Wertinger Zeitung

Der Goldglanz von großer Oper in Binswangen

La Bohème „Klassik am Dorfplatz“wird zum romantisch­en Sommernach­tstraum. Wie ein kleiner Ort mit 140 Akteuren ein respektabl­es Bühnenspek­takel meistert

- VON MARGOT SYLVIA RUF

Binswangen Es muss nicht immer die Arena in Verona sein. Manchmal reicht auch ein idyllische­r Dorfplatz, um imposante Szenerie für große Oper zu werden. Was im Tausend-Einwohner-Dorf Binswangen mit der Aufführung „La Bohème“von Giacomo Puccini auf die Beine gestellt wurde, ist gelinde gesagt eine kleine Sensation. Man nehme einen mediterran anmutenden Sommeraben­d, Dutzende von ambitionie­rten Musikern und Sängern, fröhliche Kinder sowie engagierte Chorleute, mixe dies mit eindrucksv­ollen Solisten der Profibühne und fertig ist ein interessan­ter musikalisc­her Cocktail, für den sich im Vorfeld schon Rundfunk und Fernsehen interessie­rten.

Es ist die vierte große konzertant­e Aufführung in einer Fassung für Sprecher, Solisten, gemischten Chor und sinfonisch­es Blasorches­ter, die in dem kleinen Ort mit dem musikalisc­hen Völkchen gestemmt wurde. Dass „Klassik am Dorfplatz“auch jetzt wieder so überaus gut gelang, das ist nicht zuletzt dem sympathisc­hen Christoph Günzel zu verdanken, der mit dem Binswanger Blasorches­ter Türöffner für einen grandiosen Erfolg wurde.

Der musikalisc­he Leiter beim mittlerwei­le sehr angesehene­n örtlichen Klangkörpe­r hat offenkundi­g eine enorme Affinität zu großen Bühnenwerk­en. Er verfasste für das Orchester bereits zahlreiche Arrangemen­ts. Auch diesmal beeindruck­te er mit seiner unverwechs­elbaren Handschrif­t ein vielköpfig­es Publikum. Schnell war bei der Aufführung von „La Bohème“klar, dass sich die engagierte Probenarbe­it Günzels zusammen mit seinen Musikern und den beteiligte­n Laiensänge­rn, insgesamt 140 Akteuren, überaus gelohnt hat.

Auf dem Dorfplatz in Binswangen entfaltete sich ein Bühnenspek­takel, welches das Künstlerle­ben im Paris der ersten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts abbildete. Leben, Lieben und Leiden ganz normaler Menschen zieht sich im Meisterwer­k Puccinis durch die Operngesch­ichte von „La Bohème“.

Mit Melodien, die von ihrem Bekannthei­tsgrad absoluten Weltrang genießen, berauschte­n die hochkaräti­gen Solisten, unter anderem von der Bayerische­n Staatsoper, Susanne Katharina Pemmerl (Musetta/Sopran), Tobias Neumann (Schaunard/Bariton), Sang-Eun Shim (Rodolfo/Tenor), Carmen Sánchez-Piva (Mimi/Sopran), Burkard Kosche (Collino/Bass) und Oscar Quezada (Marcello/Bariton) das Publikum in italienisc­her Sprache. Ihre geschulten Stimmen voller Wohlklang zauberten Goldglanz auf das Kulturerei­gnis im Schatten der altehrwürd­igen Synagoge.

Die reizende Carmen Sánchez-Piva ersang sich mit ihrem strahlende­n Sopran in der Partie als herzerweic­hende Mimi schnell die Sympathien des Publikums. Sang-Eun Shim berührte als Rodolfo in der weltberühm­ten Arie „Wie eiskalt ist dies Händchen“.

Auch die anderen Solisten nahmen die Zuhörer schnell für sich ein. Puccini hat es verstanden, genau für die Stimmen zu schreiben und die Instrument­ation seiner Partituren ist sehr differenzi­ert und meisterhaf­t erfolgt.

Was für leistungss­tarke Klangkörpe­r es im Landkreis Dillingen gibt, bewiesen an diesem Abend einmal mehr Sänger des Kammerchor­es „Calypso“aus Höchstädt (Leitung Marianne Rieder) und des Gesangvere­ins Binswangen (Leitung Anton Kapfer) im Rahmen eines Projektcho­res.

Der Kinderchor Lilac Light aus Landshause­n (Leitung Sabine Seidl) entzückte zusätzlich. Anton Kapfer füllte die Rolle des Sprechers bei der „La Bohème“-Aufführung mit Verve und Begeisteru­ng aus. Er bringt mittlerwei­le Erfahrung in dieser ihm gut liegenden Rolle mit und schrieb die verbindend­en Texte selbst. Schon mehrmals hat er bei den Binswanger Musikereig­nissen den Erzähler gegeben. Doch über allem beeindruck­te bei diesem romantisch­en Sommernach­tstraum das mittlerwei­le klassikerf­ahrene Große Blasorches­ter Binswangen mit seinem musikalisc­hen Höhenflug.

Sein Leiter Christoph Günzel hatte einmal mehr seine vielfältig­en Begabungen und sein ausgeprägt­es Arrangemen­t-Talent bewiesen.

Das Publikum verneigte sich mit stehenden Ovationen minutenlan­g vor allen Akteuren des Kultureven­ts. Dem Musikverei­n Binswangen ist erneut ein respektabl­er Erfolg gelungen, der die beeindruck­ende fachliche Qualität seiner Musiker und deren ansteckend­e Spielfreud­e dokumentie­rt. Auch die Profisolis­ten hatten dem ambitionie­rten Orchester auf dem Land hohen Respekt gezollt. Von der Lichttechn­ik war der Dorfplatz für den Opernabend in irisierend­es Licht getaucht worden.

Vorsitzend­er Roland Wagner dankte für den Veranstalt­er Musikverei­n am Ende einer Vielzahl von Bürgern, die das musikalisc­he Großereign­is in Binswangen als Gemeinscha­ftsaufgabe gemeistert hatten.

Bei uns im Internet können Sie nochmals die schöne Atmosphäre auf dem Dorfplatz Binswangen auf vielen Bildern unserer Mitarbeite­rin Brigitte Bunk nachvollzi­ehen unter der Adresse www.Wertinger Zeitung.de/Bilder

 ?? Fotos: Brigitte Bunk ?? „La Bohème“auf dem Dorfplatz Binswangen: Carmen Sánchez Piva und Sang Eun Shim bei einer der berührende­n Szenen von Mimi und Rodolfo.
Fotos: Brigitte Bunk „La Bohème“auf dem Dorfplatz Binswangen: Carmen Sánchez Piva und Sang Eun Shim bei einer der berührende­n Szenen von Mimi und Rodolfo.
 ??  ?? Die hochkaräti­gen Solisten: (von links) Susanne Katharina Pemmerl, Carmen Sán chez Piva, Sang Eun Shim, Oscar Quezada, Burkard Kosche und Tobias Neumann.
Die hochkaräti­gen Solisten: (von links) Susanne Katharina Pemmerl, Carmen Sán chez Piva, Sang Eun Shim, Oscar Quezada, Burkard Kosche und Tobias Neumann.
 ??  ?? Ein glückliche­r und bejubelter Christoph Günzel (Mitte) angesichts der gelungenen Premiere von „La Bohème“am Freitagabe­nd.
Ein glückliche­r und bejubelter Christoph Günzel (Mitte) angesichts der gelungenen Premiere von „La Bohème“am Freitagabe­nd.

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