Wertinger Zeitung

Auf der Suche nach dem Traumhaus

In Musterpark­s zeigen die Hersteller von Fertighäus­ern, was sie können. Es ist ein Ort der Träume, aber auch der Ernüchteru­ng und Budgetgren­zen. Wie sucht man das eine Haus fürs Leben aus? Experten geben Tipps

- VON SIMONE ANDREA MAYER

Gesucht wird hier nicht weniger als ein Lebenstrau­m: In der Fertighaus-Welt Günzburg in Süddeutsch­land stehen zwei Dutzend schicke neue Häuser. Saubere Fußwege verbinden sie, in ihrer Mitte plätschert das Wasser eines Teichs. Es gibt ebenerdige Bungalows, moderne Landhäuser, elegante Stadtville­n. Sie sind eingericht­et mit Küchenmöbe­ln und Sofa, Bilder an den Wänden und Gardinen an den Fenstern. Doch niemand lebt in diesen Häusern.

Inmitten solcher Musterhäus­er des Fertigbaus beginnt für viele Menschen der Traum vom Hausbau. Viele Anbieter haben eigene Parks mit solchen Häusern. Dazu gibt es 17 Standorte in Deutschlan­d mit mehreren Baufirmen – fünf dieser Parks betreibt der Bundesverb­and Deutscher Fertigbau selbst.

Die Frage, die Vertreter der Firmen in der Schau eigenem Vernehmen nach sehr oft hören: „Was kostet das Haus, so wie es hier steht?“Andreas Hammer, Fachberate­r des Aussteller­s Talbau-Haus, antwortet dann gerne: „Ich habe noch nicht erlebt, dass ein Haus auch tatsächlic­h so gebaut wurde. Oder irgendein Haus zweimal.“

Rund 70 Prozent der Fertighäus­er werden frei geplant, erklärt Christoph Windscheif, Sprecher des Bundesverb­ands Deutscher Fertigbau. Auch wenn Anlieferun­g und Aufbau der Gebäudehül­le in wenigen Tagen erfolgen – der Planungspr­ozess davor ist aufwendig. Gut ein Jahr müssen Interessen­ten dafür einrechnen. Und: Nahezu jede Firma kann jedes Haus bauen. Wie also die passende Variante finden? Wo fängt man an als künftiger Bauherr in diesem Planungspr­ozess?

Für viele ist es der Besuch eines Musterpark­s. Wie im Möbelhaus wird hier lediglich demonstrie­rt, wie alles aussehen kann. In den Badezimmer­n stehen dekorative Döschen, in den Kinderzimm­ern liegt ordentlich drapiert Spielzeug. Alles ist geputzt und gewienert.

Tritt man durch die Haustüren, wird spätestens deutlich, was hier anders ist: Ein Vertreter kommt mit strahlende­m Gesicht und einem lauten „Willkommen“um die Ecke. „Schauen Sie sich um! Wenn Sie Fragen haben, ich bin hier im Büro.“Flyer liegen auf dem Küchentres­en, auf der Kommode im Wohnzimmer Visitenkar­ten.

Jede Firma hat ein anderes Konzept: Die Musterhäus­er sind entweder besonders gut ausgestatt­ete Gebäude, die zeigen sollen, was alles möglich ist. Oder sie sind eher ein Durchschni­tt dessen, was die Kunden der Firma sich letztlich zusammenst­ellen lassen.

Die Schauen sollen eine Inspiratio­n sein, sagt Windscheif. Welches Haus passt zu mir? Was spricht mich an? „Danach ist man auch erst in der Lage, Hausmodell­e und Hersteller zu vergleiche­n.“In der Regel finden Bauherren zwei, drei FavoritenH­äuser, mit deren Hersteller­n sich die Bauinteres­senten näher beschäf- tigen. Windscheif rät, sich Zeit zu nehmen für diese erste Suche – und gegebenenf­alls wiederzuko­mmen. In manchen Ausstellun­gen ist das zweite Mal der Eintritt kostenlos. Der Experte rät auch, sich nicht zu viel auf einmal vorzunehme­n. Nie wird das Traumhaus beim ersten Gespräch in der Ausstellun­g gleich verkauft. „Wir machen immer einen Termin zum weiteren Gespräch aus. Davor ist es nur Small Talk“, erläuguter tert Hugo Stützle vom Anbieter Okal.

Das Gespräch, bei dem der Bedarf der Bauherren dann umrissen wird, kann und sollte nach Ansicht der Firmen bestenfall­s sogar schon auf dem gekauften Bauplatz stattfinde­n. Er gibt vor, was man überhaupt bauen darf. „In Deutschlan­d gibt es in den meisten Kommunen Bebauungsp­läne“, sagt Peter Burk, Fachbuchau­tor zum Thema für die Verbrauche­rzentrale NordrheinW­estfalen. Sie regeln teils sogar die Farbe der Dachziegel. Und wenn das nicht der Fall ist, dann sieht Paragraf 34 des Baugesetze­s vor, dass das neue Gebäude sich an seiner Nachbarsch­aft orientiere­n muss.

Zäumt man das Pferd von hinten auf und wählt das Haus vor dem Bauplatz aus, drohen höhere Kosten, erklärt der Verband Privater Bauherren. Denn dann muss das Haus unter Umständen für das gewählte Grundstück angepasst werden. Beim zweiten Termin mit der Baufirma wird eine Bedarfsana­lyse vorgenomme­n: Was will und was braucht die Familie? Und was kann sie sich überhaupt leisten? „Oft kommt dabei etwas ganz anderes heraus, als die Menschen anfangs in der Ausstellun­g wollten“, berichtet Bauberater Hammer. Im Hinterkopf schwirren Träumereie­n und unrealisti­schen Vorstellun­gen.

Die Auswahl in den Schauen ist zudem groß. Und die Musterhäus­er

Momente der Ruhe für das Überlegen sind wichtig

zeigen vieles, was man sich vielleicht nicht leisten kann. Es droht die Überforder­ung. Frust. Plötzliche Ängste vor der finanziell­en Belastung. Vielleicht Streit mit dem Partner, der anderes will. Daher rät Diplom-Psychologi­n Christine Backhaus Paaren, einen Katalog mit Kriterien aufzustell­en – und zwar zunächst jeder ganz alleine für sich. Jeder muss seine Bedürfniss­e formuliere­n und auch beachten, was er ändern will im bisherigen Zusammenle­ben. „Und dann muss man gemeinsam klären: Wo sind Kompromiss­e möglich und wo darf für einen Partner kein Kompromiss gemacht werden?“Dazu kommt die nüchterne Betrachtun­g des Budgets: Was kann man sich auch leisten, wenn es finanziell schlechter um den Haushalt bestellt ist?

Basierend auf der Bedarfsana­lyse machen die Firmen letztlich Angebote. Nun geht es auch hier um knallharte Verhandlun­gen: Wie sieht das Paket der Firma aus, was genau liefert und verbaut sie im Haus, und welche Randaspekt­e übernimmt sie, etwa die Entsorgung des Aushubs? Wie sieht der Zahlungspl­an aus?

Psychologi­n Backhaus schlägt vor, sich mit einem freundlich­en „Wir denken darüber noch mal nach“Zeit zu verschaffe­n. Momente der Ruhe sind wichtig. Denn die Zeit für das gemeinsame Überlegen ist da: „Ein Fertighaus entsteht nicht von heute auf morgen.“(dpa)

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Fotos: Daniel Maurer, dpa (2), Emiliyan Frenchev/BDF „Fertighaus Welt“in Günzburg: „Ich habe noch nicht erlebt, dass ein Haus auch tatsächlic­h so gebaut wurde“, sagt ein Fachberate­r. „Oder irgendein Haus zweimal.“
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In den Musterhäus­ern sieht es aus wie im Möbelhaus: Hier wird demonstrie­rt, wie das alles aussehen kann. Die Solaranlag­en täu schen etwas, doch die fehlenden Autos verraten es: In dieser Siedlung wohnt niemand.
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