Wertinger Zeitung

Was sich im Wahlrecht ändert

Sitzzuteil­ung, Rederecht oder Listenverb­indung: auf was Kommunen nun achten müssen

- VON SIMONE BRONNHUBER

Landkreis Seine Kinder hätten ganz verdutzt geschaut, als Achim Oelkuch eines Abends zu rechnen anfing. „Ich habe mir den Spaß gemacht und die Wahlergebn­isse noch einmal hergenomme­n“, erzählt Höchstädts Geschäftss­tellenleit­er bei der vergangene­n Stadtratss­itzung. Warum? Weil künftig, sprich bei den nächsten Kommunalwa­hlen 2020, ein neues Verfahren zur Berechnung der Sitzzuteil­ung angewandt werden muss. „Ich wollte schauen, ob sich an den Ergebnisse­n im Höchstädte­r Stadtrat was geändert hätte. Ich kann Ihnen sagen: Nein. Die Sitze wären alle genau so verteilt“, sagt Oelkuch und lacht.

Das ist aber nicht die einzige Änderung des Kommunalwa­hlrechts. Der Bayerische Landtag hat das Gesetz nach intensiven Debatten und zahlreiche­n Änderungsa­nträgen sowie Expertenme­inungen im Februar dieses Jahres neu beschlosse­n. Seit 1. April 2018 ist es in Kraft getreten. Wir haben in Zusammenar­beit mit der zuständige­n Abteilung im Landratsam­t Dillingen die wichtigste­n Änderungen zusammenge­fasst – vor allem diese, die uns Wähler aktiv betreffen.

Sitzzuteil­ungsverfah­ren Die Sitzvertei­lung wird künftig nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers berechnet. Nach den aktuellen wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen wird mit diesem Verfahren die höchste Erfolgswer­tgleichhei­t der Wählerstim­men erreicht. Als Berechnung­smethode wird dabei das sogenannte Höchstzahl­verfahren angewandt. Die Stimmenzah­len, die für die einzelnen Wahlvorsch­läge festgestel­lt sind, werden dabei nacheinand­er so lange durch 1, 3, 5, 7, 9 usw. geteilt, bis so viele Teilungsza­hlen ermittelt sind, wie Sitze zu vergeben sind. Jedem Wahlvorsch­lag wird der Reihe nach so oft ein Sitz zugeteilt, wie er die höchste Teilungsza­hl aufweist.

Listenverb­indung Eine Listenverb­indung ist nicht mehr möglich.

Wählbarkei­tshinderni­sse Ab 2020 kann sich ein erst zu einem späteren Zeitpunkt neu zu wählender Erster Bürgermeis­ter als „Listenführ­er“seiner Partei oder Wählergrup­pe zur Gemeindera­tswahl aufstellen lassen. Im Falle der Wahl ist die gleichzeit­ige Ausübung beider Ämter durch das Amtsantrit­tshinderni­s jedoch nicht möglich.

Urnenwähle­r Durch die gestiegene Zahl an Briefwähle­rn kam es bei der Kommunalwa­hl 2014 zu der Situation, dass in kleinen Stimmbezir­ken weniger als 50 Urnenwähle­r ins Wahllokal kamen. Dies stellt ein Problem im Hinblick auf das Wahlgeheim­nis dar. Nun ist klargestel­lt, dass in diesem Fall über die Gültigkeit der dort abgegebene­n Stimmen zusammen mit den in einem anderen Stimmbezir­k der Gemeinde abgege- benen Stimmen entschiede­n und ein gemeinsame­s Ergebnis festgestel­lt wird.

Rederecht Gemeindean­gehörige, die in der Gemeinde nicht wahlberech­tigt sind, haben nun ein Redeund Antragsrec­ht in Bürgervers­ammlungen.

Vertretung­smacht Der Bundesgeri­chtshof (BGH) hat in seinem Urteil die Rechtsprec­hung zur Vertretung­smacht der Ersten Bürgermeis­ter der Gemeinden korrigiert. Bis dahin galt bei der Abgabe einer Willenserk­lärung beziehungs­weise dem Abschluss eines Rechtsgesc­häfts durch den Ersten Bürgermeis­ter ohne den erforderli­chen Gemeindera­tsbeschlus­s die schwebende Unwirksamk­eit des Rechtsgesc­häfts bis zur Zustimmung durch den Gemeindera­t. Nach Auffassung des BGH ist eine Willenserk­lärung des Ersten Bürgermeis­ters nach außen dagegen grundsätzl­ich immer wirksam. Nunmehr wurde die bisherige Rechtslage in Bayern wiederherg­estellt, indem beim Ersten Bürgermeis­ter bei der Vertretung der Gemeinde nach außen auf seine Vertretung­smacht abgestellt wird.

Persönlich­e Beteiligun­g Bei der Frage der persönlich­en Beteiligun­g wird nun auf den Angehörige­nbegriff des Bayerische­n Verwaltung­sverfahren­sgesetzes Bezug genommen. Hierdurch ändert sich der betroffene Personenkr­eis. Verlobte und Ehegatten der Geschwiste­r eines Gemeindera­tsmitglied­s werden hinzugefüg­t. Verschwäge­rte Onkel und Tanten beziehungs­weise Neffen und Nichten fallen nicht mehr unter die Vorschrift. Im Falle der Scheidung oder Auflösung der die Beziehung begründete­n Ehe oder Lebenspart­nerschaft zählen Ehegatten und Verschwäge­rte weiterhin als Angehörige.

Sonstige Vereinigun­gen Gemeindera­tsmitglied­er, die „sonstige Vereinigun­gen“wie etwa Gesellscha­ften des Bürgerlich­en Rechts, Offene Handelsges­ellschafte­n, nicht rechtsfähi­ge Vereine und Bürgerbege­hren vertreten, sind nun ebenfalls neben Vertretern von natürliche­n und juristisch­en Personen wegen persönlich­er Beteiligun­g ausgeschlo­ssen, steht im Gesetz. (mit pm)

 ?? Foto: Margot Weber ?? Der Bayerische Landtag hat ein neues Gesetz für das Kommunalwa­hlrecht beschlosse­n. Seit April dieses Jahres ist es in Kraft getreten und beinhaltet unter anderem ein neues Sitzzuteil­ungsverfah­ren.
Foto: Margot Weber Der Bayerische Landtag hat ein neues Gesetz für das Kommunalwa­hlrecht beschlosse­n. Seit April dieses Jahres ist es in Kraft getreten und beinhaltet unter anderem ein neues Sitzzuteil­ungsverfah­ren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany