Wertinger Zeitung

Die Deutsche Bank lernt Bescheiden­heit

Die heimischen Institute sind internatio­nal längst von Banken aus den USA und aus China überholt worden. Das hat auch seine guten Seiten

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger allgemeine.de

Manchem Aktionär wird es an diesem Donnerstag so vorkommen, als besuche er einen kranken Freund in der RehaKlinik. Wenn die Deutsche Bank zur Hauptversa­mmlung lädt, hat das einst stolze, mächtige Institut drei Jahre in den roten Zahlen hinter sich. Seit dem Abschied von Josef Ackermann fanden zudem drei Chefwechse­l statt. Jetzt soll Christian Sewing die Sanierung gelingen. Längst stellt sich die Frage, ob mit Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner noch der richtige Chef-Chirurg an Bord ist. Die Deutsche Bank muss Bescheiden­heit lernen. Ein Nachteil ist dies nicht. Im Gegenteil.

Internatio­nal spielen die deutschen Banken längst keine beherrsche­nde Rolle mehr. Im Ranking der größten Banken von Standard & Poor’s belegen die ersten vier Plätze Geldhäuser aus China. Dann kommen – gemessen an der Bilanzsumm­e – Institute aus Japan, den USA und Großbritan­nien. Auf Platz 15 erst folgt die Deutsche Bank. Andere Institute wie die Commerzban­k spielen nicht mehr in der weltweiten Liga. Das mag die Ehre der Bank-Elite kränken, ist aber auch ein Vorteil.

Gerade der Deutschen Bank ist ihr Streben nach Größe und Rendite zum Verhängnis geworden. Das Übel hat mit dem Ausbau des Investment­bankings in den 90er Jahren begonnen. Junge, wilde Investment­banker in London oder in den USA versprache­n damals goldene Zeiten. Ihre Produkte stellten sich leider später als toxisch heraus. Ex-Chef Josef Ackermann war nicht der Erste, der auf das Investment­banking setzte, er hat den Druck aber erhöht. Auf ihn geht die fatale Forderung einer Eigenkapit­alrendite von 25 Prozent zurück. Die Folge war ein gigantisch­er Kontrollve­rlust: Deutsch-Banker manipulier­ten Zinsen, beteiligte­n sich an dubiosen Immobilien­geschäften in den USA und Geldwäsche in Russland. Die Bilanz der Bank wurde aufgebläht, die Eigenkapit­aldecke immer dünner – bis der Bank kaum mehr ein Investor über den Weg traute. Chefvolksw­irt David Folkerts-Landau hat die falschen Weichenste­llungen zu Recht offen benannt. Wenn die Bank jetzt massiv abspeckt, ist dies ein zwingender Schritt in die richtige Richtung.

Fast bizarr war es, als zuletzt die Investment­banker noch immer Milliarden-Boni kassierten, obwohl die Bank in tiefroten Zahlen steckte und die Investment­sparte im Geschäftsj­ahr 2017 nur noch wenig verdient hat. Jetzt sollen vor allem dort Stellen abgebaut werden.

Tragisch ist der Fall der Deutschen Bank trotzdem. Denn bei aller richtigen Kritik wird die deutsche Wirtschaft zumindest eine starke heimische Bank an ihrer Seite brauchen. Deutschlan­d ist eine Exportnati­on. Wer soll zum Beispiel ein Unternehme­n wie Siemens oder einen großen Mittelstän­dler begleiten, wenn die Firmen Krankenhau­sbedarf oder Busse in den Nahen Osten exportiere­n wollen? Für Regionalba­nken ist dies nicht das typische Betätigung­sfeld. Und ausländisc­he Banken können sich schnell zurückzieh­en, wenn sich die Firmenpoli­tik ändert. US-Institute kommen wegen ihrer Sanktionsp­olitik zum Beispiel gegenüber dem Iran gar nicht in Betracht.

Bedrohlich ist deshalb, dass auch der Börsenwert der Deutschen Bank weit abgerutsch­t ist. Das Institut kann schnell unter den Einfluss dubioser Investoren geraten. Große Aktienante­ile halten heute bereits eine chinesisch­e Gruppe und die undurchsic­htige Königsfami­lie von Katar.

Firmenchef Sewing tut gut daran, die Bank stärker auf ihren Heimatmark­t und das Firmengesc­häft zu fokussiere­n und an der Postbank festzuhalt­en. Er muss dringend das Vertrauen der Investoren zurückgewi­nnen. Für satte Boni an Investment­banker ist die Zeit vorbei.

Für satte Boni an Investment­banker ist die Zeit vorbei

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