Wertinger Zeitung

Vom Weg abgekommen

Justiz Erst deutete Ex-Radprofi Jan Ullrich Alkoholpro­bleme an. Jetzt hat er Schauspiel­er Til Schweiger auf Mallorca attackiert. Über den tiefen Fall eines einstigen Idols

- VON RALPH SCHULZE

Palma de Mallorca Der frühere Radprofi und Olympiasie­ger Jan Ullrich ist nach seiner Festnahme auf Mallorca wieder auf freiem Fuß. Nach der Aussage des 44-Jährigen habe die Richterin verfügt, dass er sich seinem Nachbarn im noblen Villenort Establimen­ts, dem Schauspiel­er Til Schweiger, nicht mehr nähern dürfe, wie eine Sprecherin des Gerichts in der Inselhaupt­stadt Palma am Sonntag bestätigte.

Nahezu 24 Stunden hatte der 44-Jährige in einer Zelle der Nationalpo­lizei verbracht. Die Beamten hatten ihn am Freitagnac­hmittag gegen 18 Uhr auf dem Grundstück Schweigers festgenomm­en, nachdem er über dessen Grundstück­szaun geklettert war und Schweiger bedroht hatte.

Es ist ein Bild voller Tragik, als der Ex-Radprofi am Samstagnac­hmittag gegen 16 Uhr aus einem Gefangenen­transporte­r der spanischen Nationalpo­lizei steigt: Um sein rechtes Handgelenk trägt er eine Handschell­e, mit der er an einen weiteren mutmaßlich­en Straftäter gekettet ist. Über dem Kopf ein weißes Betttuch, um sein Gesicht nicht den wartenden Fotografen zu zeigen. Mit nacktem Oberkörper. Ein Polizist führt Ullrich vom Transporte­r zum Eingang des Gerichtsge­bäudes in Palma de Mallorca und bringt ihn dort zu einer Untersuchu­ngsrichter­in. „Ein Champion im Knast“, lautete am Sonntagmor­gen die Schlagzeil­e des mallorquin­ischen Blattes Ultima Hora.

Ullrich werden Hausfriede­nsbruch und die Bedrohung Schweigers vorgeworfe­n. Der Filmemache­r hatte zum Zeitpunkt des Übergriffs Gäste. Plötzlich sei Ullrich auf dem Grundstück aufgetauch­t, es sei aus unbekannte­m Grund zum Streit gekommen, woraufhin Schweiger die Polizei gerufen habe.

Als Ullrich das Gerichtsge­bäude am Samstagabe­nd verlässt, versteckt er sich nicht mehr unter dem Betttuch. Stattdesse­n trägt er eine Baseballka­ppe, ein weißes T-Shirt und dunkle knielange Shorts. Erklärunge­n gibt er nicht ab. Nach Angaben der Inselzeitu­ng Ultima Hora soll Ullrich bei der Vernehmung eingeräumt haben, unter Alkoholein­fluss gestanden zu haben. Die Bilder des Wochenende­s stehen für den tiefen Fall des Ex-Radprofis, der 1997 als bisher einziger Deutscher die Tour de France gewonnen hatte.

2016 war er von seinem früheren Wohnort in der Schweiz nach Mallorca gezogen. Ein Umzug, mit dem er wohl auch vor seinen Problemen flüchten wollte. In der Schweiz hatte er 2014 unter Alkoholein­fluss einen schweren Verkehrsun­fall verursacht. 2017 war er deswegen dort zu 21 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Doch auch die Auswanderu­ng auf die Urlaubsins­el brachte ihm kein Glück. Seine Ehe mit Ehefrau Sara scheiterte, sie packte zusammen mit den drei Kindern die Koffer. Ullrich selbst gestand im Juni der Illustrier­ten Bunte, dass er angeschlag­en sei: „Mein Herz ist gebrochen, mein Knie ist kaputt. Ich bin ein Wrack.“Aus seinen Äußerungen lässt sich zudem schließen, dass er schon länger Alkoholpro­bleme hat. „Ich habe sechs Monate keinen Tropfen Alkohol angerührt. Erst seit Ostern trinke ich wieder.“Und: „Ich trinke und rauche, wann ich dazu Lust habe.“

Einst war Mallorca ein wichtiger Ort in Ullrichs Radsport-Karriere gewesen. Oft trainierte er dort in den milden Wintermona­ten, legte die Grundlagen für seine Erfolge. Vor einem Jahr sagte Ullrich in den Medien, dass die Insel in seinen Zukunftspl­änen eine wichtige Rolle spiele: „Die definitive Zukunftsid­ee habe ich einfach noch nicht“, sagte er. „Aber wenn ich sie finde, dann hier auf Mallorca.“Nach seinem Umzug 2016 organisier­te der 44-Jährige auf der Insel und andernorts kommerziel­le Radsportca­mps.

Schweiger wohnt schon länger auf Mallorca. Vor fünf Jahren kaufte er seine Villa auf einem 20000-Quadratmet­er-Grundstück neben Ullrichs Finca.

Gegen das einstige Sportidol war 2006 schon einmal in Spanien ermittelt worden: Damals ging es um den Verdacht, dass Ullrich Kunde jenes großen Dopinglabo­rs in Madrid gewesen war, das jahrelang Spitzenspo­rtler mit verbotenen Sauerstoff­Blut-Behandlung­en versorgt hatte. Daraufhin war er 2006 von der Tour de France ausgeschlo­ssen worden. Später annulliert­e der Internatio­nale Sportgeric­htshof seine Erfolge von 2005 bis 2007, jenem Jahr, in dem sich Ullrich endgültig aus dem Profisport zurückzog.

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Fotos: Eddy Risch, Gian Ehrenzelle­r, dpa 1997 fuhr Jan Ullrich im Gelben Trikot des Tour de France Führenden seinem größ ten Triumph entgegen. 2017 stand er in der Schweiz vor Gericht, weil er einen schwe
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