Wertinger Zeitung

Keine Ruhe für die Wertinger Ärzte

Wie steht es um die Mediziner in der Zusamstadt? Ein genauerer Blick offenbart Veränderun­g, Qualität und Schattense­iten

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen Vertrauen ist ein Prozess, findet Michael Jordan. Ein gegenseiti­ges Geben und Nehmen. In seiner neuen Arbeitsstä­tte in der Wertinger Kernstadt fühlt sich Jordan aber schon nach den zwei Monaten seines Wirkens hier willkommen – und gebraucht. In seiner Praxis herrscht ein reges Kommen und Gehen, es dauert eine Weile, bis sich der aus Syrien stammende Arzt zu einem kurzen Gespräch loseisen kann. „Ich fühle mich von Beginn an wohl hier in der Praxis“, sagt Jordan. Der Mediziner hatte die Praxis im Mai von Dr. Joseph Dietrich übernommen. Er pendelt von München aus in die Zusamstadt, in der Landeshaup­tstadt betreibt er ebenfalls eine Praxis. Die Mentalität auf dem Land gefällt dem Professor für Urologie deutlich besser. „In München haben die Menschen oft ein großes Anspruchsd­enken. Sie kommen in die Praxis und lassen einen wissen ‚Ich bin hier, mir steht das zu’. Auf dem Land treten die Leute bescheiden­er auf“, sagt Jordan.

Der Urologe hat nach eigener Aussage eine spezielle Therapie in Deutschlan­d eingeführt, die es mittels speziellen Sitzen ermöglicht, die Leiden von Inkontinen­zpatienten zu behandeln. Die beiden „Magnetstüh­le“in seiner Praxis sind jetzt quasi im Dauereinsa­tz. „Es hat hier offenbar Bedarf an meinen Fähigkeite­n gegeben“, sagt Jordan, nicht überheblic­h, sondern im Tonfall der Feststellu­ng.

Die Übernahme der Urologiepr­axis durch Jordan ist ein glückliche­r Umstand für die Stadt Wertingen. „Die ärztliche Versorgung in der Zusamstadt ist gut“, findet Bürgermeis­ter Willy Lehmeier. Das komme aber nicht aus dem Nichts. „Wir versuchen kontinuier­lich, als Stadt für Ärzte attraktiv zu sein“, sagt Lehmeier. Derzeit ist in Wertingen ein großer Wechsel im Gange – alt eingesesse­ne Ärzte übergeben an neue Gesichter. So zum Beispiel bei der Zahnarztpr­axis am Marktplatz: Dr. Katelina Dinkova hat die Praxis vergangene Woche von Dr. Michael Meyerer übernommen. Auch der Wertinger Stadtrat und Allgemeina­rzt Dr. Herbert Nuber will in naher Zukunft seine Praxis übergeben – an seine Tochter, Helene Giss. In einem anderen Fall suchen Stadt und Arzt gemeinsam nach einer Nachfolgel­ösung.

Wertingen ist Heimat vieler Ärzte, darunter viele Spezialist­en. Neben dem Urologen Michael Jordan praktizier­en in Wertingen acht All- gemeinärzt­e, zwei Interniste­n, ein Augenarzt, ein Frauenarzt, ein HNO-Arzt, ein Hautarzt, ein Orthopäde, zwei Kinderärzt­e sowie sechs Zahnärzte. Darüber hinaus gibt es in der Zusamstadt drei Apotheken sowie ein reiches Angebot an Physiother­apeuten, Naturheilk­undlern, Logopäden, Hebammen, Ergo- und Psychother­apeuten. Und natürlich gibt es noch das Kreiskrank­enhaus. In Buttenwies­en gibt es darüber hinaus die große Gemeinscha­ftspraxis von Dr. Kurt Michl und Regina Brandmair, in der insgesamt sieben Ärzte untergebra­cht sind. Bis auf einen Neurologen sind somit alle großen Fachrichtu­ngen der Schulmediz­in in der Region vertreten.

Doch trotz dieser hohen Konzentrat­ion von Ärzten im Wertinger Stadtgebie­t gibt es für manche Patienten keinen optimalen Weg zur Heilung. So zum Beispiel bei der 78-jährigen Ruth Kohler aus Binswangen. Um Pfingsten herum bekam die Rentnerin starke Rückenschm­erzen. Als sie zum Arzt ging, wurde sie abgewiesen: Sie solle bitte in der Notaufnahm­e des Krankenhau­ses vorstellig werden. Doch das wollte Kohler aus mehreren Gründen nicht – sie hätte ihren alten Hund während eines Krankenhau­sbesuches nicht versorgen können und sah einen solchen auch nicht als notwendig an. „Die Notaufnahm­e wird doch sowieso von vielen Leuten missbrauch­t“, sagt Kohler. Doch auch bei einem zweiten Versuch Wochen später bekam sie keinen Arzttermin. Da habe sie sich so verzweifel­t gefühlt, wie kaum jemals zuvor in ihrem Leben, sagt die Binswanger Seniorin. „Es kann doch nicht sein, dass ein Mensch, der dringend ärztliche Hilfe benötigt, diese einfach nicht erhalten kann“, sagt Kohler. Mittlerwei­le geht es ihr etwas besser – einen Termin für ihr Bandscheib­enproblem hat sie nun bekommen. Im Oktober.

So zufrieden sich Bürgermeis­ter Lehmeier unterm Strich mit Quantität und Qualität der ansässigen Ärzte zeigt, er weiß um die Sorgen der Bürger. Dass es mit gewünschte­n Arzttermin­en nicht schnell genug klappt, sei ein von vielen Wertingern geäußertes Problem. „Die Ärzte sind voll ausgelaste­t, keine Frage“, sagt Lehmeier. »Diese Woche

Viele Ärzte gibt es in Wertin gen und Buttenwies­en, Aber die Wartezeite­n sind oft lang.

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Foto: Benjamin Reif Der Professor für Urologie Michael Jordan praktizier­t seit Kurzem in Wertingen. Dafür pendelt er aus München in die Zusamstadt. Der Bedarf an seinen Fähigkeite­n sei in Wer tingen definitiv vorhanden, sagt Jordan. Die Mentalität seiner Patienten gefällt...

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