Leben im Sitzen
n der Schule bleiben zwar immer weniger Kinder sitzen. Dafür verbringen aber die Erwachsenen ihr Leben nur noch im Sitzen. Mancher Strolch hat Jahre abzusitzen, doch auch der anständige Mensch sitzt stundenlang in seiner Wohnung oder im Auto.
Selbst revolutionäre Zeitgenossen raffen sich nur kurz auf, gehen ein paar Schritte und beteiligen sich dann an einer Sitzblockade. Viele Liebesmüde erheben sich kurz zu einem energischen Schritt, um den Partner oder die Partnerin sitzen zu lassen. Wer geht oder steht, sucht eigentlich nur nach einer Sitzgelegenheit. Ziel aller Ausflüge ist die schließliche Landung auf dem Sitzmöbel vor dem Fernseher oder am Computer.
So jedenfalls beschreibt uns der aktuelle DKV-Report 2018. Nebenbei geben die Deutschen Krankenversicherungen mit dieser Analyse dem Begriff „Firmensitz“einen ganz neuen Sinn: Denn auch dort, am Standort Arbeitsplatz, wird hauptsächlich gesessen.
Nun wird uns von allen Seiten empfohlen, sofort mehr zu radeln, zu joggen oder wenigstens zügig durchs Land zu wandern. Wahrscheinlich haben die Bewegungsexperten nie die „Metaphysik“von Aristoteles gelesen. Dort hat der Philosoph unsere Zeit des Sitzens visionär beschrieben: „… was einmal sitzt, wird immer sitzen, und wenn es sitzt, niemals wieder aufstehen. Denn es ist unmöglich, dass dasjenige aufstehe, was nicht das Vermögen hat, aufzustehen.“