Das Handwerk – eine Alternative zur Universität
Die Branche befindet sich in einer Boom-Phase. Doch guten Nachwuchs zu finden, bleibt trotz cleverer Image-Kampagnen und erster Erfolge schwierig
Auch wenn der Boden des Handwerks so golden wie lange nicht mehr glänzt, muss die Branche mehr denn je für sich klappern. Denn viele Betriebe könnten stärker wachsen, wenn sie genug Fachkräfte finden würden. Dies gestaltet sich oft schwierig und könnte mit der Alterung der Gesellschaft noch problematischer werden. Das haben Vertreter des Wirtschaftszweigs mit bundesweit rund 5,5 Millionen Beschäftigten früh erkannt und davor gewarnt, dass ein solcher Fachkräftemangel ein enormes volkswirtschaftliches Risiko für Deutschland darstellt.
Provokativ gesagt: Was nützt es, wenn die Unis immer mehr Bachelor-Absolventen produzieren, die sich mit Kommunikationswissenschaft oder vergleichender Literaturwissenschaft auskennen, aber Heizungsbauer und Elektriker Mangelware sind? In einem Horrorszenario bleiben Häuser dann kalt und ohne Strom. Vor solchen Entwicklungen warnen Experten der Wirtschaftskammern schon lange. Doch ihre berechtigte Kritik, die universitäre würde der beruflichen Bildung vorgezogen, wurde seitens der Politik zu spät ernst genommen. Das änderte sich, als Handwerks- sowie auch Industrieund Handelskammern auf knalligmoderne Image-Kampagnen setzten, weil Lehrlinge schwer zu finden waren. Handwerker erscheinen als Wärme spendende Helden, die alten Frauen neue Heizungen einbauen. Pathos tritt an die Stelle einstiger Biederkeit in der NachwuchsWerbung. Die Botschaft lautet: Wer einen Ausbildungsberuf ergreift, kann ein cooler Typ sein, der eine Beinprothese baut und auf einem Plakat fragt: „Und? Was hast du heute gemacht?“Das könnte manchen Kommunikationswissenschaftler verlegen stimmen.
Auch an die Eltern, die stolz auf ihre handwerklich geschickten Kinder sein können, wird appelliert. Oft sind es nämlich die Eltern, die ihren Nachwuchs mit Macht gegen alle Interessen und Begabungen in Richtung Studium drängen.
Mit derart cleverer Werbung allein wäre es aber im vergangenen Jahr nicht gelungen, etwa in Schwaben im Handwerk ein deutliches Plus bei den Ausbildungszahlen zu erreichen. Hier wirken sich auch all die Bemühungen positiv aus, lernschwache Schüler zu fördern, Migranten in Ausbildungsberufe zu integrieren und mehr Abiturienten für die Lehre zu gewinnen.
Dass aber die Wertschätzung für die berufliche Bildung steigt, lässt sich ausgerechnet auch auf einen Philosophen zurückführen. Denn Professor Julian Nida-Rümelin hat 2014 mit seinem Buch „Der Akademisierungswahn“die wichtige Debatte in die Kultur- und Politikkreise der Nation getragen. Seine Warnungen vor einer BachelorGeneration, die nicht genügend gute Jobs findet, und einem krassen Defizit an Handwerkern, ist endlich im Berliner Politikbetrieb angekommen. Eine Lektüre des Koalitionsvertrags zeigt: So große Wertschätzung hat die berufliche Bildung in Deutschland lange nicht erfahren. Der Mix aus Praxis im Betrieb und Theorie in der Berufsschule ist einer unserer Standortvorteile. Auch deshalb ist die Jugendarbeitslosigkeit hierzulande gering.
Nun müssen die Koalitionäre Wort halten und die berufliche Bildung finanziell stärker fördern. Denn die nächsten Jahre sind etwa für das Handwerk von entscheidender Bedeutung. Bundesweit stehen rund 200 000 Betriebe zur Übergabe an, darunter etwa 4000 in Schwaben. Die Weiterführung eines Teils der Firmen ist nicht gesichert. Es hängt also davon ab, wie junge Menschen die Zukunft der Branche einschätzen und deshalb bereit sind, Verantwortung als Unternehmer zu übernehmen. Es kommen auch wieder härtere Zeiten, wo der goldene Boden im Handwerk konjunkturelle tiefe Kratzer abbekommt.
Die Große Koalition will die berufliche Bildung stärken