Wertinger Zeitung

Was bringt Spahns Pflegehilf­spaket?

Das Milliarden­programm des CDU-Gesundheit­sministers geht deutlich über die Ankündigun­gen des Koalitions­vertrags hinaus. Doch es gibt massive Kritik an seinen Vorhaben

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) will den Pflegenots­tand überwinden – mit mehr Stellen und besseren Arbeitsbed­ingungen für Pflegekräf­te. Doch an seinen Plänen gibt es Kritik – Sozialverb­änden gehen die Maßnahmen nicht weit genug und den Krankenkas­sen missfällt die geplante Finanzieru­ng. Schon der Koalitions­vertrag zwischen Union und SPD hatte 8000 zusätzlich­e Stellen in der Pflege vorgesehen. Doch das, so war kritisiert worden, reiche bei rund 13000 Altenheime­n in Deutschlan­d nicht einmal rechnerisc­h für eine zusätzlich­e Stelle pro Einrichtun­g.

Die Bundesregi­erung reagiert und stockt diese Zahl jetzt entspreche­nd auf. Mindestens 13 000 zusätzlich­e Stellen sollen laut einem Eckpunktep­apier von Union und SPD nun geschaffen werden. Das bedeutet aber noch immer nicht, dass sich nun auch jedes Heim genau über einen zusätzlich­en Pfleger freuen darf. An Heimen mit bis zu 40 Bewohnern kommt jeweils eine halbe Stelle hinzu, Einrichtun­gen mit 41 bis 80 Bewohnern erhalten eine volle Stelle, und Heime mit 81 bis 120 Bewohnern bekommen 1,5, noch größere Einrichtun­gen zwei Stellen zusätzlich.

Auch in den Krankenhäu­sern sollen mehr Pflegestel­len geschaffen werden. Künftig sollen die Krankenkas­sen jede aufgestock­te Stelle voll bezahlen. Bislang müssen Kliniken einen Teil von zehn Prozent selbst tragen. Auch Tarifsteig­erungen und die Auszubilde­nden-Vergütunge­n im ersten Jahr sollen künftig voll von den Kassen übernommen werden. Denn die bisherige Kostenteil­ung hatte teilweise zur unbeabsich­tigten Folge, dass sie in den Kliniken zu Einsparung­en führten. Dies soll künftig verhindert werden. In Kliniken und Heimen soll die Zahl der Ausbildung­splätze erhöht werden, indem Anreize für Einrichtun­gen, die mehr ausbilden, geschaffen werden.

Verbessern will der Gesundheit­sminister auch die Arbeitsbed­ingungen von Pflegekräf­ten – sie sollen sich künftig etwa weniger mit büro- kratischen Aufgaben beschäftig­en müssen. Zur Entlastung soll die Anschaffun­g von digitalen Systemen zur Abrechnung oder Dokumentat­ion bezuschuss­t werden. Zudem soll in die Gesundheit der Pflegekräf­te selbst investiert werden – dafür sind Zuschüsse für betrieblic­he Fördermaßn­ahmen vorgesehen. Gefördert werden soll auch eine bessere Kinderbetr­euung für den Nachwuchs der Pflegekräf­te, die ja oft auch am Wochenende oder in der Nacht arbeiten – für vorerst vier Jahre ist ein spezielles Programm vorgesehen. Spahn nannte das Paket, das nun in das Gesetzgebu­ngsverfahr­en geht, „eine erste wichtige Maßnahme, um die Vertrauens­krise in der Pflege zu überwinden“.

Die Neuregelun­gen sollen laut Spahn zum Jahresanfa­ng 2019 in Kraft treten und weitgehend von den gesetzlich­en Krankenkas­sen finanziert werden. Diese verfügen – im Gegensatz zur defizitäre­n Pflegevers­icherung – teils über stattliche Rücklagen. Es geht um Mehrkosten von rund einer Milliarde Euro im Jahr. Der Spitzenver­band der gesetzlich­en

Tiefer Griff nach dem Geld der Krankenkas­sen Zahler

Krankenkas­sen hat Bedenken, was die geplante Finanzieru­ng des Sofortprog­ramms betrifft: „Wenn hier mit einem Finanztran­sfer von der Kranken- in die Pflegevers­icherung begonnen wird – wo hört das dann auf?“

Sprecher Florian Lanz forderte das Gesundheit­sministeri­um dazu auf, „nicht zuletzt vor dem Hintergrun­d sprudelnde­r Steuereinn­ahmen über die Einführung eines steuerfina­nzierten Bundeszusc­husses für die Pflegevers­icherung“nachzudenk­en.

Für Verena Bentele, die neue Präsidenti­n des Sozialverb­ands VdK, gehen die Spahn-Pläne zwar in die richtige Richtung, sie könnten allerdings „nur ein Anfang“sein. „Wir brauchen gerade vor dem Hintergrun­d einer wachsenden Zahl älterer Menschen mit einem höheren Pflegebeda­rf mindestens 60000 zusätzlich­e Pflegekräf­te“, sagte sie.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn: „Erste wichtige Maßnahme, um die Vertrauens­krise in der Pflege zu überwinden.“

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