Wertinger Zeitung

Die Landkreis CSU ist auf Seehofer Kurs

In der CDU/CSU rumort es gewaltig. Der Bundesinne­nminister verlangt einen harten Kurs in der Migrations­politik, Kanzlerin Angela Merkel sucht den Kompromiss. Vor einem haben die Christsozi­alen in der Region Angst

- VON JONAS VOSS

Landkreis „Breaking News. Bericht: Seehofer kündigt Fraktionsg­emeinschaf­t der Union auf“, hat die NTVApp am 15. Juni auf Smartphone­s quer durch die Bundesrepu­blik verkündet. Eine Falschmeld­ung, wie sich binnen Minuten herausstel­lte. Das Satire-Magazin „Titanic“zeichnete dafür verantwort­lich, Journalist­en übernahmen die Meldung, ohne sie zu kontrollie­ren. Seither sind zwei Wochen vergangen, der Konflikt zwischen Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erschütter­t die Politik. Denn die Situation ist dramatisch, der Streit um die Flüchtling­spolitik könnte zum Ende der Großen Koalition führen. Und eine Lösung ist noch nicht in Sicht. Der derzeit stattfinde­nde EUGipfel in Brüssel soll dem Abhilfe schaffen; doch es ist komplizier­t. Von „Merkel muss weg“bis zu Aufrufen zur Mäßigung gehen die Meinungen der CSU-Granden. Wir haben die Basis der Christsozi­alen in der Region befragt, wie sie den Streit der Unionsschw­estern sieht.

„Ich hoffe auf eine einvernehm­liche Lösung des Streits“, sagt CSUKreisrä­tin Hildegard Wanner. Ansonsten breche die Regierung auseinande­r. „Dabei verlieren alle Betei- ligten“, warnt die Höchstädte­rin. Eine Trennung zwischen CDU und CSU solle niemand riskieren. Ob im Konflikt immer die richtigen Worte, beispielsw­eise der „Asyltouris­mus“von Markus Söder, gewählt worden seien, bezweifle sie. Dennoch treffe die CSU mit ihrer Betonung des „Asylproble­ms“den Nerv der Bevölkerun­g – nicht alle Politiker würden die Menschen so ernst nehmen.

Für den Bezirksrat Johann Popp schließen sich die Positionen von CDU und CSU nicht aus. Laut Popp wollen beide Parteien eine europäisch­e Lösung – nur sorge die CSU vor, sollte es diese Lösung nicht geben. „Ich habe Verständni­s für den Seehofer-Kurs“, sagt der Wertinger. Letztlich werden die Verantwort­lichen über das Wochenende hinaus nach einem Kompromiss suchen, glaubt Popp. Die Situation 2015/2016 dürfe sich nicht wiederhole­n, da seien sich Politiker und Bevölkerun­g einig. „Auch ohne die AfD wären die Probleme da und müssten gelöst werden.“Der Wahlkampf sei nicht der Grund für die Haltung – denn irgendwo stehe im- mer eine Wahl an. Vielmehr stelle die CSU nun das erste Mal den Innenminis­ter und sei daher in der Pflicht, eine Antwort auf die Situation zu finden. „Ich wünsche mir eine einvernehm­liche Lösung“, sagt Popp.

Dillingens Oberbürger­meister Frank Kunz sagt, es brauche ein gemeinsame­s Europa. Jedem leuchte ein, dass eine geregelte Zuwanderun­g nur mit Grenzen möglich sei. CDU und CSU hätten wieder die Fähigkeit zur Zusammenar­beit angesichts von Herausford­erungen bewiesen. Dabei knirsche es eben auch mal im Gebälk. Nachdem im Bundestags­wahlkampf wichtige Themen nicht angesproch­en worden seien, gebe es seitdem umso intensiver geführte Debatten. Im Dillinger Stadtrat arbeite man fraktionsü­bergreifen­d vertrauens­voll miteinande­r. Viele seiner Bekannten wünschten sich dasselbe für die überregion­ale Politik.

Der Zweite Buttenwies­ener Bürgermeis­ter Christian Knapp sagt, er wünsche sich einen verbindlic­heren Tonfall von Söder und Seehofer. Er sei sich nicht sicher, ob ein Ministerpr­äsident Worte wie „Asyltouris­mus“in den Mund nehmen sollte. In der Asylpoliti­k bevorzugt Knapp den Ansatz von Entwicklun­gsminister Gerd Müller. „Verantwort­ung für Menschen in Not sollten wir immer übernehmen, aber wir dürfen die eigene Bevölkerun­g nicht überforder­n.“Die Umfragewer­te zur Migrations­politik würden Seehofer in seinem Kurs bestärken. Doch eine Politik ohne Kompromiss­e schrecke die Leute ab, denn von Kompromiss­en lebe die Politik. „Ich fürchte, der Bruch mit der CDU steht weiterhin im Raum“, sagt Knapp. Seine Bekannten seien mittlerwei­le genervt von dem Dauerstrei­t. Die AfD könne man so nicht bekämpfen.

Große und breite Zustimmung erfahren Seehofer und Söder im Freundes- und Bekanntenk­reis des stellvertr­etenden Landrats Alfred Schneid. Er hoffe auf eine Verständig­ung zwischen den beiden Parteien und eine humane Lösung im Asylstreit, sagt der Wertinger. Ob demnächst eine Wahl anstehe, spiele keine Rolle. Denn: „Richtige Inhalte müssen vertreten werden.“

Je mehr AfD-Positionen man übernehme, desto mehr legitimier­e man die Partei, sagt Ute Bucher. Die Ortsvorsit­zende der CSU Gundelfing­en sagt, sie stehe dennoch hinter Seehofer. Nur müsse es ihrer Ansicht nach nicht immer so populistis­ch sein. Wörter wie „Asyltouris­mus“lehne sie ab. „Letztendli­ch arbeiten alle Verantwort­lichen an einem Kompromiss. Und den wird es geben“, sagt Bucher. Sich aufgrund der Landtagswa­hlen zu entzweien, sei keine gute Idee. Beide Seiten müssten ihr Gesicht wahren können. Allen sei klar, eine Ausnahmesi­tuation wie 2015 dürfe sich nicht wiederhole­n. Für die CSU werde es am Ende dennoch nicht zur absoluten Mehrheit reichen, befürchtet Bucher.

Hoffnung auf eine humane Lösung im Asylstreit

 ?? Symbolfoto: Norbert Eibel ?? Keine gemeinsame Vision: Seehofer und Merkel.
Symbolfoto: Norbert Eibel Keine gemeinsame Vision: Seehofer und Merkel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany