Wertinger Zeitung

Leben im Sitzen

- VON ERICH PAWLU redaktion@wertinger zeitung.de

n der Schule bleiben zwar immer weniger Kinder sitzen. Dafür verbringen aber die Erwachsene­n ihr Leben nur noch im Sitzen. Mancher Strolch hat Jahre abzusitzen, doch auch der anständige Mensch sitzt stundenlan­g in seiner Wohnung oder im Auto.

Selbst revolution­äre Zeitgenoss­en raffen sich nur kurz auf, gehen ein paar Schritte und beteiligen sich dann an einer Sitzblocka­de. Viele Liebesmüde erheben sich kurz zu einem energische­n Schritt, um den Partner oder die Partnerin sitzen zu lassen. Wer geht oder steht, sucht eigentlich nur nach einer Sitzgelege­nheit. Ziel aller Ausflüge ist die schließlic­he Landung auf dem Sitzmöbel vor dem Fernseher oder am Computer.

So jedenfalls beschreibt uns der aktuelle DKV-Report 2018. Nebenbei geben die Deutschen Krankenver­sicherunge­n mit dieser Analyse dem Begriff „Firmensitz“einen ganz neuen Sinn: Denn auch dort, am Standort Arbeitspla­tz, wird hauptsächl­ich gesessen.

Nun wird uns von allen Seiten empfohlen, sofort mehr zu radeln, zu joggen oder wenigstens zügig durchs Land zu wandern. Wahrschein­lich haben die Bewegungse­xperten nie die „Metaphysik“von Aristotele­s gelesen. Dort hat der Philosoph unsere Zeit des Sitzens visionär beschriebe­n: „… was einmal sitzt, wird immer sitzen, und wenn es sitzt, niemals wieder aufstehen. Denn es ist unmöglich, dass dasjenige aufstehe, was nicht das Vermögen hat, aufzustehe­n.“

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