Mit Liebe und Leidenschaft zurück
Wie Nationalspieler Thomas Müller ein halbes Jahr nach seinem Schlaganfall auf die Kegelbahn zurückkehrt und Dritter der deutschen Meisterschaft wird
Meitingen/Bamberg Vor zwei Jahren hat der aus Meitingen stammende Thomas Müller als Namensvetter des Fußball-Nationalspielers Thomas Müller noch für unsere Zeitung die Europameisterschaft kommentiert. Damals war er gerade frischgebackener Nationalspieler in der deutschen Juniorenauswahl der Kegler. Ende des vergangenen Jahres hat der 24-Jährige, der mittlerweile in Bamberg lebt, einen Schlaganfall erlitten. Die Liebe zum Kegelsport und zu seiner Freundin trieb ihn auf die Bahn zurück. Gemeinsam wurden die beiden Bundesliga-Akteure zuletzt bayerischer Meister und Dritter bei den deutschen Titelkämpfen im Tandem Mixed International.
Schlaganfall mit 24 Jahren – das will man gar nicht so wirklich glauben. Auch Thomas Müller nicht. Deshalb hatte er sich zunächst auch gar nichts gedacht, als er sich bei seinem Stammitaliener das alkoholfreie Weizen auf die Hose kleckerte. „Es war alles ganz normal. Wir hatten am Tag zuvor nach dem Derbysieg gegen Güssbach kräftig gezecht, ich habe nachmittags ein Damenspiel angeschaut und mich dann um meine Vogelzucht gekümmert“, erzählt er. Einem Freund, der zu ihm sagte: „Dein Gesicht gefällt mir gar nicht“, hatte er zunächst mit bekannt lockerem Mundwerk noch geantwortet: „Dein’s gefällt mir auch nicht.“Dann ist ihm die linke Hand auf den Oberschenkel gefallen. Müller: „Das habe ich nicht mehr gespürt. Da hat mich dann doch ein komisches Gefühl beschlichen.“
Schlaganfall! Mit dem Teambus haben ihn seine Freundin und seine Kegelkameraden ins Bamberger Klinikum gefahren. Wenig später lag er schon auf der Intensivabteilung der Stroke Unit. Thomas Müller war am Boden zerstört: „Als mir die Ärztin die Diagnose mitgeteilt hat, dachte ich, sie hat mir aus der falschen Krankenakte vorgelesen.“Doch sie war korrekt. „Ich konnte meinen linken Arm nicht mehr bewegen, mein Gesicht ist jetzt noch taub, und auch die Funktion meines Fußes war beeinträchtigt“, schildert er seine Beschwerden.
Einen Tag vor Heiligabend wurde Thomas Müller aus dem Krankenhaus entlassen, am 11. Januar hat er mit der ambulanten Reha begonnen. Am 13. Januar stand das erste Punktspiel nach der Weihnachtspause an. „Du bist nicht ganz dicht“, hat seine Freundin gesagt, als er den Arzt gefragt hat, ob er denn mitkegeln dürfe. „Auf der Kegelbahn angekommen, hat es mich so gebiezelt. Ich habe meine Sachen aus dem Kofferraum geholt, meine linke Hand, die ich ja nicht bewegen konnte, einfach in die Hosentasche gesteckt und 576 Holz gespielt“, grinst er.
Mit der Genesung ging es inzwischen weiter voran. „Ich bin hoch- zufrieden“, sagt Thomas Müller, der von seinem Opa Lorenz Wagner die Leidenschaft für das Kegeln geerbt hat. Immer wieder war er während seiner Krankheitszeit auf Besuch bei seiner Familie in Meitingen. „Die Oma hat gekocht, deshalb habe ich einiges zugenommen, beim ,Kille‘ habe ich Karten gespielt, das war gut für die Konzentration“, lacht der 24-Jährige. Keine Probleme habe er seltsamerweise mit dem Neuner-Einmaleins gehabt, das für das Kegeln unverzichtbar ist. Auch seine Sportkameraden hätten ihm viel geholfen: „Die ganze Kegelwelt hat mir Genesungswünsche geschickt.“
Bei den bayerischen Meisterschaften haben einige Kaderspieler auf eine Teilnahme verzichtet, damit Thomas Müller mit seiner Freundin Melissa Stark in Passau an den Start gehen konnte. Im Tandem Mixed International setzten sich die beiden im Sudden Victory durch. „Weil wir am Abend vorher einen Glückscent auf dem Boden gefunden haben und ich den in meine Bandage gesteckt habe“, ist sich Thomas Müller sicher. Kurz darauf konnten sie ihre Leistungen bei den deutschen Titelkämpfen in München mit Platz drei bestätigen und erneut auf das Treppchen klettern.
„Das hätte niemand gedacht!“, freut sich Thomas Müller, der seit vier Wochen eine Wiedereingliederung in seinem Beruf als Arbeitsvorbereiter macht und nach wie vor zur Physio-, Ergo- und Neurotherapie gehen muss: „Bei der Meldung für diese Meisterschaft bin ich noch im Krankenhaus gelegen.“
„Als mir die Ärztin die Diagnose mitgeteilt hat, dachte ich, sie hat mir aus der falschen Krankenakte vorgelesen.“