Wertinger Zeitung

Augsburger mit 44 Vorstrafen steht wieder vor Gericht

Ein 51-Jähriger, der immer wieder Alkoholika klaut, hat schon 15 Jahre im Gefängnis gesessen. Der Mann ist obdachlos und schwer abhängig. Sein Anwalt will, dass er in einem beschützen­den Heim bleibt

- VON KLAUS UTZNI

Bernd (Name geändert), 53, ledig, gelernter Maler, ein kleiner Mann mit wenig Haaren auf dem Kopf, hat schon locker 15 Jahre seines Lebens hinter Gefängnisg­ittern verbracht. Sein Vorstrafen­register umfasst stolze 44 Einträge: Leistungse­rschleichu­ng, Diebstahl, Betrug, Hausfriede­nsbruch und so weiter und so fort.

Sein großes Problem ist der Alkohol. Wenn er sich zugedröhnt hat und Nachschub braucht oder Hunger hat, geht er in den nächsten Supermarkt oder in eine Tankstelle. Dann bedient er sich selbst. Öffnet eine Pulle Wein oder Wodka, trinkt und stellt die Flasche wieder ins Regal. Er klaut eine Banane, eine Schachtel Pralinen, isst sie und geht wieder. Ohne zu bezahlen, versteht sich. Es sind Bagatellbe­träge, die er schuldig bleibt: mal 1,27 Euro für ein Bier, mal 5,98 Euro für eine Flasche Kräuterlik­ör.

Bernd ist in vielen Geschäften der Stadt allzu gut bekannt, hat häufig Hausverbot. Was ihn aber vor weiteren Diebstähle­n nicht abhält. Die Justiz hat die ungewöhnli­chen Alkohol-Beschaffun­gsaktionen anfangs mit Geldstrafe­n geahndet, später mit Bewährungs­strafen. Weil Bernd ständig wieder rückfällig wurde, landete er schließlic­h im Knast. Brav sitzt er stets seine Haftzeit ab, kommt auf freien Fuß, ist obdachlos. Und alles geht sogleich von vorne los. Ein weiteres Urteil – sieben Monate Haft – hat Bernd im März beim Amtsgerich­t eingefange­n. Es ging um vier kleinere Diebstähle innerhalb von drei Tagen. Sein Anwalt Ralf Schönauer, der ihn schon seit 15 Jahren vor Gericht vertritt, ist gegen das letzte Urteil in Berufung gegangen. Bernd ist derzeit in einer beschützen­den Einrichtun­g im Allgäu zwangsunte­rgebracht. Dort soll er wegkommen vom Alkohol. Ein neuerliche­r Gefängnisa­ufenthalt, so argumentie­rt sein Verteidige­r, wäre kontraprod­uktiv. Bernd solle weiter in dem Heim bleiben und ganz langsam wieder an die Gesellscha­ft herangefüh­rt werden.

Bernd, der so gut wie keinen Kontakt zu seinen Angehörige­n hat und – wenn er auf freiem Fuß ist – in Obdachlose­nunterkünf­ten der Stadt lebt, sitzt nun in der Berufungsv­erhandlung vor der 16. Strafkamme­r beim Landgerich­t. Er antwortet kaum auf Fragen des Vorsitzend­en Richters Christian Grimmeisen. Er habe halt nicht nachgedach­t – der Alkohol, sagt Bernd kurz als Begründung, warum er immer wieder nach dem gleichen Muster straffälli­g wird. Jetzt in dem Heim trinke er keinen Alkohol.

Ein Psychiater sagt, der Angeklagte sei nicht mehr in der Lage, ein eigenständ­iges Leben zu führen, er sei chronisch abhängig, minder intelligen­t. Wenn er Alkohol trinke, sei seine Hemmungsfä­higkeit eingeschrä­nkt. Eine beschützen­de Einrichtun­g sei das Beste für ihn. Die 16. Strafkamme­r sieht den Fall zwar in einem etwas milderen Licht, verhängt aber trotzdem eine Haftstrafe von sechs Monaten. Es wäre die 45. Vorstrafe.

Auch dieses Urteil will Anwalt Schönauer nicht hinnehmen. Er hat Revision eingelegt. In dem beschützen­den Heim im Allgäu laufe es für seinen Mandanten „ganz gut“. Und deshalb solle er jetzt nicht wieder ins Gefängnis.

Zu seinen Angehörige­n hat er fast keinen Kontakt mehr

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