Als es aus den Gräbern schmatzte
Bei der Stadtführung „Gespenstisches Augsburg“lernen die Teilnehmer die Stadt mal von einer anderen Seite kennen. Was es etwa mit den Untoten in den Gräbern auf sich hat
noch nichts, wurden sie verbrannt.“Die Frauen und Männer unterschiedlichen Alters hören der jungen Stadtführerin gebannt zu. Fischer weiß es allein mit ihrer Stimme, Spannung zu erzeugen. Nicht umsonst will sich die 20-Jährige an mehreren Schauspielschulen bewerben. Bis dahin verdient sie sich als Stadtführerin bei „Stadtwege“ihr Geld. Sie ist eine von sieben Stadtführern und drei Auszubildenden des Augsburger Unternehmens, das es erst seit 2016 gibt. Die 29-jährige Christina Höhberger-Heckel hat „Stadtwege“gegründet. Sie ist auch die Geschäftsführerin. Mit etwas anderen Themen will die junge Frau den Menschen Augsburg näher bringen. Vor allem aber lege sie weniger Wert auf Zahlenmaterial, dafür aber mehr auf lebendig erzählte Geschichten, beschreibt sie das Konzept. Recherchiert wird dafür in Büchern und alten Chroniken. Apropos, noch eines zu den schmatzenden Gräbern: Für das Geräusch gibt es freilich eine natürliche Erklärung. Wie Fischer auflöst, entstehe es bei Verwesungsprozessen im Magen- und Darmbereich. Und weil die Leichen nicht richtig tief vergraben waren, war das Geräusch in den stillen Nächten zu hören. Gute Zuhörer sind auch die Teilnehmer. Die meisten von ihnen kommen aus Augsburg. Viele haben über Facebook von der eineinhalbstündigen Führung erfahren. Wie etwa Andreas Riederer.
Der Landesbeamte arbeitet eigentlich in München. Zwei Wochen lang hat er nun in Augsburg zu tun und nutzt nach der Arbeit die freie Zeit, um die Stadt näher kennenzulernen. „Ich habe Augsburg brutal unterschätzt“, gesteht Riederer. Begeistert sei er von Schaezlerpalais, Damenhof, Fuggerei und Rathaus. Bei den Geistergeschichten hört er aufmerksam zu, wie auch der Rest der Gruppe, die zu Fuß von Spukort zu Spukort weiterzieht. Etwa zur Regierung von Schwaben, wo nachts, so die Darstellung, drei böse Schwestern ihr Unwesen treiben, auch weil dort irgendwo noch ein Schatz vergraben sein soll. Dieser kann nur zwischen zwei und vier Uhr morgens von einem Menschen gehoben werden, der ohne Sünde ist, erklärt Lieselotte Fischer. „Hast Du heute Nacht schon was vor?“, fragt eine Teilnehmerin ihre Freundin. Beide Frauen lachen. Dabei sind die Gespenstergeschichten natürlich alles andere als lustig. Die Stadtführerin erzählt, warum um Mitternacht manchmal die Fingerspitzen des Kaiser Augustus auf dem gleichnamigen Brunnen vor dem Rathaus leuchten. Sie berichtet, was es mit dem schwarzen Kalb mit den roten Augen, das eine Zeit lang im Mettlochgäßchen spukte, auf sich hatte. Fischer schildert die Geistergeschichte von dem schmalen Haus neben der Kresslesmühle, wo heute der Kolonialladen untergebracht ist. Das Haus hatte nämlich einst ein Knecht aus Rache angezündet, weil sein Herr ihn hinaus geworfen hatte. Bei dem Brand starben die drei Kinder des Herren und seiner Frau. Als der Knecht später das Zeitliche segnete, spukte er dort so lange herum, bis ihm der Herr seine Tat vergab. Die Stadtführerin verrät zudem, dass in Augsburg das Tor zur Hölle das Fischertor sei. Die Gruselgeschichten jedenfalls sorgen für Unterhaltung. Und – die Teilnehmer wissen jetzt, wie man richtig auf einen Geist reagiert.
Weitere Infos unter: www.stadtwe ge.de. Das Unternehmen ist nicht der einzige Anbieter von Stadtführungen. Thematische Touren gibt es unter: www.augsburger stadtführungen.com oder von der Regio Augsburg unter: www.augsburg tourismus.de.