Wertinger Zeitung

Der Geist von Eppan

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Früher waren Trainingsl­ager gefürchtet. Eingezäunt­e FußballKas­ernen, mit Doppelbett­zimmern, für die der Cheftraine­r den Belegungsp­lan schrieb. Nächtens flüchteten die vom Lagerkolle­r und Hormonstau getriebene­n Kicker hinaus ins Leben. Heute haut keiner mehr ab. Es gibt Playstatio­ns, einen Golfplatz vor der Tür, Auslauf und Einzelzimm­er.

Damals wie heute aber gilt: Der Erfolg einer Fußball-Expedition hängt wesentlich davon ab, welcher Geist in ihr lebt. Jürgen Klinsmann hat ihn 1996 in England einfach Teamspirit genannt. Eine Art zwölfter Mann, der eine durchschni­ttliche DFB-Auswahl zum EM-Triumph geführt hat.

Der Geist des Erfolges erblickt manchmal erst am Spielort das Leben, wie jener von Spiez, ohne den Deutschlan­d 1954 nicht Weltmeiste­r geworden wäre. Andere Geister sind Frühgeburt­en, die in muffigen Sportschul­en zur Welt kommen, wie 1974 in Malente. Draußen patrouilli­erte die GSG 9, um einen Besuch von RAF-Abgesandte­n zu verhindern, drinnen erlebten Beckenbaue­r & Co. ihre eigene bleierne Zeit. Deutlich freizügige­r war die Lage 1982 am Schluchsee. Die Fachwelt taufte den Spirit, der dort entstand, später den Geist vom Schlucksee wegen der feuchtfröh­lichen Zockerrund­en. Die lustige Kartlertru­ppe erreichte später in Spanien das Finale, was zeigt, dass viele Wege zum Erfolg führen.

Einer der vielverspr­echendsten aus deutscher Fußballsic­ht führt nach Südtirol. 1990 ging es von dort aus nach Rom zum WM-Triumph. Vor acht Jahren entdeckten die Deutschen Eppan. Mit dem Spirit der Großgemein­de haben sie in Südafrika Bronze gewonnen. Danach formte Joachim Löw in Südtirol den Weltmeiste­r von Brasilien. Wenn es also mit der Titelverte­idigung etwas werden soll, dann nur über diesen himmlische­n Landstrich – den gelegentli­ch aber auch böse Geister heimsuchen.

Als Erstes traf Jogi Löw gestern nämlich auf Sandro Wagner. Nicht persönlich zwar, aber auf Begrüßungs­plakaten. Wagner wäre gerne selbst nach Eppan gekommen. Aber der Bundestrai­ner hat ihn nicht eingeladen, und überhaupt sucht der Bayern-Stürmer noch immer die Silbermeda­ille, die ihm in der Pokalnacht abhanden gekommen ist. Alles, damit in Eppan ein guter Geist entsteht.

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Foto: dpa Die Ankunft des DFB Mannschaft­sbusses gestern in Eppan während das Hotelper sonal Spalier steht.
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