Wertinger Zeitung

In Wien geht eine Ära zu Ende: Michael Häupl hört auf

Sozialdemo­krat war 24 Jahre Bürgermeis­ter von Wien

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien In Wien geht heute eine Ära zu Ende. Nach 24 Jahren übergibt Bürgermeis­ter Michael Häupl das Amt an den bisherigen Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig. Seit 1945 regiert die SPÖ in der jetzt sechstgröß­ten Stadt der EU mit 1,89 Mio Einwohnern.

1994, kurz vor dem EU-Beitritt Österreich­s, wurde Häupl Nachfolger Helmut Zilks als Bürgermeis­ter. „Wien darf nicht verwechsel­bar mit dem Zentralfri­edhof werden“, forderte er damals und machte sich daran, internatio­nale Unternehme­n mit ihren Hauptquart­ieren für Südosteuro­pa in die Stadt mit dem höchsten Altersschn­itt in Österreich zu holen: „Es gelang uns, Wien 1989 nach dem Fall des Eisernen Vorhangs optimal zu positionie­ren, sodass Wien im Jahre 2018 im Vergleich zu Berlin gut abgestimmt dasteht,“freut er sich heute.

Inzwischen ist Wien mit 200000 Studenten die größte deutschspr­achige Hochschuls­tadt. Darauf ist Häupl stolz; denn die Wissenscha­ft ist immer noch das Steckenpfe­rd des promoviert­en Zoologen. Der 1949 geborene katholisch­e Lehrersohn aus Niederöste­rreich ist als Student in die SPÖ-Wien eingetrete­n. Er kannte „seine“Wiener.

Sein größter Erfolg war nach eigener Einschätzu­ng, dass er zweimal – 2001 und 2005 – mit einem perfekten Persönlich­keitswahlk­ampf die absolute Mehrheit holte. 2010 ging sie verloren und Häupl bildete die erste rot-grüne Koalition, ein eher ungeliebte­s Projekt. Die Flüchtling­skrise bezeichnet Häupl als größte Herausford­erung seiner Amtszeit. 2015 und 2016 wurden fast eine Million Flüchtling­e durch Wien geschleust, zehntausen­de blieben. Als es 2017 um die Verteilung der Flüchtling­e aus anderen EUStaaten ging, bot Häupl 2017 an: „Die 50 nehme ich sofort in Ottakring.“

Doch die Stimmung an der SPÖBasis hatte sich längst gewandelt. In den Außenbezir­ken orientiert­en sich die Wähler nach rechts. Erste Rücktritts­forderunge­n aus der SPÖ wurden laut. Hinzu kam ein Krankenhau­sprojekt, das zu einem finanziell­en Desaster wurde. Die SPÖMitglie­der entschiede­n sich für den Häupl-Kritiker Ludwig, der in den ärmeren Außenbezir­ken verankert ist und auf Sicherheit setzt. Als Wohnbausta­dtrat führte Ludwig einen „Wien Bonus“für lange in Wien Lebende ein. Wer neu komme, müsse sich bei der Vergabe der Gemeindewo­hnungen „hinten anstellen wie bei einer Supermarkt­kasse“.

„Michl“Häupl will in Zukunft nicht wie in der „Muppet Show vom Balkon aus“kritisiere­n. Er managt in Zukunft Wissenscha­ftsprojekt­e. Sein Ziel ist eine Max-Planck-Gesellscha­ft für Österreich. „Ich weiß nicht, ob es ein Leben nach dem Tode gibt. Aber ich weiß ganz sicher: Es gibt ein Leben nach der Politik,“sagt er. Jerusalem

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Foto: Schlag, dpa Michael Häupl – hier beim Opernball – kannte „seine“Wiener.

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