Wertinger Zeitung

Vorteil Becker

Wie die Tennis-Legende die britische Justiz ausspielen könnte

- VON MICHAEL STIFTER

Ganz ehrlich: Wir haben Boris Becker unterschät­zt. Als die Zentralafr­ikanische Republik ihn im April zum Sonderatta­ché für Sport und Kultur in Brüssel ernennt, scheint das nur eine weitere kuriose Episode im Leben der Tennis-Legende zu sein. In einem Leben zwischen Wimbledon und Besenkamme­r, Pokertisch und Klatschpre­sse. Für viele Deutsche gehört dieser Mann quasi zur Familie. Egal, ob er mal wieder eine Beziehung in den Sand gesetzt hat oder seine Villa auf Mallorca vergammeln lässt. Wir jubeln und leiden mit ihm und manchmal ist er uns auch ziemlich peinlich – aber am Ende verzeihen wir dem Sorgenkind trotzdem fast alles. Weil: das mit dem Becker-Hecht und wie er den Stefan Edberg damals ... Das war halt schon sehr schön. So, und dann soll unser Held also auch noch Diplomat für ein afrikanisc­hes Land werden. Klingt bizarr. Anderersei­ts, passt doch irgendwie zu diesem kurvenreic­hen Leben, oder? Dachten wir jedenfalls bis jetzt. Doch nun nimmt die Geschichte eine weitere, überrasche­nde Wendung. Beckers Anwälte wollen in Großbritan­nien ein lästiges Insolvenzv­erfahren gegen den 50-Jährigen stoppen, und berufen sich – Achtung, jetzt kommt’s – auf die diplomatis­che Immunität ihres Mandanten. Die Advokaten sind davon überzeugt, dass ohne die Zustimmung der Zentralafr­ikanischen Republik gar kein Prozess gegen ihn geführt werden darf. Vorteil Becker.

Nun fragen wir uns: Kann das wirklich Zufall sein? Oder hat sich unser Boris etwa nur zum Sonderatta­ché ernennen lassen, um die Justiz auszuspiel­en? Das wäre natürlich... Anderersei­ts: Wahrschein­lich würden wir ihm auch das verzeihen. Er gehört ja schließlic­h zur Familie.

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Foto: dpa

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