Ankerzentrum mit Verfallsdatum
Die zentrale Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Schwaben soll nach Donauwörth kommen – allerdings nur für wenige Monate. Wie es danach weitergeht, ist fraglich
ist unklar. Söders Pressesprecher Rainer Riedl erklärte auf Nachfrage, dass der „Asylplan“mit den bayernweit sieben Ankerzentren dafür gedacht sei, die Asylverfahren im Freistaat zu beschleunigen. Damit verbunden sei die Hoffnung, dass zukünftig weniger Ankerzentren nötig seien. Wie sich die Flüchtlingssituation entwickelt, könne heute allerdings noch niemand seriös sagen.
In Donauwörth reagierte Oberbürgermeister Armin Neudert zurückhaltend auf die Nachrichten aus München und forderte die Staatsregierung auf, „umgehend Klarheit zu schaffen, was unter dem Begriff Ankerzentrum überhaupt zu verstehen ist“. Die Diskussionen in den vergangenen Wochen hätten bei den Bürgern zu Vorstellungen geführt, die „für den Standort Donauwörth nicht nur gänzlich fehl am Platze, sondern von der Größe her schlicht nicht möglich“seien. In der Erstaufnahmeeinrichtung in Donauwörth waren zuletzt zwischen 300 und 600 Asylbewerber untergebracht, Platz wäre für 1000 Perso- nen. Für die Ankerzentren waren bislang stets Kapazitäten von bis zu 1500 Personen angedacht. „Ich gehe davon aus, dass es bei dem Zeitpunkt als auch bei der bisherigen Belegungszahl bleibt, alles andere würde Widerstände hervorrufen“, sagte Stefan Rößle, Landrat im Kreis Donau-Ries. In der 18 000-Einwohner-Stadt war es in den vergangenen Monaten mehrfach zu Tumulten von Asylbewerbern gekommen.
Aus der Staatskanzlei hieß es gestern, dass die vorhandenen Kapazitäten der Unterkünfte in Manching (Oberbayern), Bamberg (Oberfranken), Schweinfurt (Unterfranken), Zirndorf (Mittelfranken), Regensburg (Oberpfalz), Deggendorf (Niederbayern) und Donauwörth ausreichend seien. Allerdings seien Anpassungen nötig, um die Erstaufnahmeeinrichtung in Ankerzentren zu verwandeln. Welche das im Degeht, tail sind, sei noch nicht klar. Es sei angedacht, dass die Asylverfahren so weit wie möglich in den Zentren durchgeführt würden, die zuständigen Behörden also auch vor Ort präsent seien.
Während in Donauwörth nach der Entscheidung noch einige Fragen offen sind, war in Kempten am Montag Erleichterung zu verspüren. Die Stadt im Allgäu galt zuletzt ebenfalls als möglicher Standort für ein Ankerzentrum. Ein ehemaliges Kasernengelände war lange für eine Erstaufnahmeeinrichtung vorgesehen – diese wurde aber bis heute nicht in Betrieb genommen. Vor allem Thomas Kreuzer, CSU-Fraktionschef im Landtag und gebürtiger Kemptener, hatte in den vergangenen Wochen argumentiert, dass die 70 000-Einwohner-Stadt für ein Ankerzentrum zu klein und die Liegenschaft ungeeignet sei. Die Stadt will auf dem Areal ein Gewerbegebiet erschließen. „Die Frage ist, ob Bayern ab 2020 mit sechs Ankerzentren auskommt“, sagte Kreuzer am Montag – und in Schwaben dann keines mehr nötig ist.
Von dem britischen Schriftsteller Aldous Huxley gibt es einen sehr prägnanten, sehr grundsätzlichen Satz, der in jeder Regierungszentrale und jedem Parlament als Inschrift in Stein gemeißelt werden sollte: „Tatsachen hören nicht auf zu existieren, nur weil sie ignoriert werden.“
Die Umweltpolitik führte in Bayern und Deutschland in der breiten Öffentlichkeit seit dem Ausstieg aus der Kernenergie eher ein Schattendasein. Mit den alarmierenden Erkenntnissen über das Bienenund Insektensterben und dem damit verbundenen Rückgang der Vogelpopulationen hat sich das wieder geändert. Und da zeigt sich: Wir haben lange Zeit einfach nicht mehr genau genug hingeschaut.
Beim Landesamt für Umwelt wurde Personal abgebaut. Es gab kaum mehr Aktualisierungen der Roten Listen gefährdeter Arten. Die einst hoch gelobten FFH- und Natura-2000-Gebiete wurden vernachlässigt. Die Warnungen von Umweltexperten blieben in Expertenzirkeln und im politischen Klein-Klein hängen.
Nachdem sich jetzt die vor zehn Jahren vollmundig verkündete „Biodiversitätsstrategie“der Staatsregierung als weitgehend wirkungslos entpuppt hat, ist ein Neuanfang im Artenschutz dringend nötig. Dazu gehört eine ehrliche Bestandsaufnahme ebenso wie entschlossenes Handeln. Die CSUStaatsregierung wäre gut beraten, der Versuchung zu widerstehen, die Probleme auf die Zeit nach der Landtagswahl zu verschieben. Der Gesetzentwurf der Grünen zu einer Reform des Artenschutzes verdient es, ernsthaft diskutiert zu werden – vor allem auch deshalb, weil sie sich erklärtermaßen darum bemühen, Lösungen mit und nicht gegen die Landwirtschaft zu finden. Dafür ist es höchste Zeit.
Erleichterung in Kempten