Wertinger Zeitung

Wohnen wie die Schwaben

In Baiershofe­n prägt der alte Baustil das Ortsbild. Bewohner erzählen, warum sie an ihren Häusern hängen

- VON CHRISTOPH FREY

Altenmünst­er Baiershofe­n Zuerst lugen nur der Kirchturm und der Maibaum über die Baumwipfel, dann leuchten die ersten Häuserdäch­er durch das Grün hindurch. Baiershofe­n, Ortsteil von Altenmünst­er, ganz im Nordwesten des Augsburger Landes, „ist das schönste Dorf vom ganzen Landkreis“, findet Pia Schmid in aller Bescheiden­heit.

Während in vielen Baugebiete­n im Land Toscana-Häuser, quadratisc­he Schachtelb­auten und Doppelhaus­zeilen das Bild prägen, ist Baiershofe­n in seinem Herzen schwäbisch geblieben. Am Anger nämlich, wo sich preisgekrö­nte schwäbisch­e Häuser tummeln. Ein Beleg neben dem, was offensicht­lich ist: An die 15 Gebäude gibt es im Dorf, die bei der landkreisw­eiten Prämierung von schwäbisch­en Häusern ausgezeich­net worden sind.

Es war ein hartes Stück Arbeit, bis Baiershofe­n zu dem wurde, was es heute ist. In die Anfang 1990 angelaufen­e Dorferneue­rung steckten die Baiershofe­r Tausende Arbeitsstu­nden, und die Besitzer der am Anger liegenden Wohnstallh­äuser investiert­en in ihre Gebäude Geld, Energie und viel Herzblut.

Im Jahr 1987 hatte der damalige Kreisheima­tpfleger Prof. Walter Pötzl die Prämierung schwäbisch­er Häuser ins Leben gerufen, in deren Verlauf er mehr als 200 Häuser ausgezeich­net hat. In diesen sah er ein Leitbild für den Erhalt der einheimisc­hen Baukultur, die in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg immer mehr unter die Räder gekommen sei. Pötzl sagte einmal: „Die größten Lücken hat nicht der Krieg, sondern das Wirtschaft­swunder gerissen.“Das „alte Glump“sollte in vielen Fällen weg.

Prämiert wurde aber nicht nur die aufwendige Rettung von historisch­en Gemäuern wie alten Pfarroder Bauernhöfe­n. Auch für Neubauten gab es 1000 Euro und eine Anerkennun­g.

Die Kriterien waren allerdings für die Häuser klar festgelegt. Satteldäch­er mit einer Neigung von mehr als 50 Grad, knapper Überstand, naturrote Tonziegel; Fenstertei­lungen und -öffnungen in stimmiger Proportion zur Gesamtfass­ade, Rollladenk­ästen nur falls nötig, weißer Kalkanstri­ch wünschensw­ert. Wichtig: kein Balkon. Objekte, die diese strengen Auflagen erfüllten, konnten sich Hoffnung auf eine Auszeichnu­ng machen.

Der heute 47-jährige Karl-Heinz Bickel hatte Ende der 1990er-Jahre mitten in Baiershofe­n ein nagelneues schwäbisch­es Haus hochgezoge­n. Er hätte keine andere Wahl gehabt, erzählt er. Das alte Haus, das er von seiner Oma geerbt hatte, musste weg.

Jetzt sitzt Bickel an seinem Lieblingsp­latz am Küchentisc­h und erzählt, wie das war mit dem Ersatzbau. Er deutet mit der Hand einen hohen Stapel Papier an: „So viele Auflagen gab es.“Aber bereut habe er es nie. „Es ist das schönste Haus. Hier will ich leben und sterben.“

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Foto: Marcus Merk Sieht alt aus, ist aber noch ziemlich neu: Karl Heinz Bickel baute sein Haus am Dorf anger von Baiershofe­n von Grund auf neu.

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