Vom Druck befreit
Deutsches Team erweckt Silber-Spirit. Sieg gegen Mitfavorit Finnland kommt zu spät. Heute wartet wieder ein Großer
Herning Auch zum deutschen WMAbschluss gegen Kanadas NHLEnsemble soll noch einmal ein Hauch von Olympia zu spüren sein. So wie bei der 3:2-Überraschung gegen Finnland – dem ersten Sieg gegen den Mitfavoriten seit einem Vierteljahrhundert. Vom Druck befreit war am Sonntagabend im jungen Eishockey-Nationalteam plötzlich wieder der Silber-Spirit von Pyeongchang bemerkbar. „Warum nicht? Auch die Kleinen können die Großen schlagen“, sagte Bundestrainer Marco Sturm vor dem abschließenden Vorrundenspiel am heutigen Dienstag (16.15 Uhr/Sport1).
Einmal mehr bewies Silberschmied Sturm mit dem 3:2 nach Verlängerung, wie sehr er ein Team im Laufe des Turniers formen und besser machen kann. Zum wiederholten Mal steigerte sich die neu formierte Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) auch bei der Weltmeisterschaft in Dänemark von Spiel zu Spiel. Zu spät. Trotz des Sieges gegen die Finnen ist das Viertelfinale nicht mehr zu erreichen. Trotzdem soll gegen Kanada noch ein Coup her. „Es ist entscheidend, auch wenn wir nicht mehr weiterkommen. Im Endeffekt für uns selber. Wir haben mehr verdient, als wir bislang gezeigt haben“, sagte Sturm. Durch den Erfolg über Finnland fällt das WM-Fazit bereits deutlich besser aus. Die WM mit einem notgedrungen großen Umbruch und zehn WM-Debütanten hilft künftig.
Ob der dritte Einzug ins Viertelfinale nacheinander gelungen wäre, wenn Sturm mehr Zeit für die Vorbereitung gehabt hätte? Oder die Top-Nationen zuerst auf dem Programm gestanden hätten? Es bleibt Spekulation. Doch nach dem schwachen Auftakt und der verspielten letzten realistischen ViertelfinalChance gegen Lettland (1:3) steigerte sich die junge Mannschaft noch einmal und deutete an, was in den kommenden Jahren unter dem Talente-Späher Sturm möglich sein könnte.
Beim bisher letzten WM-Sieg über Finnland war noch der Vater von Goalie Mathias Niederberger Nationalspieler. Andreas Niederberger war Zuschauer, als Deutschland am 23. April 1993 in Dortmund mit 3:1 gewann. Diesmal war sein damals fünf Monate alter Sohn bei seinem ersten WM-Einsatz überhaupt einer der Youngster, die das Spiel entschieden. Frederik Tiffels, 22, Senkrechtstarter der Heim-WM 2017, erzielte das 1:1. Markus Eisenschmid, 23, wurde mit seinem Tor in der Overtime zum Matchwinner. Sturm hat den Mut, auf junge Talente zu setzen und sucht nach ihnen vor allem in Nordamerika. Sie bringen das Tempo ins Spiel, das sich der Coach so wünscht. Überraschend nominierte der 39-Jährige etwa Eisenschmid aus der unterklassigen AHL. Ebenso wie AHL-Stürmer Manuel Wiederer, der ohne Länderspiel zur WM reiste. Vom College zauberte Sturm Angreifer Marc Michaelis hervor. Besonders im Angriff ist das deutsche Team jung aufgestellt. Sechs von 14 Stürmern sind aus den Jahrgängen 1995 und 1996. Gegen Kanada kann das Team ebenfalls befreit aufspielen, der Vorrunden-Abschluss ist vor allem zu einem Duell um die Ehre geworden. (dpa)