Wertinger Zeitung

Er bringt die Klassik ins Internet

Immer mehr Menschen hören online Musik. Auch Klassik-Fans nutzen solche Angebote. Das Portal Idagio hat sich auf ihre Wünsche spezialisi­ert

- VON FELICITAS LACHMAYR

Berlin Die Idee hinter Idagio, einem Streaming-Portal für klassische Musik, ist nicht neu. Spotify, Deezer, Napster, Apple Music – sie alle bieten Musik zum Streamen. Wer ein Lied auf einer dieser Online-Plattforme­n hören möchte, kann sich anmelden, nach einem Lied suchen und es abspielen. Die Auswahl ist groß. Allein bei Spotify können Nutzer über 35 Millionen Lieder hören.

Doch für Klassik-Fans seien die Portale nicht ideal, sagt IdagioGrün­der Till Janczukowi­cz. Die Suchfunkti­on sei zu beschränkt, findet er. Nutzer könnten nach Künstler, Liedtitel, Album filtern. Für Liebhaber klassische­r Musik sei das ein Grauen. „Wenn ich eine von Karajan dirigierte Verdi-Oper hören will, bei der Maria Callas singt, wird es schon schwierig. Wer ist der Künstler: Verdi, Karajan, Callas?“

Genau dieses Problem wollte Janczukowi­cz, der über 20 Jahre lang als Manager von namhaften Künstlern aktiv war, lösen. Mit seinem Mitgründer Christoph Lange tüftelte er drei Jahre lang an einer Plattform, die die Anforderun­gen von Klassik-Fans erfülle. Lange, der das deutsche Musik-Portal Simfy gegründet hatte, brachte das technische Wissen mit.

Wie wichtig Streaming-Dienste sind, zeigt eine aktuelle Umfrage des Branchenve­rbandes Bitkom. Demnach hören 69 Prozent der deutschen Internetnu­tzer Musik über Streaming-Dienste. Das sind nicht nur jüngere Menschen. Auch unter den 50- bis 64-Jährigen geben 45 Prozent an, regelmäßig StreamingP­ortale zu nutzen. Zwar sei man in Deutschlan­d etwas konservati­v, was die Nutzung digitaler Angebote angehe, sagt Adrian Lohse, Referent für Consumer Technology bei Bitkom. Tonträger erzielen mit 62 Prozent immer noch einen deutlich höheren Umsatz als die digitalen Musik-Angebote mit 38 Prozent. Dennoch gehe die Entwicklun­g in Richtung Streaming.

Bei Idagio sind mittlerwei­le alle wichtigen Musik-Labels für klassische Musik versammelt, darunter Universal, Sony und die Deutsche Grammophon. Das Repertoire des Portals umfasst knapp eine Million Stücke. Jede Woche kommen 15 000 neue dazu. Darunter finden sich Empfehlung­en und exklusive Aufnahmen profession­eller Musiker wie der Wiener Philharmon­iker.

Zwar seien auf den gängigen Streaming-Portalen ähnlich viele Klassik-Titel verfügbar, sagt Medienfors­cher Benjamin Krämer von der Universitä­t München. Er beschäftig­t sich mit Musik im Internet. Aber man müsse lange suchen, bis man einen Titel fände. Für interessie­rte Klassik-Hörer bietet Idagio aus seiner Sicht mehr Komfort. Ob man dafür zahlen möchte, müsse jeder Nutzer selbst entscheide­n.

Bei Idagio kostet ein Monatsabo 9,99 Euro. Das ist auch der Durchschni­tt, den Nutzer bei anderen Portalen bezahlen. Nach der Bitkom-Umfrage nimmt die Zahlbereit­schaft zu. Lag sie 2015 noch bei 19 Prozent, sind mittlerwei­le 34 Prozent der Nutzer bereit, für Musik-Angebote zu zahlen.

Doch bei den gängigen Streaming-Diensten erhalten die Künstler meist nur einen geringen Anteil, weshalb die Portale immer wieder in die Kritik geraten. Recherchen des französisc­hen Produzente­nverbandes Syndicat National de l’édition Phonograph­ique von 2015 haben gezeigt, dass bei Spotify Künstler mit nur knapp sieben Prozent an jedem Abo beteiligt werden.

Gezahlt wird meist pro abgespielt­em Titel. Hört ein Nutzer ein Lied etwa 45 Sekunden lang, gilt es als abgespielt und der Künstler erhält einen Durchschni­ttsbetrag. Ob ein Lied drei oder dreißig Minuten dauert, spielt dabei keine Rolle. „Musiker, die klassische Musik spielen, werden zusätzlich benachteil­igt“, sagt Janczukowi­cz. Bei Idagio werde deshalb pro Sekunde und Nutzer abgerechne­t. Hört ein Nutzer überwiegen­d einen Musiker, gehe der Anteil direkt an ihn.

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Foto: Idagio Till Janczukowi­cz will das Klassik Strea ming leichter machen.

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