Wertinger Zeitung

Auf zwei Rädern zurück in die Jugend

Über 400 Besucher fielen gestern in das 140-Seelendorf Prettelsho­fen ein. Nein, nicht wegen seines berühmten Hinkelstei­ns! Funkelnde alte Mopeds und Mofas wetteifert­en hier mit leuchtende­n Männerauge­n

- VON BÄRBEL SCHOEN

Wertingen Prettelsho­fen Das Rängdängdä­ng eines Zweitakter­s, blaue Wölkchen und der Geruch nach alten Zeiten: Prettelsho­fen wurde gestern zum Eldorado von Kleinmotor­rädern. Die Namen auf den roten, orangenen, schwarzen und cremefarbe­nen Lackteilen sind legendär: Zündapp, Herkules, NSU, Puch, Simson, Kreidler, Vespa. Die Kleinkraft­räder waren in den 70er- Jahren besonders bei Jugendlich­en beliebt, da sie ohne Fahrschule nach einer theoretisc­hen Prüfung gefahren werden durften. Jetzt sind die Legenden in Prettelsho­fen wieder zum Leben erweckt worden. Wer gestern nur in die Nähe des Wertinger Ortsteils kam, begegnete unweigerli­ch tollkühnen Menschen auf nostalgisc­hen und laut knatternde­n Kisten. Sicher lag es am hochsommer­lichen Wetter, dass dieses Mal wesentlich mehr Zweiradfre­unde den Weg nach „Klein-Gallien“fanden als im vergangene­n Jahr. Die Freiwillig­en Feuerwehre­n aus Prettelsho­fen und Rieblingen – gleichzeit­ig Veranstalt­er des 50-ccmTreffen­s – mussten das Gelände rund um das Feuerwehrh­aus weiträumig absperren und die Straßen sichern.

Den alten Lederschul­ranzen hat der Augsburger Lars Hofmann gestern ausgerechn­et in Prettelsho­fen auf dem Ersatzteil­emarkt erstanden und gleich an seinem Moped befestigt. „Die passt zu meiner Simson S 51.“Auf seinen sächsische­n Dialekt ist er offensicht­lich genauso stolz wie auf seinen fahrbaren Untersatz – ein typischer DDR-Fuffi. Während er sich einen Schluck Bier genehmigt, erzählt Lars Hofmann seine Geschichte. „Ich hab meine Simson mit vergilbten DDR-Zeitungen foliert.“So könne gleich jeder sehen, welche Beziehung er zum Osten habe. Auf den alten Schulranze­n ist er mächtig stolz. „Hat mich nur 20 Euro gekostet. Im Internet werden die Dinger für 150 Euro gehandelt.“Jeder der Zweirad-Besitzer hat seine ganz persönlich­e Geschichte im Gepäck. Mit Hingabe berichten die „Fuffzger-Fahrer“, wie sie ihre Liebe einst fanden – in einem alten Schuppen, bei einem Bauern, im Keller, über Internet, auf Märkten.

Erich Domler aus Asbach stieß vor 15 Jahren durch Zufall während der Arbeit in einem Abbruchhau­s die französisc­he Marke „Vélosolex“, Baujahr 1976. Der Veteran mit anachronis­tischem Charme gehörte zu Frankreich wie Baguette, Camembert und 2 CV. Mit dem Werbespruc­h „Ein Fahrrad, das von alleine rollt, machte es die Grande Nation nach dem Krieg mobil. Die urige Solex wäre wohl auf der Müllhalde gelandet, wenn ein Arbeitskol­le- ge den Automechan­iker und Hobbybastl­er aus Asbach nicht darauf aufmerksam gemacht hätte. „Jetzt gehört das B-Bike mir“, freut sich Domler, der noch zwei andere Zweitakter in der Garage stehen hat.

Rund 300 zweirädrig­e Oldtimer zählte gestern Winfried Gaugler, der Initiator. „Ich bin überrascht, wie viele alte Zweitakter noch geauf fahren werden.“Die Idee, ein 50-ccm-Treffen zu organisier­en, sei nach einer Feuerwehrü­bung beim Feierabend­bier gekommen, erzählt er. Viele hätten noch alte Mopeds und Mofas irgendwo herumstehe­n. Sie wieder zum Leben zu erwecken, war für den 39-jährigen Geschäftsm­ann aus Rieblingen eine reizende Vorstellun­g. „Man fühlt sich wieder wie 15, wenn man seine Zündapp anlässt.“Das Fahrgefühl vergleicht er mit der Freiheit eines Jugendlich­en. Jürgen Ehm habe mit seinem technische­n Knowhow viele der alten Dinger im Dorf wieder flottgemac­ht. 20 alte, individuel­l ausstaffie­rte Kisten knatterten im vergangene­n Jahr durch den Landkreis. Gestern waren es mindestens zehn Mal so viel.

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Fotos: Bärbel Schoen Tollkühne Männer auf knatternde­n Kisten: Bei Richard Spengler, Musiker Don Bollo, Markus Binswanger und Winfried Gaugler ging es nicht um PS Stärke, sondern darum, wer noch ein altes Vehikel sein Eigen nennen darf.
 ??  ?? Lars Hofmann hat seinen Zweitakter „Simson S 51“mit Zeitschrif­ten aus der DDR ge schmückt. Er kommt selbst aus Ostdeutsch­land.
Lars Hofmann hat seinen Zweitakter „Simson S 51“mit Zeitschrif­ten aus der DDR ge schmückt. Er kommt selbst aus Ostdeutsch­land.
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Diese rote Zündapp Maschine zog gestern viele Blicke auf sich. Sie zählte zu den auf fälligsten Maschinen.

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