAB näher beleuchtet­e, unternahm Josef Weber eine Zeitreise in die Vergangenh­eit und sprach über Morsen und Funk. Von 1844, als der erste Morseappar­at in Betrieb ging, hielt sich die Technik in der Schifffahr­t bis 1988.

Geöffnet hat an diesem Sonntag auch das Ofenmuseum – doch nur zwei Besucher seien gekommen, berichtet Alfred Sigg, der durch das Museum führt. Das Wetter sei wohl zu schön und das Angebot zu groß, vermutet er. Wer sich hier aber umsieht, ist schnell fasziniert von der Vielzahl an Öfen, die sich in den Räumen aneinander­reihen. Rund 165 gusseisern­e Öfen aus drei Jahrzehnte­n hat Josef Lutz gesammelt und restaurier­t. In chronologi­scher Reihenfolg­e läuft man als Besucher durchs Museum – beginnend beim Fünf-Platten-Ofen bis hin zu Öfen, die man auch heute noch in der ein oder anderen Hütte sehen kann.

Auch der Fußmarsch auf der Suche nach den Schutzheil­igen neigt sich nach gut eineinhalb Stunden dem Ende zu. Für Josefa Schmid ist klar, dass sie in Zukunft mit aufmerksam­eren Augen durch ihre Heimatstad­t gehen wird. Denn auch sie hat viel Neues entdeckt beim Tag der Museen.

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Fotos: Alexander Millauer Bei der Führung über Schutzheil­ige erklärt Museumsref­erent Cornelius Brandelik (rechts) den interessie­rten Besuchern unter an derem, wie der Heilige Florian mithilfe der Sgraffito Technik an die Hauswand gelangte.
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Die Maria mit Kind steht im Oberge schoss des Heimatmuse­ums.
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Brandelik erklärt das Sgraffito mithilfe eines Pausbeutel­s und Papier.
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Mit diesem Detektorra­dio konnte man stromlos Radio hören.

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