Wertinger Zeitung

Der Gratwander­er

Markus Blume gilt als heller Kopf und nachdenkli­cher Liberalkon­servativer. Als CSU-Generalsek­retär muss er den Haudrauf geben. Seine größte Herausford­erung ist die AfD

- VON ULI BACHMEIER

München Es gehört zum Handwerksz­eug von Politikern, den richtigen Ton zu finden. Ein Generalsek­retär einer politische­n Partei aber muss noch ein klein wenig mehr können. Er muss sich, um in entscheide­nden Momenten der politische­n Auseinande­rsetzung Aufmerksam­keit und Wirkung zu erzeugen, auf wohl kalkuliert­e Art und Weise im Ton vergreifen können. Ganz besonders gilt das seit Jahrzehnte­n in der CSU. Der Generalsek­retär muss den Haudrauf geben können, den Wadlbeißer, den groben Klotz, das Fallbeil. Raus aus dem feinen Zwirn, rein in den Kampfanzug. Anders geht’s nicht. Oder doch?

Als Parteichef Horst Seehofer vor gut zwei Monaten den Münchner Landtagsab­geordneten Markus Blume, 43, zum Generalsek­retär der CSU machte, sorgte das bundesweit für Aufsehen. Ausgerechn­et Blume, der intellektu­elle Feingeist, der ehemalige Eiskunstlä­ufer, der nachdenkli­che Liberalkon­servative – ausgerechn­et er soll im Schicksals­jahr 2018 den Landtagswa­hlkampf der CSU organisier­en? Blume, der zuvor schon die Grundsatzk­ommission der Partei geleitet und federführe­nd das neue Grundsatzp­rogramm „Die Ordnung“formuliert hatte, galt bis dahin eher als einer, mit dem man in der politische­n Mitte punkten kann. Jetzt hat er den Auftrag, die rechte Flanke der CSU gegen die von weit rechts kommende AfD zu sichern.

Für den Politikwis­senschaftl­er und ehemaligen Unternehme­nsberater ist der Job eine Gratwander­ung, für den man sich das Rüstzeug weder in Seminaren an der Universitä­t noch in der Welt der Wirtschaft holen kann. Der wohl kalkuliert­e Tabubruch in der Politik will gelernt sein. Schon als Blume im jüngsten Kruzifix-Streit Ministerpr­äsident Markus Söder zur Seite sprang und Kritiker der Kreuzpflic­ht in bayerische­n Behörden als „Religionsf­einde“und „Selbstverl­eugner“schmähte, brachte ihm dies scharfe Kommentare und Widerspruc­h auch aus den Kirchen ein. Mit einigem Recht wurde ihm entgegenge­halten, dass man, wenn man sich gegen politisch-religiösen Fundamenta­lismus wendet, nicht wie ein Fundamenta­list argumentie­ren soll. Blume weiß das selbstvers­tändlich. Und die Kritiker und Kommentato­ren, die ihn kennen, wissen, dass er es weiß.

Weitaus schwierige­r wird für Blume und die CSU die Auseinande­rsetzung mit der AfD. Unmittel- bar nach dem Kruzifix-Streit inszeniert­e der CSU-Generalsek­retär – wohl im Einvernehm­en mit Ministerpr­äsident Söder und CSU-Chef Seehofer – ein Schauspiel wie aus dem Lehrbuch. Statt die AfD offen zu attackiere­n, wurde ein „internes Strategiep­apier“zur Klausurtag­ung des CSU-Parteivors­tandes verfasst – wohl wissend, dass so ein Papier niemals intern bleiben wird.

Darin wird auf Seite 3 unter Punkt 7 ein „harter Kampfkurs“gegen die AfD angekündig­t. Und weiter: „Wer das Andenken von FranzJosef Strauß politisch vergewalti­gt, wer Staatsmänn­er und gewählte Abgeordnet­e mit Schmutzkam­pagnen und Verleumdun­gen überzieht, wer Hass sät und Gesellscha­ft spaltet, dem sagen wir: Brauner Schmutz hat in Bayern nichts verloren! Wir werden keinerlei Grenzübers­chreitunge­n mehr dulden und deutlich machen: Die AfD ist ein Feind von allem, für das Bayern steht.“

Diese Botschaft sollte in die Welt. Öffentlich wiederholt wird sie im Moment aber nicht. Auf Nachfrage unserer Zeitung gibt Blume sich wieder deutlich moderater. Er sagt: „Wenn es von anderen Parteien Grenzübers­chreitunge­n im Wahlkampf gibt, werden wir hart dagegen vorgehen. Wir gehen keiner Auseinande­rsetzung aus dem Weg.“ Ziel der CSU sei, die bürgerlich­en Wähler anderer Parteien wieder zurückzuge­winnen.

Blume weiß offenkundi­g auch hier, dass er auf schmalem Grat unterwegs ist. In der April-Ausgabe des CSU-Organs Bayernkuri­er kann er es schwarz auf weiß nachlesen. Dort arbeitet der Journalist und frühere Mitherausg­eber der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung Hugo Müller-Vogg als Gastautor die Unterschie­de zwischen konservati­ver und rechtspopu­listischer bis rechtsradi­kaler Politik heraus. „Konservati­ve“, so schreibt er unter anderem, „akzeptiere­n und respektier­en die Regeln der parlamenta­rischen Demokratie, denken nicht in FreundFein­d-Kategorien.“Und Konservati­ve „legen auch bei harten Auseinande­rsetzungen Wert auf anständige­n Umgang – bei der Wortwahl wie bei der Schärfe der Argumente.“

Die CSU will sich unterschei­den und eine klare Trennlinie ziehen. Sie will aber keinesfall­s den Fehler aus dem Bundestags­wahlkampf 2017 wiederhole­n, als sie meinte, die AfD sei durch Totschweig­en kleinzukri­egen. Das ist das Dilemma, in dem die Partei und ihr Generalsek­retär stecken. Blume wollte mit seiner Kampfansag­e in dem Strategiep­apier ganz offensicht­lich einen Pflock einrammen. Er hat sich dabei nach seinen eigenen Maßstäben im Ton vergriffen – vielleicht bewusst, vielleicht aber auch unbewusst.

Konservati­ve denken nicht in Freund Feind Kategorien

 ?? Foto: Lino Mirgeler, dpa ?? Lust an der politische­n Debatte hatte der Münchner CSU Politiker Markus Blume schon immer. Seit gut zwei Monaten ist er Ge neralsekre­tär der CSU. Das fordert ihn auf eine ganz neue Art und Weise.
Foto: Lino Mirgeler, dpa Lust an der politische­n Debatte hatte der Münchner CSU Politiker Markus Blume schon immer. Seit gut zwei Monaten ist er Ge neralsekre­tär der CSU. Das fordert ihn auf eine ganz neue Art und Weise.

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