So laufen die Arbeiten am Bahnhofstunnel
Von den 400 Metern Tunnelstrecke sind rund 300 Meter fertig. Der verbleibende Abschnitt ist aber technisch am anspruchsvollsten: Für die letzten 100 Meter werden daher noch Jahre benötigt
Das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude aus dem Jahr 1845 steht seit einigen Wochen ohne Grundmauern da – Anfang Mai rissen Bauarbeiter die Erdgeschossmauer zum Bahnhofsvorplatz ein, um im Untergrund am Bahnhofstunnel arbeiten zu können. Rund 1500 Tonnen Gewicht lasten seitdem auf Stahlträgern, die provisorisch das Gebäude tragen. Mit Hydraulikpressen können Bodenbewegungen millimetergenau ausgeglichen werden. Bisher habe es keine Risse am Gebäude gegeben, so die Stadtwerke. Anhand unseres Luftbilds erklären wir, was in diesem Jahr auf der Tunnelbaustelle passiert und worauf sich Fahrgäste bis zur Fertigstellung des Tunnels 2023 einzustellen haben.
Der Tunneleingang in der Halderstraße ist seit dem Jahr 2013/14 fertig. Gleise und Oberleitungen für die Tram werden erst kurz vor der Inbetriebnahme eingebaut – sie würden sonst nur jahrelang vor sich hin rosten. Der Tunnel für die Straßenbahn unter dem Bahnhofsvorplatz ist ebenfalls schon fertig – er führt nun bis direkt vors Bahnhofsgebäude.
Aktuell ist das Bahnhofsgebäude eine von zwei Stellen, an denen am Tunnel gebaut wird. Seit vergangenem Jahr sind die Geschäfte in Container auf dem Bahnhofsvorplatz ausquartiert. Das wird mindestens bis 2021 so bleiben. In den vergangenen Monaten wurde in den Boden unter dem Bahnhofsgebäude bis in eine Tiefe von 20 Metern Zement gespritzt, um ihn auf diese Weise so stabil zu machen, dass dort ein Tunnel gebaut werden kann. Das Bahnhofsgebäude hat inzwischen eine neue Bodenplatte bekommen, die gleichzeitig auch die Decke des Tunnels ist. Er verläuft unter dem Personenbahnhof zweistöckig – ganz unten die Tram mit unterirdischer Haltestelle, darüber ein Fuß- gängertunnel. Ab kommendem Jahr wird das Erdreich unter der Betonplatte im Bahnhofsgebäude ausgebaggert und mit Kippern über den Tunneleingang Halderstaße abtransportiert. Von außen wird man davon nichts bemerken: Ab Anfang Juli wird die Ost-Fassade des Bahnhofs wieder aufgemauert (fertig im August), im Herbst muss die Mauer auf der Bahnsteigseite vorübergehend weg. Ab 2023 wird der Eingang zum Bahnhofstunnel für Fußgänger über das Bahnhofsgebäude laufen. Die Bahn wollte keinen Ausgang auf dem Bahnhofsvorplatz, um den Ladenmietern im Gebäude genug Passantenfrequenz sicherzustellen. Das ist auch einer der Gründe, dass der Tunnel nicht für Radler freigegeben wird. Sie kämen auf der Innenstadt-Seite nicht vernünftig ans Tageslicht.
Die andere Baustelle ist der Bahnsteig F. Der neue Bahnsteig soll dafür sorgen, dass der Bahnhof genug Kapazitäten für den Nahverkehr hat. Im Hinblick auf den Bahnhofstunnel erfüllt er noch eine andere Aufgabe: In den Jahren bis 2023 werden für die Tunnelbauarbeiten jeweils zwei Bahnhofsgleise außer Betrieb genommen werden müssen. Damit der Verkehr abgewickelt werden kann, braucht es also Ausweichkapazitäten. Am augenfälligsten an der Baustelle für den Bahnsteig F sind momentan die Arbeiten für den Tunnel, der unter dem Bahnsteig gleich mitgebaut wird. Als Tunnelwände wurden 24 Meter lange Bohrpfähle ins Erdreich getrieben, die Betondecke ist schon draufgesetzt. Eingeweiht wird der Bahnsteig zum Fahrplanwechsel am 9. Dezember. Kurz nach Mitternacht werden zwei Gleise am Nachbarbahnsteig außer Betrieb genommen, um Vorbereitungen für den weiteren Baufortschritt zu treffen. Ab Mitte Januar gehen die Arbeiten dann an den Gleisen 7 und 8 weiter, die für ein Jahr stillgelegt werden. Ab 2019 werden pro Jahr jeweils zwei Gleise und die dazugehörigen Bahnsteighälften außer Betrieb genommen.
Dieser Abschnitt ist technisch anspruchsvoll. Der Zeitplan muss gehalten werden, weil die Bahn Gleisänderungen mit jahrelangem Vorlauf plant. Zudem wird der Abschnitt auch entscheidend dafür sein, ob der Kostenrahmen eingehalten werden kann. Die Stadtwerke gehen aktuell von 181,4 Millionen Euro Kosten aus, gesetzt haben sie sich einen Maximalbetrag von 193,75 Millionen Euro. Die Ausschreibung für Baufirmen zu diesem Tunnelabschnitt läuft noch, im September soll es Ergebnisse geben. Die Ausschreibung für die Arbeiten unter dem Bahnhofsgebäude brachte deutlich höhere Ergebnisse als gedacht – infrage kommen für diese Arbeiten Spezialbaufirmen, die auch bei anderen Projekten wie Stuttgart 21 oder der zweiten Stammstrecke in München gefragt sind.
In diesem Bereich unter dem Güterbahnhof ist der Tunnel samt einer Wendeschleife schon fertig. Hier befindet sich ein Lichthof, durch den Tageslicht in den Tunnel fallen soll. An dieser Stelle ist der Tunnel breiter als unter dem Bahnhofsvorplatz, weil parallel zu den Gleisen ein Fußweg zum Thelottviertel durchgestochen wird. Der Betonflachbau neben dem LichthofSchacht ist die Entrauchungszentrale – im Brandfall wird mit Ventilatoren der Rauch aus dem Tunnel geblasen.
Nach rund 400 Metern Tunnelstrecke von der Halderstraße gemessen kommt die Tram am neuen Bahnhofsvorplatz West wieder ans Tageslicht. Der Platz entsteht in der künstlichen 80 Meter langen Schneise, die die Stadtwerke dort in die Wertachleite gegraben haben. Unter anderem wird dort ein Fahrradparkhaus gebaut. Entlang der Tramgleise, die über den Platz führen (er bekommt Natursteine und ein Wasserbecken), wird eine 50 Meter lange hüfthohe Mauer entstehen. Sie soll sicherstellen, dass Fußgänger dort nicht die Tramgleise überqueren, sodass eine Straßenbahn im Brandfall auf ganzer Länge mit Tempo aus dem Tunnel fahren kann.
Hier entscheidet sich, ob es am Ende teurer wird