Keine Ruhe für die Wertinger Ärzte
Wie steht es um die Mediziner in der Zusamstadt? Ein genauerer Blick offenbart Veränderung, Qualität und Schattenseiten
Wertingen Vertrauen ist ein Prozess, findet Michael Jordan. Ein gegenseitiges Geben und Nehmen. In seiner neuen Arbeitsstätte in der Wertinger Kernstadt fühlt sich Jordan aber schon nach den zwei Monaten seines Wirkens hier willkommen – und gebraucht. In seiner Praxis herrscht ein reges Kommen und Gehen, es dauert eine Weile, bis sich der aus Syrien stammende Arzt zu einem kurzen Gespräch loseisen kann. „Ich fühle mich von Beginn an wohl hier in der Praxis“, sagt Jordan. Der Mediziner hatte die Praxis im Mai von Dr. Joseph Dietrich übernommen. Er pendelt von München aus in die Zusamstadt, in der Landeshauptstadt betreibt er ebenfalls eine Praxis. Die Mentalität auf dem Land gefällt dem Professor für Urologie deutlich besser. „In München haben die Menschen oft ein großes Anspruchsdenken. Sie kommen in die Praxis und lassen einen wissen ‚Ich bin hier, mir steht das zu’. Auf dem Land treten die Leute bescheidener auf“, sagt Jordan.
Der Urologe hat nach eigener Aussage eine spezielle Therapie in Deutschland eingeführt, die es mittels speziellen Sitzen ermöglicht, die Leiden von Inkontinenzpatienten zu behandeln. Die beiden „Magnetstühle“in seiner Praxis sind jetzt quasi im Dauereinsatz. „Es hat hier offenbar Bedarf an meinen Fähigkeiten gegeben“, sagt Jordan, nicht überheblich, sondern im Tonfall der Feststellung.
Die Übernahme der Urologiepraxis durch Jordan ist ein glücklicher Umstand für die Stadt Wertingen. „Die ärztliche Versorgung in der Zusamstadt ist gut“, findet Bürgermeister Willy Lehmeier. Das komme aber nicht aus dem Nichts. „Wir versuchen kontinuierlich, als Stadt für Ärzte attraktiv zu sein“, sagt Lehmeier. Derzeit ist in Wertingen ein großer Wechsel im Gange – alt eingesessene Ärzte übergeben an neue Gesichter. So zum Beispiel bei der Zahnarztpraxis am Marktplatz: Dr. Katelina Dinkova hat die Praxis vergangene Woche von Dr. Michael Meyerer übernommen. Auch der Wertinger Stadtrat und Allgemeinarzt Dr. Herbert Nuber will in naher Zukunft seine Praxis übergeben – an seine Tochter, Helene Giss. In einem anderen Fall suchen Stadt und Arzt gemeinsam nach einer Nachfolgelösung.
Wertingen ist Heimat vieler Ärzte, darunter viele Spezialisten. Neben dem Urologen Michael Jordan praktizieren in Wertingen acht All- gemeinärzte, zwei Internisten, ein Augenarzt, ein Frauenarzt, ein HNO-Arzt, ein Hautarzt, ein Orthopäde, zwei Kinderärzte sowie sechs Zahnärzte. Darüber hinaus gibt es in der Zusamstadt drei Apotheken sowie ein reiches Angebot an Physiotherapeuten, Naturheilkundlern, Logopäden, Hebammen, Ergo- und Psychotherapeuten. Und natürlich gibt es noch das Kreiskrankenhaus. In Buttenwiesen gibt es darüber hinaus die große Gemeinschaftspraxis von Dr. Kurt Michl und Regina Brandmair, in der insgesamt sieben Ärzte untergebracht sind. Bis auf einen Neurologen sind somit alle großen Fachrichtungen der Schulmedizin in der Region vertreten.
Doch trotz dieser hohen Konzentration von Ärzten im Wertinger Stadtgebiet gibt es für manche Patienten keinen optimalen Weg zur Heilung. So zum Beispiel bei der 78-jährigen Ruth Kohler aus Binswangen. Um Pfingsten herum bekam die Rentnerin starke Rückenschmerzen. Als sie zum Arzt ging, wurde sie abgewiesen: Sie solle bitte in der Notaufnahme des Krankenhauses vorstellig werden. Doch das wollte Kohler aus mehreren Gründen nicht – sie hätte ihren alten Hund während eines Krankenhausbesuches nicht versorgen können und sah einen solchen auch nicht als notwendig an. „Die Notaufnahme wird doch sowieso von vielen Leuten missbraucht“, sagt Kohler. Doch auch bei einem zweiten Versuch Wochen später bekam sie keinen Arzttermin. Da habe sie sich so verzweifelt gefühlt, wie kaum jemals zuvor in ihrem Leben, sagt die Binswanger Seniorin. „Es kann doch nicht sein, dass ein Mensch, der dringend ärztliche Hilfe benötigt, diese einfach nicht erhalten kann“, sagt Kohler. Mittlerweile geht es ihr etwas besser – einen Termin für ihr Bandscheibenproblem hat sie nun bekommen. Im Oktober.
So zufrieden sich Bürgermeister Lehmeier unterm Strich mit Quantität und Qualität der ansässigen Ärzte zeigt, er weiß um die Sorgen der Bürger. Dass es mit gewünschten Arztterminen nicht schnell genug klappt, sei ein von vielen Wertingern geäußertes Problem. „Die Ärzte sind voll ausgelastet, keine Frage“, sagt Lehmeier. »Diese Woche
Viele Ärzte gibt es in Wertin gen und Buttenwiesen, Aber die Wartezeiten sind oft lang.