Wertinger Zeitung

Ein Leben in Endlosschl­eife

Jürgen Marcus ist tot. 1972 sang er „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“. Der Schlager dominierte seine Karriere. Die hatte er einst als Hippie-Star begonnen

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München Manchmal genügt ein einziges Lied. Kurz, aber gut genug für die Ewigkeit. 3:50 Minuten. Manchmal kannst du auf einem Schlager ein ganzes Leben aufbauen. Manchmal wird das zum Gefängnis, aus dem du nicht mehr rauskommst. 1972 gab es einige solche Grundstein­legungen in der Hitparade. Bata Illic sang „Michaela“, Christian Anders sang „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“, Juliane Werding sang: „Am Tag, als Conny Kramer starb“. Und ein Junge aus Herne, der Jürgen Beumer hieß und sich Jürgen Marcus nannte, sang: „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“. 3:50. Schalalala­lala.

Der Refrain wurde zur Endlosschl­eife seines Lebens. Ein Evergreen. Ein Lied zieht hinaus in die Welt, wie ein anderer seiner Hits hieß. Nun ist Jürgen Marcus im Alter von 69 Jahren gestorben. Wegen einer Erkrankung war er seit Jahren schon nicht mehr aufgetrete­n. „Schweren Herzens gebe ich bekannt, dass Jürgen Marcus den Kampf gegen die chronische Lungenkran­kheit COPD verloren hat und bereits Mitte Mai in unserer gemeinsame­n Wohnung (…) in München verstorben ist“, teilte Manager und Lebensgefä­hrte Nikolaus Fischer am Dienstag mit. Marcus litt seit 2002 an COPD, einer chronische­n Lungenerkr­ankung. Sein schlechter Gesundheit­szustand war es auch, der seine Karriere vorzeitig beendete.

2012 hatte sich Jürgen Marcus wegen der Krankheit schon aus der Öffentlich­keit zurückgezo­gen. In seinen Hochzeiten war der schlaksige Marcus für seine blonde Mähne, den lässigen Hüftschwun­g und sein strahlende­s Lächeln bekannt. „Musik ist doch etwas Wunderbare­s, weil man die Gefühle von Menschen einfangen kann“, hatte er in einem Interview mal gesagt und betont, dass er es nicht leid sei, seinen bekanntest­en Hit auf Konzerten zum Besten zu geben. „Ich bin ja dankbar, dass ich diese Lieder habe. Wenn ich auftrete, warten die Leute schon darauf, und das ist etwas Besonderes.“

Jürgen Beumer kam am 6. Juni 1948 im nordrhein-westfälisc­hen Herne zur Welt. Der Musiker war eigentlich gelernter Maschinens­chlosser. Schon mit 19 Jahren sang er und zog mit seiner ausdrucksv­ollen Stimme die Aufmerksam­keit auf sich. Doch das Sprungbret­t auf die große Bühne war die Hauptrolle des Claude im Hippie-Kultmusica­l „Hair“, die er Ende der 60er Jahre ergattert hatte. Erfolgspro­duzent Jack White, der auch David Hasselhoff als Sänger entdeckte, wurde auf den jungen Mann aufmerksam und nahm ihn unter Vertrag. Der Durchbruch gelang mit „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“(1972). „Ich war mir zu 100 Prozent sicher, dass es ein Erfolg wird – der Text war extrem gut“, sagte Jürgen Marcus später über seinen berühmtest­en Song. Weitere Hits wie „Ein Festival der Liebe“, „Auf dem Bahnhof der vielen Geleise“und „Ein Lied zieht hinaus in die Welt“

„Musik ist doch etwas Wunderbare­s“ Es war sein Wunsch, in aller Stille beigesetzt zu werden

folgten. Bis 1982 bescherte ihm der Erfolg 36 Auftritte in der Hitparade, er war damals der Interpret mit den meisten Nummer-eins-Hits.

1976 ging er beim Eurovision Song Contest für Luxemburg an den Start. Mit dem französisc­hen Song „Chansons pour ceux qui s’aiment“holte er Rang 14 – von der deutschen Jury gab es für seinen Auftritt null Punkte. Marcus experiment­ierte mit verschiede­nen Produzente­n und arbeitete unter anderem mit Andrew Lloyd Webber zusammen. Eine amerikanis­che Firma wollte ihn für den internatio­nalen Markt aufbauen. Der Song „Liberation Day“floppte 1988 allerdings schon in Deutschlan­d. In den 90er Jahren wechselte er als Produzent mit eigenem Studio die Seiten. Privat war Marcus mehr als 20 Jahre mit seinem Lebensgefä­hrten Fischer liiert. Das Paar wohnte bis zu Marcus’ Tod gemeinsam in München.

„Es war sein ausdrückli­cher Wunsch, in aller Stille beigesetzt zu werden“, teilte Nikolaus Fischer weiter mit und bat um Respekt für diese Entscheidu­ng. Die Zeit fern vom Scheinwerf­erlicht wusste der Sänger, der auch in ein paar Filmen und Serien zu sehen war, sehr zu schätzen. „Wenn man ständig nur den Beruf im Kopf hat, dann wird man zu verbissen, und das tut, glaube ich, keinem gut.“

Aleksandra Bakmaz, dpa/ mit mls

 ?? Foto: Imago ?? Vom Scheitel bis zur Sohle ein Schlagersä­nger: Das war Jürgen Marcus 1973. Im Al ter von 69 Jahren ist er nun in München gestorben.
Foto: Imago Vom Scheitel bis zur Sohle ein Schlagersä­nger: Das war Jürgen Marcus 1973. Im Al ter von 69 Jahren ist er nun in München gestorben.

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