Wertinger Zeitung

Tod in der Badewanne

Bei Lindau soll ein Mann eine 22-jährige Frau verprügelt, vergewalti­gt und sie dann ertränkt haben. Vor Gericht erzählt der mutmaßlich­e Mörder eine andere Geschichte

- VON MICHAEL MUNKLER

Kempten/Weißensber­g Ein 35-Jähriger soll seine frühere Nachbarin zusammenge­schlagen, vergewalti­gt und dann in der Badewanne ertränkt haben. Doch seine Version der Geschichte klingt ganz anders. Bei ihm wird die junge Frau quasi zur Täterin und ihr Tod zu einem unglücklic­hen Unfall. Vor dem Landgerich­t in Kempten räumte der Mann am Donnerstag zu Beginn des Prozesses wegen Vergewalti­gung und Mordes zwar ein, für den Tod der 22-Jährigen verantwort­lich zu sein. Die Anklagever­lesung quittierte er zuvor allerdings mit Kopfschütt­eln. Der brutale Sexualmörd­er, für den ihn die Staatsanwa­ltschaft hält, will der Auszubilde­nde nicht sein.

Die junge Frau war am 19. Juni vergangene­n Jahres tot in der mit Wasser gefüllten Badewanne ihrer Wohnung in Weißensber­g bei Lindau gefunden worden. Zunächst ging die Polizei von einem Suizid aus, doch bald geriet der in Deutschlan­d geborenen Serbe in Verdacht.

Laut Anklage hatte der 35-Jährige die Frau an jenem Sommertag in einem Mehrfamili­enhaus getroffen, in dem er mit seiner ehemaligen Freundin zusammen gewohnt hatte. In dieser Wohnung soll er sein Opfer dann geschlagen und getreten haben. Von „massiver körperlich­er Gewalt gegen den rechten Ober- und den linken Unterbauch“der 22-Jährigen ist in der Anklagesch­rift die Rede. Die junge Frau erlitt schwere innere Verletzung­en und Würgemale. Möglicherw­eise sei sie bereits bewusstlos gewesen, als der 35-Jährige sie vergewalti­gte. Um diese Sexualstra­ftat zu vertuschen soll er die bewusstlos­e, aber noch lebende Frau in deren Wohnung gebracht haben. Dort habe er sie entkleidet und in die Badewanne geleget. Auf dem Bauch liegend sei sie dann ertrunken, heißt es in der Anklage. Der 35-Jährige habe die Frau ertränkt, um die Vergewalti­gung zu vertuschen.

Der Mann sagte nach der Verlesung der Anklage, er wolle Angaben machen, „aber ich kann das nicht.“ Er sei überforder­t, sagte er mit Tränen in den Augen. Dann äußerte er sich doch. An jenem Tag habe er in der Wohnung seiner Ex-Freundin einige Sachen holen wollen. Er habe sich schlecht gefühlt, seit drei Nächten nicht geschlafen und zuvor deshalb auch einen Arzt aufgesucht: „Es ging mir dreckig.“

Plötzlich sei die 22-Jährige Nachbarin vor der offen stehenden Wohnungstü­re gestanden. Die habe auf ihn eingeschla­gen und es sei zu einem Gerangel gekommen. „Es ging hin und her, ich wollte nur, dass sie aufhört“, schilderte der Angeklagte. Dann habe er bemerkt, dass seine Kontrahent­in offensicht­lich bewusstlos ist. Er habe sie dann in ihre Wohnung getragen, in die Badebauch wanne gelegt und das Wasser leicht aufgedreht. „Ich wollte, dass sie durch frisches Wasser wieder zu sich kommt.“Er habe danach sein Handy gesucht und sei zu seinem Auto gegangen. Als er zurück kam, habe die Frau in der gefüllten Badewanne gelegen – tot. „Sie hat keinen Ton von sich gegeben. Ich habe nach Hilfe gerufen“, sagte der Angeklagte vor Gericht. Dann habe er „einfach nur weg gewollt“. Er packte einige Sachen, entsorgte verschmutz­te Textilien und fuhr nach Serbien. Einen Monat später stellte er sich am Allgäu Airport bei Memmingen der Polizei.

Am Donnerstag erklärte der Mann, er habe die Frau nicht vergewalti­gt: „Ich bin mir 100-prozentig sicher, dass ich mit ihr keinen Geschlecht­sverkehr hatte.“Eine Erklärung dafür, dass der Gerichtsme­diziner sein Sperma in der Leiche fand, konnte er nicht geben. Er räumte aber ein, dass er das Badezimmer der Getöteten verschloss­en hatte, um einen Suizid vorzutäusc­hen. In dem Prozess geht es auch um die Frage, ob eine Sicherungs­verwahrung in Frage kommt. Die Staatsanwa­ltschaft hatte im Vorfeld des Prozesses Informatio­nen bestätigt, dass der 35-Jährige bereits 2004 wegen einer Vergewalti­gung verurteilt worden war. Insgesamt sind drei Verhandlun­gstage angesetzt. Ein Urteil wird am 5. Juni erwartet.

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Foto: Karl Josef Hildenbran­d, dpa Kapuze auf, Kopf nach unten: Der Angeklagte verbarg zum Prozessauf­takt sein Ge sicht vor den anwesenden Fotografen.

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