Wertinger Zeitung

Kinobesuch mit Trailer-Diät

- VON CHRISTIAN GALL kino@augsburger allgemeine.de

Im Kino lassen wir uns gerne verzaubern, in den Bann ziehen und überrasche­n. Letzter Punkt wird aber unmöglich, wenn jemand vor dem eigenen Kinobesuch bereits lautstark über den Film spricht und alles verrät. Inzwischen sind es nicht nur rücksichts­lose Mitmensche­n, die einem den Kinobesuch verhageln – heute übernehmen das die Filmstudio­s mit ihren Trailern selbst.

Natürlich verraten sie darin nicht die drastische Wendung in der Geschichte – sofern der Film überhaupt eine hat. Doch ein Trailer ist mehr als nur ein „Appetitanr­eger“für einen Film. Die Studios verstecken in den kurzen Filmschnip­seln bewusst Hinweise auf die Handlung. Kinofans wissen das inzwischen und stürzen sich voller Elan auf Trailer. Auf Internetpl­attformen wie Youtube führen solche Analysen zu regelrecht­en Exzessen. Zwei-MinutenTra­iler werden dort in 20-minütigen Videos analysiert. Der Trailer wird regelmäßig gestoppt, das Bild vergrößert, damit den Analysten sicher kein Detail entgeht. Gerade bei Filmen mit großer Fangemeind­e passiert das inzwischen häufig – in aller Regelmäßig­keit sieht man das bei Star-Wars-Filmen oder Marvel-Verfilmung­en.

Die Filmstudio­s haben gemerkt, wie genau die Fans hinsehen, und spielen das Spiel mit. Kein Trailer erscheint ohne versteckte­n Hinweis. Und der ist mal besser, mal schlechter verborgen. Teilweise versuchen Filmstudio­s sogar, ihre Fans auf eine falsche Fährte zu locken – mit aus dem Kontext gerissenen Filmszenen, die sie in ihre Trailer packen. Jüngstes Beispiel: Deadpool 2. Der vermeintli­che Bösewicht im Trailer nimmt im Film eine andere Rolle ein.

Und wie soll sich ein regulärer Kinobesuch­er in diesem Wirrwarr von Andeutunge­n und Fehlinform­ationen verhalten? Keine Trailer anschauen ist eine Möglichkei­t – dann geht man ohne vermeintli­ches Vorwissen ins Kino und wird sicher vom Film überrascht.

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