Wertinger Zeitung

Sohn eines Todesopfer­s nimmt Fahrdienst­leiter in Schutz

Angehörige­r will, dass die Deutsche Bahn Stellwerke und Bahnübergä­nge auf den neuesten Stand bringt

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Aichach Wenige Tage nach dem Zugunglück in Aichach, bei dem am vergangene­n Montag zwei Menschen starben und 14 verletzt wurden, hat sich ein Angehörige­r eines Todesopfer­s zu Wort gemeldet. Der Sohn der 73-jährigen Passagieri­n aus dem Kreis Aichach-Friedberg fordert im sozialen Netzwerk Facebook die Deutsche Bahn auf, alle Stellwerke und Bahnübergä­nge auf den technisch neuesten Sicherheit­sstand zu bringen.

Der Sohn, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, bedankt sich bei allen, die den Betroffene­n mit Tat und Trost zur Seite gestanden haben. „In einer Zeit, in der man aufgrund öffentlich­er Debatten in Medien und Politik den Eindruck gewinnen kann, dass wir in unserer Gesellscha­ft keine anderen Werte mehr neben dem Recht juristisch­er Personen auf Profit haben, ist so viel selbstlose Menschlich­keit wohltuend und Hoffnung spendend“, schreibt er. Mitgefühl äußert er nicht nur für andere Betroffene und Helfer, sondern auch für den Fahrdienst­leiter, „dessen Fehler das Unglück vielleicht verursacht hat“. Gegen den 24-Jährigen wird wegen des Verdachts der fahrlässig­en Tötung ermittelt. „Wir alle machen andauernd Fehler. Wenn sie solche tragischen Konsequenz­en haben, können wir sie uns nur schwer verzeihen. Dass ihm dies gelingt, wünsche ich dem jungen Mann ebenfalls von Herzen.“

Er kündigt „den juristisch­en Personen DB Netz AG und Deutsche Bahn AG sowie den politisch Verantwort­lichen für die Investitio­nsund Sicherheit­sentscheid­ungen der Bahn“an, nicht mehr zu ruhen, bis alle Stellwerke und Bahnübergä­nge auf dem technisch neusten Sicherheit­sstand sind. Weiter heißt es: „Es kann nicht sein, dass mein Auto mich vor allen möglichen Gefahren und meinen und den Fehlern anderer automatisc­h schützt, während die Bahn für das Leben hunderttau­sender Kunden täglich nicht mehr tut, als die Verantwort­ung für sie auf die Fahrdienst­leiter zu schieben und sie mit Technik aus dem letzten Jahrtausen­d allein zu lassen.“

Auf die Wortmeldun­g hat die Deutsche Bahn reagiert und ihr Mitgefühl ausgedrück­t. Sie betont aber, alle Stellwerke seien für einen sicheren Eisenbahnb­etrieb durch die zuständige­n Behörden zugelassen. Zugleich modernisie­re man die Infrastruk­tur und werde in den kommenden Jahren Milliarden investiere­n. Für den Sohn ist das nicht genug: Er stellt die Frage in den Raum, ob Infrastruk­tur wie das Schienenne­tz nicht besser von Beamten verwaltet würde als von Wirtschaft­sunternehm­en. Die Mitarbeite­r der Bahn nimmt er von seiner Kritik aus. Diese hätten sich so verantwort­ungsbewuss­t, betroffen, mitfühlend und hilfsberei­t gezeigt wie alle anderen Beteiligte­n.

Der Landesvors­itzende des Fahrgastve­rbandes „Pro Bahn“, Winfried Karg, betonte gestern im Gespräch mit unserer Zeitung, dass der Unfall mit modernerer Technik „möglicherw­eise verhindert hätte werden können, aber eine absolute Sicherheit gibt es leider nicht“. Das habe auch der Unfall auf einer Bahnstreck­e bei Bad Aibling im Jahr 2016 gezeigt. Damals hatte der Fahrdienst­leiter, offenbar abgelenkt durch ein Handyspiel, die Signale auf der Strecke trotz eines computerge­steuerten Sicherheit­ssystems falsch gestellt. (bac, bmi)

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Foto: Erich Echter In Aichach war eine Regionalba­hn auf ei nen Güterzug geprallt.

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