Was sich im Wahlrecht ändert
Sitzzuteilung, Rederecht oder Listenverbindung: auf was Kommunen nun achten müssen
Landkreis Seine Kinder hätten ganz verdutzt geschaut, als Achim Oelkuch eines Abends zu rechnen anfing. „Ich habe mir den Spaß gemacht und die Wahlergebnisse noch einmal hergenommen“, erzählt Höchstädts Geschäftsstellenleiter bei der vergangenen Stadtratssitzung. Warum? Weil künftig, sprich bei den nächsten Kommunalwahlen 2020, ein neues Verfahren zur Berechnung der Sitzzuteilung angewandt werden muss. „Ich wollte schauen, ob sich an den Ergebnissen im Höchstädter Stadtrat was geändert hätte. Ich kann Ihnen sagen: Nein. Die Sitze wären alle genau so verteilt“, sagt Oelkuch und lacht.
Das ist aber nicht die einzige Änderung des Kommunalwahlrechts. Der Bayerische Landtag hat das Gesetz nach intensiven Debatten und zahlreichen Änderungsanträgen sowie Expertenmeinungen im Februar dieses Jahres neu beschlossen. Seit 1. April 2018 ist es in Kraft getreten. Wir haben in Zusammenarbeit mit der zuständigen Abteilung im Landratsamt Dillingen die wichtigsten Änderungen zusammengefasst – vor allem diese, die uns Wähler aktiv betreffen.
Sitzzuteilungsverfahren Die Sitzverteilung wird künftig nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers berechnet. Nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird mit diesem Verfahren die höchste Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen erreicht. Als Berechnungsmethode wird dabei das sogenannte Höchstzahlverfahren angewandt. Die Stimmenzahlen, die für die einzelnen Wahlvorschläge festgestellt sind, werden dabei nacheinander so lange durch 1, 3, 5, 7, 9 usw. geteilt, bis so viele Teilungszahlen ermittelt sind, wie Sitze zu vergeben sind. Jedem Wahlvorschlag wird der Reihe nach so oft ein Sitz zugeteilt, wie er die höchste Teilungszahl aufweist.
Listenverbindung Eine Listenverbindung ist nicht mehr möglich.
Wählbarkeitshindernisse Ab 2020 kann sich ein erst zu einem späteren Zeitpunkt neu zu wählender Erster Bürgermeister als „Listenführer“seiner Partei oder Wählergruppe zur Gemeinderatswahl aufstellen lassen. Im Falle der Wahl ist die gleichzeitige Ausübung beider Ämter durch das Amtsantrittshindernis jedoch nicht möglich.
Urnenwähler Durch die gestiegene Zahl an Briefwählern kam es bei der Kommunalwahl 2014 zu der Situation, dass in kleinen Stimmbezirken weniger als 50 Urnenwähler ins Wahllokal kamen. Dies stellt ein Problem im Hinblick auf das Wahlgeheimnis dar. Nun ist klargestellt, dass in diesem Fall über die Gültigkeit der dort abgegebenen Stimmen zusammen mit den in einem anderen Stimmbezirk der Gemeinde abgege- benen Stimmen entschieden und ein gemeinsames Ergebnis festgestellt wird.
Rederecht Gemeindeangehörige, die in der Gemeinde nicht wahlberechtigt sind, haben nun ein Redeund Antragsrecht in Bürgerversammlungen.
Vertretungsmacht Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil die Rechtsprechung zur Vertretungsmacht der Ersten Bürgermeister der Gemeinden korrigiert. Bis dahin galt bei der Abgabe einer Willenserklärung beziehungsweise dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts durch den Ersten Bürgermeister ohne den erforderlichen Gemeinderatsbeschluss die schwebende Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts bis zur Zustimmung durch den Gemeinderat. Nach Auffassung des BGH ist eine Willenserklärung des Ersten Bürgermeisters nach außen dagegen grundsätzlich immer wirksam. Nunmehr wurde die bisherige Rechtslage in Bayern wiederhergestellt, indem beim Ersten Bürgermeister bei der Vertretung der Gemeinde nach außen auf seine Vertretungsmacht abgestellt wird.
Persönliche Beteiligung Bei der Frage der persönlichen Beteiligung wird nun auf den Angehörigenbegriff des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes Bezug genommen. Hierdurch ändert sich der betroffene Personenkreis. Verlobte und Ehegatten der Geschwister eines Gemeinderatsmitglieds werden hinzugefügt. Verschwägerte Onkel und Tanten beziehungsweise Neffen und Nichten fallen nicht mehr unter die Vorschrift. Im Falle der Scheidung oder Auflösung der die Beziehung begründeten Ehe oder Lebenspartnerschaft zählen Ehegatten und Verschwägerte weiterhin als Angehörige.
Sonstige Vereinigungen Gemeinderatsmitglieder, die „sonstige Vereinigungen“wie etwa Gesellschaften des Bürgerlichen Rechts, Offene Handelsgesellschaften, nicht rechtsfähige Vereine und Bürgerbegehren vertreten, sind nun ebenfalls neben Vertretern von natürlichen und juristischen Personen wegen persönlicher Beteiligung ausgeschlossen, steht im Gesetz. (mit pm)