Was tun, wenn man zu einem Unfall kommt?
Bei einem Unfall anzuhalten, ist Pflicht, unterlassene Hilfeleistung sogar strafbar. Zwei junge Männer sind vor einigen Monaten zu einem Unfall hinzugekommen. Wie sie mit wenig bereits helfen konnten und was ein Ersthelfer zu tun hat
Zwei junge Männer aus der Region Wertingen waren als Ersthelfer vor Ort. Jetzt erzählen sie, was sie dabei erlebt haben.
Marzelstetten/Wertingen Es ist ein Wochentag wie viele andere. Die beiden Kumpels Johannes Dehler und Michael Bschorr fahren gemeinsam zur Fachoberschule nach Neusäß. Ihr Weg führt sie von Sontheim über Marzelstetten nach Bocksberg. Vor ihnen fahren mehrere Autos. Die Straße ist teilweise glatt an diesem Morgen. Der 23-jährige Michael Bschorr konzentriert sich voll auf das Fahren und das Gespräch mit seinem Schulkameraden. Und er wäre vermutlich weitergefahren, hätte Johannes Dehler neben ihm seinen Blick nicht über die Felder am Straßenrand schweifen lassen und dort ein Mädchen samt auf dem Kopf liegenden Auto entdeckt. Ohne nachzudenken halten die beiden jungen Männer sofort an und laufen dem total aufgelösten Mädchen entgegen. „Wir haben sie erst einmal zu uns ins Auto gesetzt und beruhigt, gleichzeitig natürlich den Notarzt gerufen“, erzählt der 25-jährige Johannes Dehler auf Anfrage unserer Zeitung.
Damit haben die beiden Männer getan, was in solch einem Fall zu tun ist. Denn nach Paragraf 323c des Strafgesetzbuches ist jeder Mensch bei Unglücks- und Notfällen zur Hilfeleistung verpflichtet. „Wenn jemand vorbeifährt, ist das schade und traurig“, sagt Wertingens Polizei-Chefin Martina Guß. Und nicht nur das. Wem unterlassene Hilfeleistung nachgewiesen werden kann, droht eine Freiheits- oder Geldstrafe.
Das Problem sieht Guß oftmals in der Überwindung und der Angst, etwas falsch zu machen. „Dabei ist das Falscheste, was man tun kann, nichts zu tun.“Das Tun beginnt beim Absetzen eines Notrufs. Mit der 110 (Polizei) oder der 112 (Rettungsleitstelle) liege man in jedem Fall richtig. „Lieber einmal zu viel als zu wenig anrufen“, ermutigt die Polizei-Chefin. Einen Missbrauch von Notrufen sieht sie erst dann, wenn jemand absichtlich die Polizei ärgern wolle.
Ist der Notruf abgesetzt, gibt es – wo möglich – noch weitere Hilfe zu leisten. Die 61-jährige Christine Mathieu leitet beim Dillinger Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes die Erste-Hilfe-Ausbildungen. Sie bildet Kursteilnehmer und deren Ausbilder aus. Auf die Frage, was man zehn Jahre nach einem absolvierten Erste-Hilfe-Kurs noch wisse, antwortet sie prompt: „Gar nichts mehr.“Daher müssten Ersthelfer in Betrieben den Kurs alle zwei Jahre auffrischen. Und auch für Autofahrer würde sie sich alle fünf Jahre eine Auffrischung wünschen. „Dann würden sich viel mehr Menschen wirklich helfen trauen.“Mathieu bestätigt die Worte der Polizistin: „Eigentlich ist Angst total unsinnig, denn ich kann bei der Ersten-Hilfe nichts falsch machen.“Oftmals reiche es bereits, einen Notruf abzusetzen, sich zu einem Verunglückten zu setzen und ihn beziehungsweise sie zu beruhigen. „Damit leisten Sie bereits Erste Hilfe!“
Diese Erfahrung haben auch Johannes Dehler und Michael Bschorr gemacht. Sie sehen ihre Hilfeleistung keineswegs als spektakulär an. Gleichzeitig merkten sie, wie froh und dankbar die Verunglückte in dem Moment darüber war. Sie hatte sich mit ihrem Auto überschlagen, die Scheiben waren zerschmettert, so konnte sie sich selbst aus dem Unfallwagen befreien. „Sie war total aufgelöst, hatte ein paar Schnittwunden und eine kaputte Brille“, erinnern sich die beiden Ersthelfer. „Mit unserem Handy konnte sie zuhause anrufen, während wir auf den Krankenwagen warteten“, erzählt Michael Bschor.
Innerhalb von zehn bis 20 Minuten sei der Rettungsdienst in unserer urbanen Gegend sicher da, sagt Harald Bachler. Der Rettungsdienstleiter des BRK-Kreisverbandes Dillingen kann letztendlich nur feststellen, dass Erste-Hilfe geleistet wird. „Wir wissen nicht, wer vorbeigefahren ist und ob diejenigen eventuell sogar bessere Hilfe hätten leisten können.“Am Unfallort nehmen die Sanitäter einzig auf, ob die Ersthelfemaßnahmen effizient waren oder nicht. Und das hängt laut Bachler vor allem von der Ausgangslage ab und nicht unbedingt vom Helfer.
Als die verunglückte Frau bei dem Unfall bei Marzelstetten schließlich im Krankenwagen lag, machten sich Johannes Dehler und Michael Bschorr auf den Weg zur Schule. Noch öfters dachten sie in den folgenden Stunden und Tagen zurück an den Unfall und freuten sich darüber, dass alles so glimpflich ausgegangen ist. »Kommentar
Infos zu Erste Hilfe Kursen beim BRK gibt es unter www.kvdillingen.brk.de oder telefonisch unter 09071/793028. Darüber hinaus bieten die Malteser, die Johanniter und der ASB in Wertingen re gelmäßig Erste Hilfe Kurse an.