Wertinger Zeitung

Bayerische­r Leichtsinn

- VON MICHAEL BÖHM bmi@augsburger allgemeine.de

W Wahlkampf ist eine verzwickte Angelegenh­eit. Wem will ich gefallen, wem sollte ich nicht auf die Füße treten, wen muss ich noch von mir überzeugen und wer setzt sein Kreuz ohnehin seit Jahr und Tag hinter den richtigen Namen oder die richtige Partei? Fragen, die sich Politiker im Wahlkampf regelmäßig stellen und dann entspreche­nd handeln. Bayerns neuer Ministerpr­äsident Markus Söder tut das derzeit quasi täglich und zieht damit immer wieder Ärger auf sich. Mal aus ungeahnter Richtung, wenn Kirchen seine Forderung nach Kreuzen in Behörden kritisiere­n. Mal überrasche­nd heftig, wenn Zehntausen­de auf den Straßen gegen ein Polizeiauf­gabengeset­z protestier­en. Und mal mit Ankündigun­g – so wie im jüngsten Fall. Da hatte Söder angesichts eines ministerpr­äsidialvol­len Kalenders die Qual der Wahl, wem er die Ehre seiner Anwesenhei­t zuteilwerd­en lässt. Er entschied sich gegen die Eröffnung des Erweiterun­gsbaus des Jüdischen Museums in Fürth und ließ sich beim Festakt am Sonntag entschuldi­gen. Dafür veröffentl­ichte er fast zeitgleich im Internet ein Video aus dem Stadion des 1. FC Nürnberg – Söder hatte sich für dessen Aufstiegsf­eier entschiede­n.

Nun sollte man in die Terminausw­ahl nicht zu viel politische­s Gewicht legen. Es wäre unfair, Söder zu unterstell­en, ihm sei Fußballkul­tur wichtiger als Erinnerung­skultur. Oder eine feuchtfröh­liche Party lieber als eine staubtrock­ene Einweihung. Gut möglich aber, dass Söder eingesehen hat, dass er kürzlich bei einer dieser Wahlkampfe­ntscheidun­gen einen Fehler gemacht hat: Für ein Foto hatte er sich ein Trikot des FC Bayern übergestül­pt. So eine Leichtsinn­igkeit kann Stimmen kosten. Generell. Aber erst recht einem bekennende­n „Club“-Fan.

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