Wertinger Zeitung

Trauer um ein Wertinger Urgestein

Das Wertinger Urgestein Hubert Strommer ist gestorben. In seiner charakteri­stischen Fahrrad- und Autowerkst­att verkörpert­e er die Gelassenhe­it in Person. Und als Angler an der Zusambrück­e gehörte er zum Stadtbild

- VON HERTHA STAUCH

Hubert Strommer war in Wertingen bekannt als der Angler auf der Zusambrück­e. Jetzt ist das Original verstorben.

Wertingen Einen Charakterk­opf, ein Original und einen liebenswer­ten Menschen hat Wertingen verloren und mit ihm ein kleines Stück Geschichte: Hubert Strommer ist im Alter von 80 Jahren am vergangene­n Freitag nach längerer Krankheit gestorben – zu Hause in seinem Bett, die letzten Wochen gepflegt von seiner Frau Hilda. Was ihn so einzigarti­g als Wertinger Urgestein machte, war seine unerschütt­erliche Erscheinun­g, die das Stadtbild prägte: Der „Strommer Hubl“, wie ihn die Wertinger nannten, lehnte mit seiner Angel fast täglich an der Zusambrück­e vor der Gänsweid. Ein Mann, der Zeit hatte, Ruhe ausströmte und in der heutigen Gesellscha­ft nur noch spärlich vorhandene Werte von Langsamkei­t, Genügsamke­it und Gelassenhe­it lebte.

Der „Hubl“oder „Hube“gab sich ebenso gesellig wie humorvoll, selbst an der Dialyse, die ihn in den letzten Jahren handicapte, machte er noch seine Witze, wie Hilda Strommer es vom medizinisc­hen Betreuungs­personal hörte. Seine Krankheit hinderte ihn auch in letzter Zeit nicht daran, noch mit der extra zum Anglergefä­hrt umgebauten Gehwagen am geliebten Zusamufer zu verweilen. Die Fische, die er fing, hängte er in seine eigenhändi­g gebaute Räucherei an der Rückseite des Strommerha­uses an der Gänsweid, gemeinsam mit Freunden wurden sie verspeist – in der abenteuerl­ichen Werkstatt, Hubert Strommers „Paradies“.

Dort ist sein Stuhl jetzt leer, auch die Bank, an der er seine Freunde regelmäßig bewirtete, zwischen Fahrradsch­läuchen und Werkzeugsc­hränken und seinem nun verlassene­n Holzschrei­btisch. Die Einmaligke­it dieser Szenerie hatte vor etlichen Jahren Augsburger Studenten animiert, einen Film zu drehen – „das Paradies der alten Männer“, der im Stadtarchi­v verwahrt wird. Es war die Lieblingsb­eschäftigu­ng von Hubert in seinem Ruhestand, in der Werkstatt mit den Weggefährt­en zu sitzen und zu plaudern, „sein Lebensinha­lt“, erzählt Hilda Strommer. Eine weitere Leidenscha­ft war das Kartenspie­l. Regelmäßig ist er zum Skatspiel nach Lauingen gefahren, hat in früheren Jahren Preise und Pokale für sein Kartenglüc­k bekommen.

Geprägt wurde Hubert Strommer vor allem von seinem Beruf, schon sein Vater betrieb in Wertingen an der Schützenst­raße/Gänsweid eine Fahrrad- und Nähmaschin­enwerkstat­t, neben dem Strommerha­us, wo heute im Restaurant „Gänsweid“noch die Fahrzeuggr­ube zu sehen ist, in der Hubert Strommer später Autos reparierte.

Hubert hatte seine Kfz-Mechaniker­lehre in Augsburg absolviert, 1965 den Meister gemacht und 1986 den elterliche­n Betrieb übernommen und zur Autowerkst­att erweitert, die bis 2006 bestand. Ganze Generation­en von Wertinger Fahr- rad- und Autobesitz­ern gingen in der Werkstatt aus und ein, vor allem junge Leute, denn bei Strommer gab es die preiswerte Marke „Fiat“, die damals allerdings regelmäßig ihren Dienst versagte.

So musste Strommer vor allem in den Wintermona­ten die batteriesc­hwachen Fiat-Mobile wieder flottmache­n. Die Fahrradwer­kstatt des Vaters betrieb Strommer bis zum Schluss weiter – noch heute stehen dort Räder, die er nicht mehr reparieren konnte.

Auch das alte Herrenrad von Altstadtra­t Alfred Sigg lehnt noch an der Werkbank. Trotz seines „starken Eigenwille­ns“, wie seine Frau verrät, und seiner Robustheit hat es der „Hubl“nicht mehr geschafft, das alte Fahrrad wieder flott zu machen.

 ??  ?? Hubert Strommer ist im Alter von 80 Jahren gestorben. Der Kfz Mechaniker­meister betrieb bis zum Ende seines Lebens eine Fahrradwer­kstatt. Dieses charakteri­stische Schwarz weiß Porträt von ihm hat der Wer  tinger Fotograf Roland Schäfenack­er gemacht. Es hängt heute noch in der Werkstatt.
Hubert Strommer ist im Alter von 80 Jahren gestorben. Der Kfz Mechaniker­meister betrieb bis zum Ende seines Lebens eine Fahrradwer­kstatt. Dieses charakteri­stische Schwarz weiß Porträt von ihm hat der Wer tinger Fotograf Roland Schäfenack­er gemacht. Es hängt heute noch in der Werkstatt.
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Fotos: Hertha Stauch Tisch und Stuhl sind leer. Hier in der Werkstatt gab es das „Pa radies der alten Männer“.
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Er hat es zu Lebzeiten nicht mehr geschafft: Hubert Strommer wollte unbedingt das alte Fahrrad von Alfred Sigg noch repa rieren.

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