Wertinger Zeitung

Was steckt hinter der Brenner Krise?

Seit Monaten sorgen die Blockabfer­tigungen an der deutsch-österreich­ischen Grenze für lange Staus und viel Ärger. Warum das so ist und welche Folgen es für Autofahrer hat

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg Stau am Brenner – eine Nachricht, die kaum mehr überrasche­n dürfte. Und doch sorgt sie aktuell für großen Streit, verärgerte Auto- und Lastwagenf­ahrer sowie politische Spannungen zwischen Österreich und Deutschlan­d. Der Grund: Das Land Tirol bremst seit Monaten immer wieder den Lastwagenv­erkehr am Grenzüberg­ang bei Kufstein und Kiefersfel­den aus, um die Autobahn in den Süden zu entlasten. 16 Mal schon in diesem Jahr. Allein in den Pfingstfer­ien an sieben Tagen. Die Folge: kilometerl­ange Staus quer durch das bayerische Inntal und darüber hinaus.

Diese Woche fand der zweite sogenannte Brenner-Gipfel mit Vertretern der betroffene­n Länder und Regionen statt und endete, wenig überrasche­nd, mit weiterem Ärger. Der Tiroler Landeshaup­tmann Günther Platter weigerte sich, eine gemeinsame Erklärung zu unterschre­iben. Der deutsche Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer, der erst gar nicht nach Bozen gereist war, weil er genau das befürchtet hatte, sprach von schlechtem Stil. Und was bedeutet das für die Lastwagen- und Autofahrer? Die wichtigste­n Fragen und Antworten auf einen Blick:

Was ist eigentlich das Problem? Im Schnitt passieren täglich mehr als 36 000 Autos und Lastwagen den Brenner und von Jahr zu Jahr werden es mehr. Sowohl Bayern als auch Tirol, Südtirol und das Trentino ächzen unter dem enormen Verkehrsau­fkommen

Die nächsten Termine stehen schon fest

auf einer der wichtigste­n Transitstr­ecken von Nord nach Süd. Anwohner sind verärgert, die Autobahn ist regelmäßig dicht, Brücken, Tunnel und Straßenbel­ag an oder sogar über der Belastungs­grenze. Gleiches gilt für die Umwelt. Um die Situation zu entspannen, greift das Land Tirol seit Herbst des vergangene­n Jahres zu drastische­n Maßnahmen: Blockabfer­tigungen. Sie sind der Grund für den aktuellen Ärger.

Was sind diese Blockabfer­tigungen? Zu besonders verkehrsst­arken Zeiten wird die rechte Spur der Inntal-Autobahn (A93/A12) blockiert und pro Stunde dürfen nur noch bis zu 300 Lastwagen den Grenzüberg­ang zwischen Kiefersfel­den (Deutschlan­d) und Kufstein (Österreich) passieren. Die linke Spur bleibt Autos vorbehalte­n, was aber bei starkem Reiseverke­hr zu Urlaubszei­ten oft nicht ausreicht. Die Folge sind Staus bis weit nach Bayern hinein und über das Inntal-Dreieck hinaus. An manchen Tagen sind die Folgen der Blockabfer­tigung noch auf der A8 am Irschenber­g zu spüren. Dazu blockieren wartende Lastwagen die Anschlusss­tellen, sodass auch Landstraße­n betroffen sind.

Wann droht der nächste Stau? Das Land Tirol hat für weitere neun Termine Blockabfer­tigungen angekündig­t. Am 2., 9., 16., 23. und 30. Juli, am 16. August, am 27. Oktober sowie am 2. und 5. November, jeweils ab 5 Uhr morgens. Die Autobahndi­rektion Südbayern rät Verkehrste­ilnehmern an diesen Tagen von Fahrten auf der Inntal-Autobahn ab.

Warum macht Tirol das? Wie Landeshaup­tmann Platter betont, sieht er die Blockabfer­tigungen als „Notwehr“. Mauterhöhu­ngen oder Nachtfahrv­erbote hätten nicht die gewünschte Wirkung entfaltet, Gespräche über Lkw-Obergrenze­n und eine Korridor-Maut für die Strecke München-Verona scheiterte­n auch beim zweiten Brenner-Gipfel in Bozen. Dazu kommt die eigentlich von allen Seiten gewünschte Verlagerun­g des Güterverke­hrs auf die Schiene noch nicht wie erhofft voran.

Wo hapert es beim Zugverkehr? Österreich und Italien kommen beim Bau des Brennerbas­istunnels – ein beinahe zehn Milliarden teurer und 64 Kilometer langer Eisenbahnt­unnel unter dem Alpenhaupt­kamm – gut voran. Die Eröffnung ist 2026 geplant. Deutschlan­d und Bayern hinken mit dem Bau von Zulaufstre­cken zum Tunnel allerdings hinterher. Diese wären nötig, um deutlich mehr Züge durch den neuen Tunnel schicken zu können. Streit gibt es vor allem im Inntal. Dort wehren sich die Bürger einiger Gemeinden gegen neue Gleise und mehr Zugverkehr. Nächste Woche will die Deutsche Bahn erste Entwürfe vorstellen, wo die Bahntrasse­n verlaufen sollen. Vor 2020 wird aber wohl keine Entscheidu­ng fallen. Vom Bau der Gleise ganz zu schweigen.

Was wollen Bayern und Deutschlan­d? Verkehrsmi­nisterin Ilse Aigner erklärte nach dem Gipfeltref­fen, dass Deutschlan­d die Maut für den Schwerlast­verkehr anheben möchte. Zudem solle über eine Lockerung des seit 1989 bestehende­n Nachtfahrv­erbots für Lastwagen in Tirol nachgedach­t werden, damit sich der Verkehr besser verteilen kann. Gleichzeit­ig schlug die CSU-Politikeri­n technische Neuerungen vor, mit denen Güter leichter mit dem Zug transporti­ert werden können. Das System der „Rollenden Landstraße“– komplette Lastwagen werden auf Waggons transporti­ert – hat sich als unattrakti­v für Unternehme­n herausgest­ellt. So warb Aigner für das in Bayern entwickelt­e System „Nikrasa“, mit dem Sattelaufl­ieger, die nicht mit einem Kran angehoben werden können, ohne Zugmaschin­e auf Waggons gepackt werden. »Kommentar

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Foto: Peter Kneffel, dpa Ein Bild, wie es in diesem Jahr schon so häufig zu sehen war: Kurz vor der bayerisch österreich­ischen Grenze stehen die Lastwa gen auf der A93 Schlange, um nach Tirol einreisen zu dürfen.

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