Wertinger Zeitung

Schwedisch­e Gardinen am Lech

Viele bekannte Häftlinge saßen schon in der Justizvoll­zugsanstal­t in Landsberg ein. Darunter war auch der schlimmste aller Verbrecher

- VON MARKUS BÄR

Landsberg Das schöne Landsberg am Lech ist ja eigentlich eine eher beschaulic­he oberbayeri­sche Kleinstadt mit 29000 Einwohnern. Seine von 1904 bis 1908 für 2,5 Millionen Goldmark erbaute Justizvoll­zugsanstal­t macht die Stadt aber zu einem äußerst geschichts- und zeitgeschi­chtsträcht­igen Ort. Das liegt vor allem an den Gefangenen, die dort einsaßen – inklusive des schlimmste­n Verbrecher­s der Menschheit­sgeschicht­e: Adolf Hitler, der letztlich für geschätzte 50 Millionen Tote verantwort­lich ist.

Erster „prominente­r“Häftling war Anton Graf von Arco auf Valley, der 1919 aus nationalis­tischen Motiven den ersten bayerische­n Ministerpr­äsidenten, den Sozialiste­n Kurt Eisner, erschoss. Arco wurde dann eigentlich zum Tode verurteilt. Aber der Richter bescheinig­te Arco gleichzeit­ig hehre Motive, nämlich glühende Vaterlands­liebe. Darum wurde er umgehend vom Justizmini­ster begnadigt – zu Festungsha­ft, die zwischen 1919 und 1921 in Landsberg als eigene Abteilung eingericht­et worden war. Viele meinen heute, dass das eine besonders harte Form der Bestrafung war. Mitnichten: Festungshä­ftlingen billigte man eine ehrenhafte Gesinnung zu. Sie waren auch nicht zur Arbeit verpflicht­et. Arco durfte nach Belieben ausgehen und Besuch in der JVA empfangen.

Hitler genoss ebenfalls die Vorzüge der Festungsha­ft. Er saß wegen seines gescheiter­ten Putsches gegen die bayerische Landesregi­erung und Reichsregi­erung 264 Tage in den Jahren 1923 und 1924 ein und nutzte die Zeit, um seine mörderisch­e Weltanscha­uung in „Mein Kampf“zu verfassen.

NS-Weggefährt­en wie Rudolf Hess, Julius Streicher und Gregor Grasser waren ebenfalls Festungshä­ftlinge in Landsberg. In der anschließe­nden NS-Zeit fanden viele Häftlinge, oftmals Kriegsgefa­ngene, wegen schlechter Haftbeding­ungen den Tod.

Nach dem Zweiten Weltkrieg machten die Amerikaner aus der JVA bis 1958 ein Kriegsverb­rechergefä­ngnis für rund 1550 Häftlinge, von denen 259 durch Strang und 29 durch Erschießen zum Tode verurteilt wurden. Auch, als die Todesstraf­e in der Bundesrepu­blik bereits abgeschaff­t worden war.

In der folgenden Zeit bis heute saßen in der Landsberge­r JVA immer wieder bekannte Menschen ein. Ein Beispiel: der schillernd­e Unternehme­r Hannsheinz Porst (1922 – 2010), jahrelang Eigentümer der Fotohandel­skette Photo Porst. Er war zwar Mitglied in der FDP, gleichzeit­ig aber auch heimlich in der ostdeutsch­en SED. Weil man ihm vorwarf, Geheimniss­e an die Stasi weitergege­ben zu haben, wurde er wegen Landesverr­ats zu zwei Jahren und neun Monaten Haft in Landsberg verurteilt. Auch der Münchner Boulevard-Journalist Michael Graeter – das Vorbild für Baby Schimmerlo­s in der Filmreihe „Kir Royal“– war in Landsberg acht Monate lang in Haft – wegen Insolvenzv­erschleppu­ng, Bankrott und Veruntreuu­ng.

Sicherlich prominente­ster Häftling der jüngeren Zeit war FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß. Er wurde wegen Steuerhint­erziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro (er hatte am Fiskus vorbei in der Schweiz über Jahre umfangreic­he Börsengesc­häfte getätigt) zu dreieinhal­b Jahren Haft verurteilt. Am 4. Juni 2014 rückte er in Landsberg ein. Einen Teil der Haftstrafe verbrachte Hoeneß im offenen Vollzug in der Landsberge­r Außenstell­e Rothenfeld zwischen dem Ammersee und dem Starnberge­r See. Nach Verbüßung der halben Strafe wurde der Ex-Fußballer am 29. Februar 2016 wieder entlassen.

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Foto: Julian Leitenstor­fer Schon der Eingang zur JVA Landsberg wirkt geschichts­trächtig.
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