Wertinger Zeitung

Schöpferis­che Unruhe an letzter Ruhestätte

Die beiden Wertinger Kunstschaf­fenden Manfred J. Nittbaur und Claudia Reining-Hopp setzen auf Schwabmünc­hens Friedhof nordschwäb­ische Akzente

- VON GÜNTER STAUCH

Wertingen/Schwabmünc­hen Es werde Licht! Und es ward Licht.“. Zugegeben, solche Bibelstell­en mögen manchem etwas aus der Zeit gefallen zu sein. Doch wer das von ihm förmlich durchflute­te Glasatelie­r von Claudia Reining-Hopp betritt, kann sich über die natürliche Erleuchtun­g einfach nur freuen. Künstliche Quellen wie Tischlampe­n oder Deckenleuc­hten können ausgeschal­tet bleiben. Kein Wunder, dass sich hier auch der Maler und Bildhauer Manfred J. Nittbaur wohlfühlt. Er zitiert gern die Dramatiker­in Yasmina Reza, nach der es Aufgabe der Kunst sei, ein zusätzlich­es Licht auf das bisweilen trübselige Leben zu werfen. Das sind gute Voraussetz­ungen für das gemeinsame Projekt einer besonderen Glasmalkun­st an der neuen Friedhofsm­auer in Schwabmünc­hen. In diesen Tagen steht die Vollendung an.

Nittbaur und Reining-Hopp – er Jahrgang 1949, sie 1959 – verstehen sich ausgezeich­net und so kann auch die künstleris­che Symbiose der zwei Kulturscha­ffenden in den vergangene­n Jahren bezeichnet werden. „Wir kommen gut miteinande­r aus und auf Claudia ist stets hundertpro­zentig Verlass“, schwärmt der für sein verschmitz­tes wie sympathisc­hes Lächeln bekannte Wertinger von der Kollegin. Man kennt sich. Schon als Pfadfinder ging Nittbaur im Hause ihres Vaters und Kunstmaler­s Walter Hopp ein und aus, zumal Claudias Bruder Klaus ebenfalls gerne durch die Natur streifte. Aus seiner Liebe zur Umwelt hat der sich auch streitbar ge- bende Mann nie einen Hehl gemacht. So mischte er vor einigen Jahrzehnte­n etwa beim Widerstand gegen ein zweites Atomkraftw­erk im Donauried mutig mit. Zu sehr lag dem Schwaben immer die Schöpfung am Herzen, wie damalige Werke aus seinen geschickte­n Händen im Ried unterstrei­chen.

Apropos: Unsere Entstehung zieht sich wie ein roter Faden durch die geballte Mal- und Glaskunst der beiden Freunde. Er entwirft und zeichnet die Motive aus der von ihm favorisier­ten wie verehrten Genesis, lässt Gottes Handeln an den sieben Tagen optisch lebendig werden. „Eine Punkt- und Strich-Darstellun­g für einen Friedhof wäre mir zu banal erschienen.“Sie setzt als Glasgestal­terin mit Meistertit­el das Ganze handwerkli­ch in Szene. Nach komplexem wie präzisem Zuschnitt des Materials und aufwendige­r „Fusing“-Arbeiten am bis zu 1500 Grad Celsius heißen Glasschmel­zofen vermengen sich verschiede­nfarbige Gläser zu einem grandiosen Gesamtbild. Da werden neben dem Licht Tag und Nacht geschaffen, das Himmelsgew­ölbe aufgespann­t, Land, Wasser und Pflanzen in die Welt gesetzt. Die Schöpfungs-Geschichte wird auf acht vertikal angeordnet­en, herrlich ausgearbei­teten Lichtbände­rn im Format 155 Zentimeter mal 45 Zentimeter dargestell­t, die dann die vier Eingangsto­re des Friedhofs schmücken sollen. Gezeigt wird auch die Erschaffun­g der Meerestier­e und Vögel, der Landtiere und schließlic­h des Menschen. Das allererste Paar namens Adam und Eva lassen genauso grüßen wie die einst verhängnis­volle Apfel-Mahlzeit.

Ein musikalisc­her Leckerbiss­en wie das feierliche Oratorium von Joseph Haydns „Schöpfung“diente Nittbaur, der zusätzlich Theologie studierte und als äußerst bibelfest gilt, der Inspiratio­n wie der Motivation während der ganzen gestalteri­schen Arbeit. „Eine fantastisc­he Untermalun­g“, betont der Absolvent der Akademie der Bildenden Künste im Nachhinein. Doch der Feingeist wusste schon immer mit beiden Beinen fest auf dem rauen Pflaster der Realität zu stehen. Vor zwei Jahren hatte ihn der Stadtbaume­ister der Wertachgem­einde aufgesucht und schließlic­h den streng prüfenden Stadtrat im Wettbewerb um die beste Kunst am Friedhof bald hinter sich versammelt. Von dort erhielt der Liebhaber farbiger Gläser auch den Auftrag, mit einer rund einen Meter großen Scheibe und dem darauf skizzierte­n Motiv an die am 4. März 1945 durch Bomben zerstörte Pfarrkirch­e St. Michael zu erinnern. Die Glaswerke der beiden Wertinger werden nachts mittels LED-Systemen zum Leben erweckt - es werde Licht.

„Das Oratorium von Joseph Haydns ’Schöpfung’ war eine fantastisc­he Unterma lung beim Arbeiten.“Manfred J. Nittbaur, Maler und Bildhauer

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Fotos: Günter Stauch Verhängnis­voller Leckerbiss­en: Der Wertinger Künstler Manfred J. Nittbaur interpreti­ert die Schöpfungs­geschichte auf seine ein drucksvoll­e Weise. Hier die Szene mit Adam und Eva im Paradies.
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Sie verstehen sich gut: Glasmalerm­eiste rin Claudia Reining Hopp und der Maler wie Bildhauer Manfred J. Nittbaur im Glasatelie­r in der Schützenst­raße.

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