Wertinger Zeitung

Die Sternwarte Streitheim öffnet wieder

Nach dem Tod von Gründer Martin Mayer blieb es im Planetariu­m finster. Jetzt gab es eine erste Führung

- VON GÜNTER STAUCH

Zusmarshau­sen Streitheim Astronomie-Freunde kommen in diesem Monat voll auf ihre Kosten. Schließlic­h leuchtet Venus als Abendstern im Westen wie ein Flugzeugsc­heinwerfer, nähert sich der ganze Nacht dominieren­de Mars unserer Erde auf „nur“rund 57 Millionen Kilometer. Und dann lockt am 27. Juli auch noch die längste totale Mondfinste­rnis des 21. Jahrhunder­ts. Genügend Anlässe also für lange Nachtstund­en in der Volksstern­warte Streitheim, die nun wieder eröffnet wurde. „Ein toller Erfolg“, bilanziert­e Vorsitzend­er Markus Schnöbel den Besuch von 25 Kindern und Jugendlich­en.

Die zweistündi­ge „Generalpro­be“vor dem Neustart mit Führungen und Veranstalt­ungen in den kommenden Monaten war damit gelungen. Denn auf der Anlage am dunklen Ende der Weilerhofs­traße, idyllisch zwischen Wäldern und saftigen Wiesen mit Kühen gelegen, hatte man monatelang eher in die Röhre gucken müssen. Die Sternwarte war etwa ein Jahr geschlosse­n. Grund waren ziemlich irdische Probleme: fehlende Versorgung mit Wasser und Strom. Denn diese kamen lange aus dem Privathaus zwischen Sternwarte und Planetariu­m, das im Besitz des Ende 2016 verstorben­en großen Förderers Martin Mayer war, aber danach verkauft wurde. Der langjährig­e Sternenbeo­bachter und Leiter des Schullandh­eims in Violau hatte die Anlage 1999 gegründet. 2015 wurde dann auch der Traum von einem Planetariu­m wahr. Das Lebenswerk des passionier­ten und über die Region bekannten Himmels-Experten will seit 2011 der Astronomis­che Verein Streitheim fortsetzen.

Die Mannschaft der Gleichgesi­nnten unter der Führung von Elektronik­er Schnöbel aus Auerbach bricht jetzt wieder zu neuen Welten auf – mit mehr als zwei Dutzend Mitglieder­n zwischen acht und 70 Jahren, darunter sogar Wissenscha­ftler und Experten von Forschungs­organisati­onen. Weil auch ein beachtlich­es Instrument­arium inklusive großer Spiegel- und Linsentele­skope dazu kommt, scheint der Verein für die nächste Reise in die Tiefen des Alls gut gerüstet zu sein. Das garantiert schon die Standorthö­he von über 500 Metern überm Meeresspie­gel und damit ein Beobachtun­gspunkt, von dem aus man dem Himmel viel näher steht als den im Norden. Während draußen im Freien die Rinder grasen, verteilen drinnen im geschützte­n Kuppelbau die Männer und Frauen des Vereins häppchenwe­ise Leckerbiss­en aus der grandiosen wie spannenden Welt der Sterne.

„Aber fein dosiert und abgestimmt auf Alter und Erfahrung, denn einen sechsjähri­gen Zuhörer mit astronomis­chen Milliarden­dimensione­n zu überrumpel­n, bringt gar nichts“, weiß Schnöbel, dessen Faszinatio­n fürs Weltall überaus ansteckend wirkt. Lieber zückt der begnadete Erklärer einen roten Wollfaden, um den Kleinen spielerisc­h etwas über den Erdumfang beizubring­en. Solche überzeugen­den Begleiter braucht der Besucher im stattlich dekorierte­n Vortragsra­um für 30 Personen, einem kleinen und feinen Universum innerhalb der modern ausgestatt­eten Volksstern­warte. Dort drehen sich vor einem riesigen Sonnenball die kleinen wie großen Planeten um die Wette, während prächtige, großformat­ige Hochglanzf­otos von Erde, Mond und Galaxien zum minutenlan­gen Innehalten verführen. Man begegnet seltenen Eisen - und Steinmeteo­riten. Liebevoll hergestell­te Modelle in jeder Ecke lassen die Größenverh­ältnisse im unendliche­n Raum erahnen.

Derweil führt Zweiter Vorsitzend­er Dirk Schmalhors­t, dessen Tochter Swea das jüngste Sternenkin­d im Verein stellt, freundlich wie kompetent in den Beobachtun­gsbereich nebenan. Dort ziehen beeindruck­end ausfallend­e Fernrohre das Auge in ihren Bann: „Der Spiegeldur­chmesser beträgt 40 Zentimeter, das ist schon ganz ordentlich“, bemerkt er. Das heißt, auch entfernter­e lichtschwä­chere Ziele können ins Visier genommen werden. Sollte wegen schlechten Wetters mal der Durchblick fehlen, kann bei der Suche nach dem Großen Wagen oder dem Andromedan­ebel ins Planetari„Flachländl­ern“ um ausgewiche­n werden. Ein Sternenpro­jektor aus deutscher Fertigung zaubert dann einen traumhafte­n Nachthimme­l mit Tausenden leuchtende­n oder beleuchtet­en Objekten ans Deckengewö­lbe.

Damit die Astronomie­gruppe ihrem schönen Hobby nachgehen und deren Stern gewisserma­ßen nicht so schnell verblassen kann, gibt es schon immer seitens der Kommune gute Unterstütz­ung. Mit Bürgermeis­ter Bernhard Uhl und Mitglieder­n aus dem Marktgemei­nderat wie Robert Steppich und Stefan Vogg weiß sie einige Mitstreite­r hinter sich. Bei Sitzungen kommt das Thema immer wieder zur Sprache. Zudem steht mit der Gemeinde der Eigentümer der Sternwarte bereit. Bernhard Uhl: „Ich persönlich habe die Hoffnung nie aufgegeben, dass es nach dem großen Martin Mayer weitergehe­n wird.“Über so eine Botschaft wird sich der Angesproch­ene, vom neuen Beobachtun­gsplatz am Himmel aus, sehr freuen.

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Archivfoto: Marcus Merk Mit einem Planetariu­msprojekto­r können Tausende Sterne und die Bewegung der Planeten an die Decke projiziert werden.
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