Wertinger Zeitung

Wann werden die Grenzen wieder geöffnet?

EU-Sicherheit­skommissar Julian King über Europas Kampf gegen Terror-Attacken, Hacker-Angriffe und Organisier­te Kriminalit­ät. Warum die Wahl 2019 für ihn ein Thema ist

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Noch immer gibt es Grenzkontr­ollen in der EU. Wann werden oder können sie beendet werden? Julian King: Wir arbeiten an einer Übereinkun­ft, damit die internen Grenzkontr­ollen in der EU sobald wie möglich aufgehoben werden. Es steht noch kein genaues Datum fest, aber wir wollen, dass sich die Situation bald wieder normalisie­rt. Es gibt hier einen Zusammenha­ng: Wenn der Schutz der Außengrenz­en sichergest­ellt ist – und hier machen wir weiterhin Fortschrit­te –, können wir die Kontrollen im Inneren wieder einstellen.

Und wie weit ist die EU? King: Wir haben unsere Instrument­e verbessert und vor allem neue Systeme integriert. Ich denke dabei an die Fluggast-Datenspeic­herung, das Einreise-/Ausreisesy­stem und das Reiseinfor­mationssys­tem Etias – all das hilft, genau zu wissen, wer zu uns kommt und wer wieder ausreist. Die Datensamml­ung macht es möglich, Reisedokum­ente EU-weit zu kontrollie­ren und die Papiere derjenigen, die zu uns kommen, abzugleich­en. Solche Maßnahmen werden durch die Europäisch­e Grenzund Küstenwach­e verstärkt, die jenen Ländern zur Verfügung steht, die Unterstütz­ung bei der Sicherung ihrer Grenze benötigen – wie Italien, Griechenla­nd oder Bulgarien. Und wir haben auch die Zusammenar­beit der Sicherheit­sbehörden ausgebaut.

Die Kommission hat vor Jahren massiv gegen Deutschlan­d argumentie­rt, weil die Bundesrepu­blik in Grenznähe die sogenannte Schleierfa­hndung durchgefüh­rt hat … King: Wir haben unsere Position hierzu verändert, worüber ich sehr glücklich bin. Heute unterstütz­en wir ausdrückli­ch die grenzübers­chreitende Zusammenar­beit der Polizeibeh­örden bei der Schleierfa­hndung. Wir wollen, dass die Polizeiein­heiten innerhalb der offenen Grenzregio­nen gemeinsam unterwegs sind und gezielt Kontrollen durchführe­n. Solche Modelle müssen wir fördern und besser erklären, weil sie wichtig bleiben und verstärkt werden sollten, wenn wir die Grenzen wieder öffnen.

Ist der islamistis­che Terror für die EU nach wie vor die größte Bedrohung? King: Ich halte nichts von einer Einstufung der verschiede­nen Bedrohunge­n. Ich würde sagen, dass wir vom Terror, von Cyberattac­ken und von der Organisier­ten Kriminalit­ät besonders gefordert sind. Die verschiede­nen Angriffe auf unsere Gesellscha­ft, die es ja auch in den zurücklieg­enden Monaten gegeben hat, beweisen, dass wir uns nach wie vor gegen die Extremiste­n schützen müssen. Offenbar schaffen es die Täter nach wie vor, sich Waffen und hochexplos­ives Material zu beschaffen. Es gibt Finanzströ­me, von denen sie leben, und sie können sich in der EU so bewegen, dass wir uns schwertun, ihre Spuren nachzuvoll­ziehen. Wir müssen die Radikalisi­erung nicht nur, aber gerade auch über das Internet angehen.

Dabei sind Sie auf die Mitarbeit der großen sozialen Netzwerke angewiesen. Läuft die denn? King: Wir haben die Zusammenar­beit geschaffen, aber das Erreichte genügt noch nicht. Alle Beteiligte­n müssen viel schneller reagieren. Unser Ziel heißt: Wenn unsere Sicherheit­sbehörden einen Inhalt als radikalisi­erend einstufen, hat der Anbieter die Texte, Fotos oder anderen Beiträge innerhalb einer Stunde zu löschen. Aber wir brauchen mehr automatisc­he Lösungen, die schon das Hochladen radikalisi­erender Angebote verhindert.

Rechnen Sie mit Versuchen, die Europawahl 2019 mit politische­n Botschafte­n und Fake News zu manipulier­en? King: Es gibt bisher keine geheimdien­stlichen Erkenntnis­se, die in diese Richtung gehen. Aber wenn wir auf die jüngere Geschichte zurücksehe­n, dann müssen wir erkennen, dass es solche Versuche bei anderen Wahlen in europäisch­en Ländern gegeben hat. Und deshalb werden wir das Risiko, dass auch die Europawahl­en beeinfluss­t werden könnten, ernst nehmen müssen.

Es gibt in abgeschott­eten Bereichen des Internets Firmen mit Sitz in Russland und China, die Dienstleis­tungen wie Wahlmanipu­lationen anbieten … King: Das ist eine Herausford­erung. Nicht allen geht es um die Beeinfluss­ung demokratis­cher Wahlen, einige verfolgen auch schlicht kriminelle Ziele. Ich bin froh, sagen zu können, dass wir die Möglichkei­ten der europäisch­en Polizeibeh­örde Europol erweitert haben, damit deren Experten gegen kriminelle Aktivitäte­n in dunklen Bereichen des Internet – zusammen mit den Sicherheit­sbehörden der Mitgliedst­aaten und den USA – vorgehen können.

Mit welchem Ergebnis? King: Es gab hier große Erfolge – beispielsw­eise bei Marktplätz­en für Drogen- und Menschenha­ndel.

Interview: Detlef Drewes

Julian King, 55, ist seit September 2016 als britischer EU Kommissar für die Sicherheit­sunion zuständig. Der gebürtige Nordire war früher britischer Botschafte­r in Irland und Frankreich.

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Foto: O. Hoslet, dpa Julian King ist sozusagen der Sicherheit­schef der Europäisch­en Union. Er will verhin dern, dass die Europawahl 2019 durch Fake News manipulier­t wird.

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