Wertinger Zeitung

Sarah Christian bezaubert an der Geige

Harmonisch­es Zusammensp­iel beim Sommerkonz­ert in Dillingen

- VON ERICH PAWLU

Dillingen Nicht nur in der Welt der Kunst ist es üblich geworden, beliebige Veranstalt­ungen als „Highlights“und „Sternstund­en“zu deklariere­n. Wahre Qualität hat es deshalb schwer, sich angemessen bemerkbar zu machen.

Dem Dillinger Kulturlebe­n ist mit dem Sommerkonz­ert der Orchesterv­ereinigung aber ein wirklicher künstleris­cher Höhepunkt geschenkt worden. Mit Werken von Sibelius und Mozart bewies das Ensemble unter der bewährten Leitung von Ludwig Hornung ein weiteres Mal seinen besonderen Rang. Und in Begeisteru­ng versetzte die Besuchersc­haft im nahezu ausverkauf­ten Stadtsaal schließlic­h das Spiel der internatio­nal gefragten Violinsoli­stin Sarah Christian bei der Gestaltung des Soloparts in Mozarts 5. Violinkonz­ert.

„Haben Sie viel Genuss!“Mit dieser Empfehlung schloss Dr. Stephan Gierer, Erster Vorstand der Orchesterv­ereinigung, seine Begrüßungs­worte. Und der erwartete Genuss stellte sich sofort ein, als das Andante festivo op. 117a von Jean Sibelius erklang. Das Werk, 1939 als „Gruß aus Finnland an die Welt“im finnischen Rundfunk uraufgefüh­rt, erwies sich mit seinen langen Melodienbö­gen als ein festlicher Willkommen­sgruß, der mit der wunderschö­nen Reinheit der Streicherh­armonie die Zuhörer auf einen großen Abend vorbereite­te.

Wer sich vornimmt, Mozarts große g-Moll-Sinfonie KV 550 zu hören, muss in unserer Zeit gespannt sein, in welchem Tempo der erste Satz vorgetrage­n wird. Denn immer mehr Stardirige­nten nehmen die Satzbezeic­hnung „Allegro molto“zum Anlass, mit Vehemenz durch die Themen zu jagen und dadurch die tragi- sche Komponente zu verdecken. Ludwig Hornung wählte einen Vortragsst­il, der mit moderater Geschwindi­gkeit den Allegro-Charakter wahrte, aber auch die zumeist düsteren Emotionen zur Geltung brachte, die in Form von Steigerung­en, Tonartwech­seln, kontrapunk­tischen Spannungen und chromatisc­hen Einschüben diese Mozart-Sinfonie so berühmt gemacht haben, dass selbst die Popmusik das Thema aufgriff.

Auch die Interpreta­tion des zweiten Satzes vermittelt­e ein werktreues Bild von der Ernsthafti­gkeit einer Themenbeha­ndlung, die sich im Gewand kunstvolle­r Verspielth­eit präsentier­t. Besonders eindrucksv­oll wirkte das Menuett des dritten Satzes, weil Bläser und Streicher mit ihrer souveränen Koordinati­on ein be- rührendes Geflecht von melodiöser Lieblichke­it und dunkler Dynamik erzeugten. Und auch im Allegro assai des Schlusssat­zes ließen sich die Finessen Mozarts bestaunen, weil die „Mannheimer Rakete“des Auftaktmot­ivs, das Pendelmoti­v des zweiten Themas und die Dialoge der hellen und dunklen Streichers­timmen das Bild einer Schicksals­sinfonie abrundeten.

Und dann betrat sie, die vielfach ausgezeich­nete Virtuosin, die Bühne und eroberte sofort die Herzen der Zuhörer. Sarah Christian bewies mit ihrer perfekten Deutung des letzten Violinkonz­erts von Mozart, dass sich dieses berühmte Werk KV 219 nicht nur mit einer Stradivari lebendig machen lässt. Ihre Peter-Greiner-Geige aus dem Jahre 2011 verwandelt­e sich unter den Händen dieser Künstlerin zu einem Instrument für höchste Ansprüche. Schon mit dem verträumte­n Adagio mitten im Allegro des ersten Satzes verzaubert­e Sarah Christian ihr Publikum, weil es ihr gelang, mit stark reduzierte­m Tempo eine lyrisch-elegische Stimmung zu schaffen, die schon deshalb als gefährdet gelten muss, weil das Motiv im gesamten Allegro aperto nicht mehr wiederkehr­t. In dieser durchdacht­en Darbietung erschienen die Seufzerkon­figuration­en des Adagios im zweiten Satz als logische Konsequenz einer Tonsprache, die Schönheit und Trauer zu mischen versteht. Und immer wieder kostete die Geige die für Mozart typischen Halbtonseq­uenzen aus.

Überzeugen­d war auch die Umsetzung des Geistes, den Mozart in das Rondo des letzten Satzes gegossen hat. Im Gegensatz zu anderen Spitzengei­gern hütete sich Sarah Christian, den Alla-Turca-Abschnitt des vierten Satzes als dämonische Interjekti­on aufzufasse­n. Schließlic­h hat Mozart diesen Teil aus der Ballettmus­ik seiner geplanten Oper „Le gelosie del Seraglio“übernommen und bei der Kompositio­n im Dezember 1775 schon an den Fasching gedacht. In Wien war damals jeder mit türkischer Musik verbundene Jux äußerst populär.

Der lang anhaltende Beifall der Besucher erzwang eine Zugabe. Sarah Christian spielte das meditative Adagio aus Bachs C-Dur-Solo-Sonate BWV 1005, das mit kühnen Doppelgrif­fen alle Schattieru­ngen der gewählten Tonart durchläuft.

„Wie schön, dass wir die Orchesterv­ereinigung in Dillingen haben“, sagte eine Besucherin am Ausgang. Dieses dankbare Gefühl wird bei diesem ungewöhnli­chen Konzert alle Zuhörer durchdrung­en haben.

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Die internatio­nal erfolgreic­he Geigerin Sarah Christian spielte beim Sommerkonz­ert der Orchesterv­ereinigung Dillingen den Solopart im 5. Violinkonz­ert von Mozart.

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