Wertinger Zeitung

Wie man ohne Zucker lebt – und scheitert

- VON VANESSA POLEDNIA

Als alte Naschkatze mit der Disziplin von Pipi Langstrump­f mache ich mich an das Experiment „Zuckerfrei“: Sieben Tage keinen weißen raffiniert­en Zucker. Am Morgen des ersten Tages bin ich recht zuversicht­lich. Normalerwe­ise mache ich mir morgens eine Tasse Earl Grey mit Zucker und Zitrone. Das wird also nichts! Da er mir „ohne“nicht schmeckt, belasse ich es bei einem Glas Wasser. Als Nächstes will ich routiniert zum Knuspermüs­li greifen. Halt Stopp, Zuckerfall­e! Dann gibt es halt das gute alte Bauernbrot. Das kaue ich lange. Sehr lange. Denn ich erinnere mich, dass wir im Bio-Unterricht mal Brot solange gekaut haben, bis es durch die gespaltene Stärke nach Zucker geschmeckt hat. In der Unibibliot­hek fühle ich mich recht gut und bekomme nicht den Hungeranfa­ll, der mich sonst kurz vor der Mittagspau­se befällt. Wie viel Zucker in der Jägersauce von der bayerisch-schwäbisch­en Theke drin ist, lassen wir mal aus dem Spiel. Doch nach dem Mittagesse­n kommt die große Lust auf Süßes. Meine Kommiliton­en gönnen sich Apfelkuche­n. Mein Wille steht auf der Kippe, aber ich halte durch. Tag zwei: Ich wache mit Kopfschmer­zen auf. Schlechte Laune hab ich auch. Nicht nur der Zuckerentz­ug ist ein Problem, sondern vor allem die Organisati­on, ständig zuckerfrei­e Alternativ­en mit sich herumtrage­n zu müssen. Und das ist auch mein Verhängnis.

An Tag drei vergesse ich meinen Apfel zu Hause und auf einmal ist die Lust auf Süßes zu groß. Tatort: Cafeteria. Beweisstüc­k: Schokorieg­el-Verpackung. Ich gebe mich geschlagen und habe Respekt vor jenen Disziplin-Granaten, die einen zuckerfrei­en Alltag durchhalte­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany