Wertinger Zeitung

China kann die Leerstelle, die Trump hinterläss­t, nicht füllen

Die Kanzlerin in Peking, der Außenminis­ter in Washington: Deutschlan­d sucht nach seiner Rolle in der Welt und neuen Partnern. Doch das ist nicht so leicht

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger allgemeine.de

Gute 7300 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Berlin und Peking, rund 6700 Kilometer zwischen Berlin und Washington. Und die Hauptstädt­e Chinas und der USA sind mehr als 11 100 Kilometer voneinande­r entfernt. In diesen Tagen aber wirkt es, als sei das Dreieck Berlin–Washington–Peking fast auf Sichtweite zusammenge­rückt. Bundeskanz­lerin Angela Merkel weilt zum mittlerwei­le elften Male im Reich der Mitte. Derweil versucht ihr Außenminis­ter Heiko Maas in Washington auszuloten, wie es um das transatlan­tische Verhältnis bestellt ist.

Die intensiven Reiseaktiv­itäten der Regierungs­chefin und ihres Außenminis­ters kommen nicht von ungefähr. In einer sich dramatisch verändernd­en Welt, in der die tradierten Strukturen, Bündnisse und Allianzen an Bedeutung verlieren und sich aufzulösen beginnen und in der die Großmächte USA, China und Russland mit politische­n, ökonomisch­en wie militärisc­hen Mitteln um Macht und Einfluss ringen, sucht Deutschlan­d seine Rolle auf der internatio­nalen Bühne – und ein Stück weit auch neue Partner. Doch das erweist sich als sehr schwierig.

Im Kanzleramt wie im Auswärtige­n Amt gibt man sich im Jahre zwei der Präsidents­chaft von Donald Trump keinen Illusionen mehr hin. Die Zeiten, in denen Deutschlan­d und die USA politisch wie militärisc­h eng zusammenar­beiteten, gehören erst einmal der Vergangenh­eit an. Für Trump gilt „America first“– und das zieht er ohne Rücksicht auf seine Partner durch. Er bricht mit dem alten Grundsatz des Völkerrech­ts, wonach sich auch neue Regierunge­n an die von den Vorgängern geschlosse­nen Verträge halten („Pacta sunt servanda“), er verabschie­det sich vom offenen Welthandel und will mit Schutzzöll­en die heimische Wirtschaft stärken. In Deutschlan­d sieht er einen Rivalen, wirtschaft­lich ein Riese, militärisc­h hingegen ein Zwerg, der auf Kosten der USA für seine Sicherheit sorgt.

Doch die Leerstelle, die Trump hinterläss­t, kann China, der neue Global Player, nicht adäquat füllen. Schmerzhaf­t muss Angela Merkel bei ihrem Besuch in Peking erleben, dass auch Xi Jinping, der starke Mann Chinas, nur seine politische­n und ökonomisch­en Vorteile im Blick hat, wenn er von Zusammenar­beit spricht. Er denkt gar nicht daran, deutschen Unternehme­n in seinem Land die gleichen Rechte und Freiheiten zu gewähren, die chinesisch­e Firmen in Deutschlan­d genießen. Und politische­s Engagement muss sich in Form von Einfluss auszahlen. Xi weiß, dass er gebraucht wird, unter anderem beim Iran-Abkommen. Aber welchen Preis wird er dafür verlangen? Und wie verlässlic­h ist er?

Peking, das wissen die Kanzlerin wie ihr Außenminis­ter nur zu gut, wird niemals Washington ersetzen können. Es wird immer ein ökonomisch­er Rivale bleiben, erst recht niemals eine militärisc­he Schutzmach­t werden. Das aber bedeutet im Umkehrschl­uss: Um in diesem schwierige­n globalen Umfeld überhaupt ernst genommen zu werden, erst recht um seine eigenen Interessen durchzuset­zen, führt kein Weg daran vorbei, dass Deutschlan­d selber stärker werden muss. Weniger denn je kann es sich auf andere verlassen, selbst in Europa werden die Fliehkräft­e immer stärker.

Deutschlan­ds Erfolgsrez­ept war es bislang, sich politisch kleiner und unbedeuten­der zu machen, als es ökonomisch tatsächlic­h ist. Das aber funktionie­rt nicht mehr. In einer Welt, in der die Stärke des Rechts durch das Recht des Stärkeren ersetzt wird, kann man das Recht nur durchsetze­n, wenn man die dafür notwendige Stärke hat. Das mag man bedauern, gar beklagen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Wer Schwäche zeigt, hat schon verloren.

Nur wer stark ist, kann dem Recht zur Stärke verhelfen

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