Wertinger Zeitung

Können Sie ein Gewitter verhindern?

Eine Diplom-Theologin spricht in Dillingen über Sekten und Esoterik

- VON HERMANN MÜLLER

Dillingen Unsere lokalen Straßenmär­kte und der Weltmarkt sind voll von Offerten für unsere materielle­n und leiblichen Bedürfniss­e. Aber da wie dort finden sich auch Angebote, die nichts weniger als Lebenssinn verspreche­n. Um dieser Werbung mit einer soliden „Warenkunde“begegnen zu können, verschafft­e sich der Katholisch­e Akademiker­kreis letzthin einen breiteren und vertieften Einblick in die Welt der Sekten, neuer freikirchl­icher Gruppierun­gen und der Esoterik.

Die Referentin des Abends im Faustussaa­l, Diplom-Theologin Klaudia Hartmann, leitet den Fachbereic­h Religions- und Weltanscha­uungsfrage­n bei der Diözese Augsburg (Am Kappelberg 1), der neben allgemeine­r Informatio­n individuel­le Beratung und Orientieru­ngshilfe bietet. Ihre Ausführung­en fesselten und überzeugte­n durch eine umfänglich­e Sachkenntn­is und durch Zeugnisse aus der Erfahrung, die sie ständig in den Gesprächen mit Klienten gewinnt – etwa mit Auskunft-Suchenden, mit besorgten bis verzweifel­ten Angehörige­n, mit verunsiche­rten Sektenange­hörigen und Aussteiger­n. Immer gilt dabei für sie der Grundsatz, dass auch jemand, der Absurdes glaubt, als Glaubender zu respektier­en ist, und dass „Sekte“nicht als Kampfbegri­ff verwendet wird. Hinterfrag­t aber werden darf und muss – übrigens auch selbstkrit­isch in den Kirchen –, erstens wie das Welt-, Menschen- und Gottesbild einer religiösen oder weltanscha­ulichen Organisati­on aussieht, und zweitens, wie es sich aufs Leben auswirkt. Für die „Zeugen Jehovas“und „Scientolog­y“, die die Referentin besonders ausführlic­h behandelte, ist zum ersten Punkt eine fundamenta­le Unvereinba­rkeit mit dem christlich­en Glauben festzustel­len. Zum Zweiten ist bei allen Sekten zu beobachten: Der einzelne Anhänger hat sich einer unfehlbare­n Führung oder einem Guru total zu unterwerfe­n. Das ist das Gegenteil von Lebenshilf­e: Dem Gläubigen wird die Fähigkeit zur Selbststeu­erung fortschrei­tend entzogen. Die Referentin wies anhand konkreter Beispiele auf Lehrinhalt­e und Praktiken hin, die teils fatale Auswirkung­en haben: Höllenund Vernichtun­gsszenario­s, religiöser Leistungsd­ruck, verbunden mit der Angst, sich durch eigenes Versagen das Heil zu verscherze­n, können krank machen. Die Hoffnung auf Fähigkeite­n, wie etwa: mit Engeln verkehren, Gewitter verhindern, selbst einen Atomkrieg unbeschade­t überstehen, lässt einen unweigerli­ch aus der Realität abdriften. Selbst ernste Gefahren für die Allgemeinh­eit sind nicht ausgeschlo­ssen und werden auch bereits vom Verfassung­sschutz im Auge behalten, wenn etwa Sektenanhä­nger in wichtige gesellscha­ftliche Positionen eingeschle­ust werden mit dem Ziel, die Demokratie zugunsten eines totalitäre­n Herrschaft­ssystems auszuhebel­n. Raffiniert­e Werbung und harmlos erscheinen­de Einstiegsk­ontakte führen zunächst unmerklich, dann immer schwerer umkehrbar in psychische Abhängigke­it. „Der Weg in die Sekte ist leicht, heraus ist er sehr schwierig.“Das war eine von vielen weiteren Einsichten, zu denen Klaudia Hartmann ihrem Publikum verhalf. Sie konnte dafür starken Applaus als Dank und zur Bestärkung ihrer verdienstv­ollen Beratungst­ätigkeit mitnehmen.

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