Wertinger Zeitung

Einzug in die Exil Villa von Thomas Mann

In den 1940ern war sie das Zuhause für den Schriftste­ller. Nun ziehen in das berühmte Anwesen in Kalifornie­n deutsche Stipendiat­en ein. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier reist zur Eröffnung an

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Los Angeles Für Thomas Mann war es das Haus der „Seven Palms“: Im hügeligen Pacific Palisades in Los Angeles – von Zitronenha­inen und Palmen umgeben – fand der Schriftste­ller nach der Emigration aus Nazi-Deutschlan­d für sich und seine Familie in den 1940er Jahren eine Exil-Heimat. Jetzt wird das zweistöcki­ge weiße Haus mit der Adresse „1550 San Remo Drive“im vornehmen „Riviera“-Viertel zum Domizil für deutsche Stipendiat­en. Für Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier ist die Einweihung des „Thomas Mann House“an diesem Montag ein wichtiger Stopp auf seiner mehrtägige­n Kalifornie­n-Reise.

Das Residenzpr­ogramm soll Intellektu­ellen Gelegenhei­t zum Austausch untereinan­der und mit dem Gastland über die großen Fragen unserer Zeit bieten – so lautet die erklärte Zielsetzun­g der Einrichtun­g. Am Kauf der Villa durch die Bundesregi­erung war Steinmeier 2016 als Außenminis­ter maßgeblich beteiligt. Für das „Weiße Haus des Exils“, wie er es damals nannte, zahlte Deutschlan­d einem kalifornis­chen Luxusmakle­r rund 13 Millionen Dollar. „Das ist überhaupt nichts für diese Gegend“, sagte die Architektu­rhistorike­rin Lilian Pfaff kürzlich. Das Grundstück alleine sei schon so viel wert. Pfaff schreibt ein über das Werk des deutschstä­mmigen Architekte­n Julius Ralph Davidson (1889-1977), einer der Hauptvertr­eter der kalifornis­chen Moderne, der das Haus 1942 für Mann baute.

Nach den Manns, die 1952 in die Schweiz zogen, lebten hier über 60 Jahre der kalifornis­che Anwalt Chet Lappen und seine Frau Jon. Das Erbe ihrer Immobilie war ihnen bewusst, aber unter Denkmalsch­utz stand das Haus nicht. 2016 wurde es von Immobilien­maklern als Millioneno­bjekt in einer „ultra-exklusiven“Nachbarsch­aft angepriese­n. Der künftige Besitzer könnte ein Traum-Anwesen errichten, sprich das alte Haus abreißen, so die Empfehlung. Autoren, VerleBuch ger und Künstler in Deutschlan­d liefen Sturm. Per Online-Petition forderten sie die Bundesrepu­blik auf, das Haus zu erwerben und zu einem Erinnerung­s- und Begegnungs­ort auszubauen. Der drohende Abriss wurde abgewendet.

Als erster Stipendiat zieht im Juni der Schauspiel­er Burghart Klaußner ein, gefolgt von der Berliner Soziokultu­relle login Jutta Allmending­er, dem in Göttingen lehrenden ThomasMann-Forscher Heinrich Detering und dem Mikroelekt­roniker Yiannos Manoli. Auch die Journalist­in Sylke Tempel war ursprüngli­ch ausgewählt worden, doch im Oktober verunglück­te die Politik-Expertin tödlich bei einem Sturm.

Mit fünf Millionen Dollar wurden die Renovierun­gsarbeiten am Haus beziffert. Alles wurde von Grund auf saniert. Der Grundriss blieb erhalten, doch vom alten Innenausba­u ist nicht mehr viel übrig. Bis auf das historisch­e Herzstück im Erdgeschos­s – Manns früheres Arbeitszim­mer, in dem der Literaturn­obelpreist­räger Werke wie „Joseph, der Ernährer“und den Musikerrom­an „Doktor Faustus“schrieb. In diesem Büro erarbeitet­e der HitlerGegn­er in den Kriegsjahr­en auch seine BBC-Radioanspr­achen „Deutsche Hörer!“

Laute Empfänge und viele Gäste am San Remo Drive? Das waren anfangs ihre Bedenken, erzählt Shirley, die neben der Mann-Villa wohnt. Die Sorge hätten die Betreiber ausgeräumt. Die Nachbarn seien froh, dass das alte Haus erhalten werde. „Sonst hätte das ein Bauunterne­hmer kaufen können, alles abgerissen und drei monströse Villen hingestell­t.“Barbara Munker, dpa

 ?? Foto: Rebuild.ing, H2S Architekte­n, dpa ?? Die Computergr­afik zeigt das restaurier­te Thomas Mann Haus in Los Angeles.
Foto: Rebuild.ing, H2S Architekte­n, dpa Die Computergr­afik zeigt das restaurier­te Thomas Mann Haus in Los Angeles.

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