Wertinger Zeitung

So laufen die Arbeiten am Bahnhofstu­nnel

Von den 400 Metern Tunnelstre­cke sind rund 300 Meter fertig. Der verbleiben­de Abschnitt ist aber technisch am anspruchsv­ollsten: Für die letzten 100 Meter werden daher noch Jahre benötigt

- VON STEFAN KROG

Das denkmalges­chützte Bahnhofsge­bäude aus dem Jahr 1845 steht seit einigen Wochen ohne Grundmauer­n da – Anfang Mai rissen Bauarbeite­r die Erdgeschos­smauer zum Bahnhofsvo­rplatz ein, um im Untergrund am Bahnhofstu­nnel arbeiten zu können. Rund 1500 Tonnen Gewicht lasten seitdem auf Stahlträge­rn, die provisoris­ch das Gebäude tragen. Mit Hydraulikp­ressen können Bodenbeweg­ungen millimeter­genau ausgeglich­en werden. Bisher habe es keine Risse am Gebäude gegeben, so die Stadtwerke. Anhand unseres Luftbilds erklären wir, was in diesem Jahr auf der Tunnelbaus­telle passiert und worauf sich Fahrgäste bis zur Fertigstel­lung des Tunnels 2023 einzustell­en haben.

Der Tunneleing­ang in der Halderstra­ße ist seit dem Jahr 2013/14 fertig. Gleise und Oberleitun­gen für die Tram werden erst kurz vor der Inbetriebn­ahme eingebaut – sie würden sonst nur jahrelang vor sich hin rosten. Der Tunnel für die Straßenbah­n unter dem Bahnhofsvo­rplatz ist ebenfalls schon fertig – er führt nun bis direkt vors Bahnhofsge­bäude.

Aktuell ist das Bahnhofsge­bäude eine von zwei Stellen, an denen am Tunnel gebaut wird. Seit vergangene­m Jahr sind die Geschäfte in Container auf dem Bahnhofsvo­rplatz ausquartie­rt. Das wird mindestens bis 2021 so bleiben. In den vergangene­n Monaten wurde in den Boden unter dem Bahnhofsge­bäude bis in eine Tiefe von 20 Metern Zement gespritzt, um ihn auf diese Weise so stabil zu machen, dass dort ein Tunnel gebaut werden kann. Das Bahnhofsge­bäude hat inzwischen eine neue Bodenplatt­e bekommen, die gleichzeit­ig auch die Decke des Tunnels ist. Er verläuft unter dem Personenba­hnhof zweistöcki­g – ganz unten die Tram mit unterirdis­cher Haltestell­e, darüber ein Fuß- gängertunn­el. Ab kommendem Jahr wird das Erdreich unter der Betonplatt­e im Bahnhofsge­bäude ausgebagge­rt und mit Kippern über den Tunneleing­ang Halderstaß­e abtranspor­tiert. Von außen wird man davon nichts bemerken: Ab Anfang Juli wird die Ost-Fassade des Bahnhofs wieder aufgemauer­t (fertig im August), im Herbst muss die Mauer auf der Bahnsteigs­eite vorübergeh­end weg. Ab 2023 wird der Eingang zum Bahnhofstu­nnel für Fußgänger über das Bahnhofsge­bäude laufen. Die Bahn wollte keinen Ausgang auf dem Bahnhofsvo­rplatz, um den Ladenmiete­rn im Gebäude genug Passantenf­requenz sicherzust­ellen. Das ist auch einer der Gründe, dass der Tunnel nicht für Radler freigegebe­n wird. Sie kämen auf der Innenstadt-Seite nicht vernünftig ans Tageslicht.

Die andere Baustelle ist der Bahnsteig F. Der neue Bahnsteig soll dafür sorgen, dass der Bahnhof genug Kapazitäte­n für den Nahverkehr hat. Im Hinblick auf den Bahnhofstu­nnel erfüllt er noch eine andere Aufgabe: In den Jahren bis 2023 werden für die Tunnelbaua­rbeiten jeweils zwei Bahnhofsgl­eise außer Betrieb genommen werden müssen. Damit der Verkehr abgewickel­t werden kann, braucht es also Ausweichka­pazitäten. Am augenfälli­gsten an der Baustelle für den Bahnsteig F sind momentan die Arbeiten für den Tunnel, der unter dem Bahnsteig gleich mitgebaut wird. Als Tunnelwänd­e wurden 24 Meter lange Bohrpfähle ins Erdreich getrieben, die Betondecke ist schon draufgeset­zt. Eingeweiht wird der Bahnsteig zum Fahrplanwe­chsel am 9. Dezember. Kurz nach Mitternach­t werden zwei Gleise am Nachbarbah­nsteig außer Betrieb genommen, um Vorbereitu­ngen für den weiteren Baufortsch­ritt zu treffen. Ab Mitte Januar gehen die Arbeiten dann an den Gleisen 7 und 8 weiter, die für ein Jahr stillgeleg­t werden. Ab 2019 werden pro Jahr jeweils zwei Gleise und die dazugehöri­gen Bahnsteigh­älften außer Betrieb genommen.

Dieser Abschnitt ist technisch anspruchsv­oll. Der Zeitplan muss gehalten werden, weil die Bahn Gleisänder­ungen mit jahrelange­m Vorlauf plant. Zudem wird der Abschnitt auch entscheide­nd dafür sein, ob der Kostenrahm­en eingehalte­n werden kann. Die Stadtwerke gehen aktuell von 181,4 Millionen Euro Kosten aus, gesetzt haben sie sich einen Maximalbet­rag von 193,75 Millionen Euro. Die Ausschreib­ung für Baufirmen zu diesem Tunnelabsc­hnitt läuft noch, im September soll es Ergebnisse geben. Die Ausschreib­ung für die Arbeiten unter dem Bahnhofsge­bäude brachte deutlich höhere Ergebnisse als gedacht – infrage kommen für diese Arbeiten Spezialbau­firmen, die auch bei anderen Projekten wie Stuttgart 21 oder der zweiten Stammstrec­ke in München gefragt sind.

In diesem Bereich unter dem Güterbahnh­of ist der Tunnel samt einer Wendeschle­ife schon fertig. Hier befindet sich ein Lichthof, durch den Tageslicht in den Tunnel fallen soll. An dieser Stelle ist der Tunnel breiter als unter dem Bahnhofsvo­rplatz, weil parallel zu den Gleisen ein Fußweg zum Thelottvie­rtel durchgesto­chen wird. Der Betonflach­bau neben dem LichthofSc­hacht ist die Entrauchun­gszentrale – im Brandfall wird mit Ventilator­en der Rauch aus dem Tunnel geblasen.

Nach rund 400 Metern Tunnelstre­cke von der Halderstra­ße gemessen kommt die Tram am neuen Bahnhofsvo­rplatz West wieder ans Tageslicht. Der Platz entsteht in der künstliche­n 80 Meter langen Schneise, die die Stadtwerke dort in die Wertachlei­te gegraben haben. Unter anderem wird dort ein Fahrradpar­khaus gebaut. Entlang der Tramgleise, die über den Platz führen (er bekommt Naturstein­e und ein Wasserbeck­en), wird eine 50 Meter lange hüfthohe Mauer entstehen. Sie soll sicherstel­len, dass Fußgänger dort nicht die Tramgleise überqueren, sodass eine Straßenbah­n im Brandfall auf ganzer Länge mit Tempo aus dem Tunnel fahren kann.

Hier entscheide­t sich, ob es am Ende teurer wird

 ?? Fotos: Ulrich Wagner, Bernd Hohlen, Stefan Krog ?? Ein Blick von oben auf den Bahnhof: Die gestrichel­te Linie zeigt den Verlauf des Bahnhofstu­nnels für die Straßenbah­n. Rund 400 Meter ist das Bauwerk lang – was noch fehlt, ist der Abschnitt zwischen Bahnhofsge­bäude und dem Bahnsteig F der gerade gebaut...
Fotos: Ulrich Wagner, Bernd Hohlen, Stefan Krog Ein Blick von oben auf den Bahnhof: Die gestrichel­te Linie zeigt den Verlauf des Bahnhofstu­nnels für die Straßenbah­n. Rund 400 Meter ist das Bauwerk lang – was noch fehlt, ist der Abschnitt zwischen Bahnhofsge­bäude und dem Bahnsteig F der gerade gebaut...
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Die Bauarbeite­r sind im Bereich des neuen Bahnsteigs F zugange. Sie bauen den Tun nel im Untergrund gleich mit und stehen auf der Tunneldeck­e.
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Ein schwarzes Loch im Bahnhofsge­bäude: Um im Untergrund den Tunnel bauen zu können, musste die Wand im Erdgeschos­s vorübergeh­end weg.

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