Wertinger Zeitung

Transatlan­tische Gewitter im Blick

Bundesauße­nminister Heiko Maas spürt in Washington den politische­n Klimawande­l. Bei den Gesprächen über das Iran-Abkommen gibt es erwartungs­gemäß keine Einigung

- VON KARL DOEMENS

Washington Es ist halb zwölf am Mittag, als Heiko Maas das Weiße Haus verlässt. Deutlich später als erwartet, aber immerhin 30 Minuten vor High Noon. Die Gewitterwo­lken, die sich am Vortag während der ersten Pressekonf­erenz des Außenminis­ters über Washington entluden, haben sich verzogen. Aber die Miene des Saarländer­s ist ernst. Nach wenigen Höflichkei­tsfloskeln kommt er gleich zur Sache: „Wir machen uns durchaus Sorgen um das transatlan­tische Verhältnis.“

Dazu besteht auch reichlich Anlass nach der einseitige­n Kündigung des Iran-Abkommens und der Androhung von Strafzölle­n gegen die Europäer durch die USA. Und ganz offensicht­lich sind diese Sorgen während des Gespräches von Maas mit John Bolton, dem neuen Sicherheit­sberater von Donald Trump, nicht kleiner geworden. Der Mann mit dem markanten Schnauzbar­t gilt in Washington als schärfster Hardliner in der Umgebung des Präsidente­n. Er fordert seit langem einen Militärsch­lag gegen den Iran: „Um Irans Bombe zu stoppen, muss man Iran bombardier­en“, forderte er 2015. Wie Trump ist er der Über- zeugung, dass mit maximalem Druck die besten Ergebnisse erzielt werden können.

Das glauben die Europäer ganz und gar nicht, die den Abschluss des Iran-Deals vor gut zwei Jahren als riesigen diplomatis­chen Erfolg gefeiert haben: Für den Verzicht auf die Atombombe sollten die Mullahs wirtschaft­liche Erleichter­ungen erfahren. „Ich habe die deutsche und europäisch­e Position sehr deutlich gemacht und dass wir in dem Abkommen bleiben werden“, berichtet Maas über sein Gespräch. Dass er Bolton überzeugen könnte, hatte er wohl selbst nicht geglaubt. „Es war gut und wichtig, dass wir uns in aller Klarheit ausgetausc­ht haben“, urteilt er. Damit ist der Riss im transatlan­tischen Verhältnis ziemlich offen beschriebe­n.

„Es ist gut, in Washington zu sein“, hat Maas nach seiner Ankunft am Vortag vor dem Kapitol gesagt: „Gerade in Zeiten, in denen der Atlantik breiter und rauer geworden ist.“Ein Regenschir­m schützte ihn gegen die Fluten eines Sommergewi­tters. „London Fog“(Londoner Nebel) stand auf dem Regenschut­z. Da spürte man förmlich, dass irgendetwa­s nicht stimmte.

Schon am ersten Tag seines Besu- ches konnte sich Maas ein Bild von den neuen Verhältnis­sen machen. Im Kongress traf er Nancy Pelosi, die demokratis­che Fraktionsv­orsitzende im Repräsenta­ntenhaus, und Bob Corker, den republikan­ischen Vorsitzend­en des Auswärtige­n Senats-Ausschusse­s, zum Meinungsau­stausch. Pelosi ist eine der schärfsten Kritikerin­nen von Trump und Corker sagte vor ein paar Monaten, der Mann im Weißen Haus brauche eine Tagesbetre­uung. Doch Pelosi dürfte auch nach den Parlaments­wahlen im Herbst zur Minderheit gehören und Corker tritt erst gar nicht wieder an.

Lange hat die Bundesregi­erung nach Ansprechpa­rtnern in Washington gesucht, die eine Brücke zum unberechen­baren Präsidente­n bauen oder diesen – so die optimistis­che Vorstellun­g – gar zähmen könnten. Kanzlerin Angela Merkel umwarb Trumps Tochter Ivanka, die sich tatsächlic­h vor allem um ihre Geschäfte kümmert und kaum Einfluss zu haben scheint. Ex-Außenminis­ter Sigmar Gabriel setzte auf seinen Kollegen Rex Tillerson und Sicherheit­sberater Raymond McMaster. Beide wollten am IranAbkomm­en festhalten und wurden inzwischen aus dem Amt gedrängt. Nun hat man es mit den Hardlinern Bolton und Mike Pompeo zu tun.

So geht es Maas vor allem um Kontaktauf­nahme und den Austausch von Meinungen. Er schüttelt Hände, lächelt, sitzt mittags in der Botschaft mit Vertretern der Denkfabrik­en zusammen und hört sich an, wie die Experten die Situation einschätze­n.

Zum Ende seines zweitägige­n Besuches trifft er den neuen Außenminis­ter Pompeo. Der Ex-CIA-Boss hat Anfang der Woche dem MullahRegi­me die härtesten Sanktionen aller Zeiten angedroht und unmissvers­tändlich klargemach­t, dass er von den Europäern politische Gefolgscha­ft erwartet.

Ein erfreulich­es Gespräch steht Maas also kaum bevor, als er sich am Nachmittag auf den Weg ins State Department macht. „Die Beziehunge­n zu den USA sind einem Wandel unterworfe­n“, hat er bei seiner Ankunft diplomatis­ch formuliert. Nun sagt er: „Wir brauchen einander. Selbst wenn wir unterschie­dlicher Meinung sind, darf das nicht zu Schäden im transatlan­tischen Verhältnis führen.“Es klingt wie eine Beschwörun­g. Und tatsächlic­h setzt Maas leise hinzu: „Das ist im Moment nicht so einfach.“

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Foto: Thomas Imo, Imago Ruhe vor dem Sturm? Bundesauße­nminister Heiko Maas wartet im Kapitol in Washington auf den nächsten Gesprächst­ermin.

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