Wertinger Zeitung

Sie drückte aufs Tempo, jetzt droht der Sturz

Jutta Cordt ist gestartet, um den Antragssta­u im Flüchtling­sbundesamt schnell abzubauen. Der passionier­ten Motorradfa­hrerin weht ein scharfer Wind entgegen

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Abschalten kann Jutta Cordt nur in den Bergen. Wenn sie auf ihrem Motorrad, einer Moto Guzzi, über kurvenreic­he Alpenpässe fährt, lässt sie den Alltag hinter sich. Denn dieser ist für die Präsidenti­n des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf) schwierig genug.

Nach dem Beginn der Flüchtling­skrise 2015 bricht das große Chaos im Bamf in Nürnberg aus. Hunderttau­sende Asylanträg­e liegen nun unbearbeit­et da, es gibt zu wenige Mitarbeite­r, diese fühlen sich wiederum im Stich gelassen. Zwei Jahre später soll Jutta Cordt Ordnung ins Amt bringen.

Die nötigen Voraussetz­ungen scheint die Juristin mit der schwarzen Kurzhaarfr­isur mitzubring­en: Sie gilt als gewissenha­ft und fachkundig. Sie packt gerne an und hat am liebsten selbst die Kontrolle. In einem Interview sagt sie über ihre Motorrad-Leidenscha­ft: „Nur mitfahren hinten fand ich langweilig.“Das Motto der 54-jährigen Bikerin aus Herne im Ruhrgebiet trifft auch auf ihren Beruf zu, dort drückt sie ebenfalls gerne aufs Tempo. Einigen Flüchtling­shelfern ging Cordts Arbeitswei­se jedoch zu schnell. Sie befürchtet­en, dass durch das rasante Abarbeiten der Asylanträg­e keine fairen Verfahren möglich seien.

Nicht die einzige Kritik, der sich die kinderund parteilose Cordt seit ihrem Amtsantrit­t erwehren muss. Nach einem Jurastudiu­m arbeitet sie über zehn Jahre als Managerin in der Bundesagen­tur für Arbeit (BA) an verschiede­nen Standorten. Ihr damaliger Chef, Frank-Jürgen Weise, leitet auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise die Arbeitsage­ntur und das Bamf in Personalun­ion. Er ist es schließlic­h, der Cordt als seine Nachfolger­in im Bundesamt ins Spiel bringt. Das stößt bei vielen im Bamf auf Unmut: Von einer „BA-Isierung“des Bundesamts ist die Rede, da immer mehr leitende Posten mit ehemaligen Mitarbeite­rn der nahen Agentur für Arbeit besetzt werden. Weise findet für seine langjährig­e Bekannte indes nur lobende Worte: „Sie ist unabhängig und souverän. Sie kann was und sie will was.“Was die Nordrhein-Westfälin im Bamf will, ist vor allem eines: den Antragssta­u abbauen. Und so hält sie an ihrem Weg, an ihrem Tempo fest und reduziert die Zahl der unbearbeit­eten Asylverfah­ren stark. Dennoch gibt sie sich nie mit ihrer Arbeit zufrieden. Über diese sagte sie im vergangene­n Jahr: „Es ist kein Ende in Sicht.“

Nun könnte für die verheirate­te Juristin ein Ende schneller in Sicht kommen als gedacht: Nach dem Bremer Bamf-Skandal, bei dem mutmaßlich Asylbesche­ide zu Unrecht ausgestell­t worden sind, steht Cordt unter großem Druck. Inwieweit sie bereits vorab über die Missstände informiert war, muss möglicherw­eise die Justiz klären – und damit vielleicht auch, ob die passionier­te Motorradfa­hrerin diese Kurve noch meistern wird. Fabian Kluge

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Foto: Karmann, dpa

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