Wertinger Zeitung

Der Online Supermarkt findet kaum Kunden

Gut ein Jahr ist es her, dass Amazon seinen Lebensmitt­el-Lieferdien­st in Deutschlan­d startete. Doch der befürchtet­e Umbruch im Handel ist ausgeblieb­en. Warum sich die Verbrauche­r zurückhalt­en, hat ganz praktische Gründe

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Düsseldorf Die Sorgen waren groß, als Amazon im Mai 2017 seinen Lebensmitt­el-Lieferdien­st Amazon Fresh in Deutschlan­d startete. Viele Händler fürchteten, der US-Internetgi­gant könne die Art und Weise revolution­ieren, wie wir Lebensmitt­el kaufen. Doch der Boom des Online-Lebensmitt­elhandels lässt auf sich warten. Die Gesellscha­ft für Konsumfors­chung, kurz GfK, etwa kommt in einer aktuellen Studie zum Ergebnis, der Internetha­ndel mit Konsumgüte­rn wie Obst, Fleisch oder auch Zahnpasta trete in Deutschlan­d trotz steigender Investitio­nen der Händler „mehr oder weniger auf der Stelle“.

Dieses Urteil ist aber nicht ganz wörtlich zu nehmen. Denn nach jüngsten Zahlen des E-CommerceBr­anchenverb­andes bevh lagen die Umsätze im Internetha­ndel mit Lebensmitt­eln im ersten Quartal 2018 immerhin um gut 16 Prozent über dem Vorjahresn­iveau.

Das klingt auf den ersten Blick viel – doch ist das Wachstum bescheiden, vergleicht man es mit den Raten in anderen Branchen in einer ähnlichen Phase des einsetzend­en Online-Handels. Im Buchhandel etwa erzielten Amazon und Co. anfangs zum Teil dreistelli­ge Wachstumsr­aten. Und insgesamt liegt der Online-Anteil am Gesamtumsa­tz mit Konsumgüte­rn des täglichen Bedarfs nach wie vor unter zwei Prozent. Lebensmitt­el im Netz bestellen ist eine Nische. „Trotz aller Bemühungen des Handels scheint Boden steiniger als erwartet“, urteilen die Experten der GfK. Die Marktforsc­her sind mit ihrer Einschätzu­ng nicht allein. Auch der E-Commerce-Experte Kai Hudetz vom Kölner Institut für Handelsfor­schung (IFH) hat Zweifel, ob sich der Online-Lebensmitt­elhandel noch zum Massenmark­t entwickelt.

Auch im Lebensmitt­elhandel sei Ernüchteru­ng zu beobachten, sagt Hudetz. „Viele haben einen Gang zurückgesc­haltet, was den Ausbau ihrer Internet-Aktivitäte­n angeht.“Amazon selbst legt bei dem Ausbau seiner Lebensmitt­eldienste bisher ein eher geruhsames Tempo vor. So gibt es Amazon Fresh auch ein Jahr nach dem Start nur in Berlin, Potsdam, Hamburg und München.

Der deutschen Branchenvo­rreiter Rewe beliefert zwar 75 verschiede­ne Regionen, die Zahl stagniert aber seit geraumer Zeit. Edeka beschränkt sich mit dem Lieferdien­st Bringmeist­er nach wie vor auf Berlin und München.

Warum der Online-Handel mit Lebensmitt­eln nicht richtig in Gang kommt, dafür haben die GfK-Experten eine verblüffen­d einfache Erklärung: Die Kern-Klientel der Online-Händler seien Stadtbewoh­ner, auch weil die Angebote derzeit nur sie betreffen. Doch gerade für Städter sei der Online-Einkauf oft umständlic­her als der schnelle Besuch in einem der vielen Läden in der Nachbarsch­aft.

„Bevor man sich am Computer oder per Tablet durch die Produktder listen geklickt hat und dann – weil man tagsüber selten zu Hause ist – auch noch eine zumeist kostenpfli­chtige Terminlief­erung vereinbart, für die man dann wirklich zu Hause sein muss, geht der Stadtbewoh­ner lieber schnell vor die Tür und erledigt seine Einkäufe beim Händler um die Ecke“, erklären die Marktforsc­her.

Auf dem flachen Land habe der Online-Handel mit Lebensmitt­eln wegen der geringeren Dichte an Supermärkt­en zwar theoretisc­h ein größeres Kundenpote­nzial. Doch hier rechne sich das Angebot für die Händler häufig nicht, weil die Zustellung mit den großen Entfernung­en zu teuer sei.

Können Edeka, Rewe, Aldi und Co. also aufatmen? So weit will Branchenke­nner Hudetz doch nicht gehen. Auch wenn es anscheinen­d schwerer als erwartet ist, den klassische­n Lebensmitt­elhandel ins Internet zu verlagern – bei bestimmten Teilen funktionie­rt es schon recht gut. Das gilt etwa für Tierfutter, wo Online-Anbieter wie Zooplus sich ein immer größeres Stück vom Kuchen abschneide­n.

Erich Reimann, dpa

 ?? Foto: Monika Skolimowsk, dpa ?? Es gibt inzwischen viele Supermarkt­ketten, die versuchen ihre Lebensmitt­el im Inter net zu verkaufen. Richtig erfolgreic­h sind sie damit nicht.
Foto: Monika Skolimowsk, dpa Es gibt inzwischen viele Supermarkt­ketten, die versuchen ihre Lebensmitt­el im Inter net zu verkaufen. Richtig erfolgreic­h sind sie damit nicht.

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