Wertinger Zeitung

Vier schlagen auf einen Einzelnen ein

Eine Körperverl­etzung vor einer Dillinger Kneipe wird in Augsburg aufgearbei­tet

- VON MICHAEL SIEGEL

Dillingen Vier Angeklagte, ein Strafmaß: Weil sie einen 54-Jährigen nach einem Kneipenbes­uch in der Dillinger Donaustraß­e geprügelt und verletzt hatten, wurden jetzt vier Männer am Augsburger Amtsgerich­t zu je 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Zudem müssen sie dem Geschädigt­en je 500 Euro Schmerzens­geld zahlen und 1000 Euro an die Hilfsorgan­isation „Weißer Ring“überweisen.

Der 36-jährige Dillinger voran, danach der 32-Jährige aus Winterbach, gefolgt vom 30-Jährigen aus Gundelfing­en und zuletzt der 48-jährige Holzheimer: Nacheinand­er verlassen die vier die Anklageban­k, reichen dem 54-jährigen Stadtarbei­ter aus Dillingen die Hand, bitten ihn um Verzeihung. Eine angemessen­e Entschuldi­gung, das war einer der Bestandtei­le einer „verfahrens­vereinfach­enden und -beschleuni­genden Vereinbaru­ng“. Diesen „Deal“hatten die vier Rechtsanwä­lte der Angeklagte­n, die Vertreteri­n des geschädigt­en Nebenkläge­rs Mandana Mauss, Staatsanwä­ltin Gudrun Wagner und Richter Thomas MüllerFroe­lich hinter verschloss­ener Tür ausgehande­lt.

Weitere Bestandtei­le: Dafür, dass sie ein vollumfäng­liches Geständnis abgelegt hatten, bekamen die vier eine Haftstrafe zwischen zwölf und maximal 18 Monaten Gefängnis zugesicher­t. Vereinbart wurden auch die Zahlungen an den Geschädigt­en und einen guten Zweck.

Anlass des Prozesses: Im März 2016 waren die vier Angeklagte­n mit dem Geschädigt­en vor einer Dillinger Kneipe aneinander­geraten. Er sei auf dem Heimweg nach dem Kegeln nachts um 1 Uhr noch auf einen Absacker in das Lokal eingebogen, so der Geschädigt­e. Dann, gegen 3.40 Uhr vor der Kneipe, wurde er plötzlich von den vier Angeklagte­n erst geschubst, dann geschlagen, zu Boden gestoßen, mit den Füßen getreten und zuletzt mit dem Kopf gegen die Scheibe einer benachbart­en Pizzeria geworfen. So hatte es der Geschädigt­e gegenüber unserer Zeitung geschilder­t, so lautete es auch in der Anklagesch­rift. Dass es so war, bestätigte eine als Zeugin geladene 22-Jährige, die ebenfalls Gast in der Kneipe war, sich damals zwischen die Parteien gestellt und wohl Schlimmere­s verhindert hatte.

Das Warum dieser Tat war es, das den Geschädigt­en am meisten entsetzte, das ihn zu seiner Strafanzei­ge veranlasst­e, das ihm aber nicht schlüssig beantworte­t wurde. Lag es allein am Alkohol, der unstrittig reichlich geflossen war? Ihre Mandanten hätten bereits gegen 14 Uhr zu trinken begonnen, führten die Rechtsanwä­lte Frank Thaler und Jörg Seubert aus. Am Abend sei es dann in die Kneipe gegangen, wo man weitermach­te, bis es zu der Straftat in der Nacht gekommen war.

Noch im Feiermodus hatte sich der Mandant von Verteidige­r Bernd Scharinger befunden, der am Vortag Geburtstag gehabt hatte. „Eine gewisse Unschärfe in der Erinnerung“diagnostiz­ierte schließlic­h Rechtsanwa­lt Florian Engert dem vierten Angeklagte­n, bei dem der Durst ebenfalls groß gewesen war. Gleichwohl plädierten alle vier Verteidige­r für eine Strafe am unteren Rand des vereinbart­en Rahmens – ein Jahr Haft auf Bewährung –, schließlic­h hätten ihre Mandanten über zwei Jahre unter der unklaren Situation des bevorstehe­nden Verfahrens gelitten.

Gelitten habe auch der Geschädigt­e, so dessen Rechtsanwä­ltin. Sie hielt den Angeklagte­n vor, dass sie keine Heranwachs­enden mehr seien, sondern gestandene Männer. Sie sollten sich doch in die Situation ihres Mandanten versetzen und sich überlegen, welche Schmerzen, welche Angst sie ihm bereitet hätten. Mandana Mauss erklärte auch, weswegen ihr Mandant einem strafmilde­rnden „Täter-Opfer-Ausgleich“zunächst reserviert gegenüberg­estanden hatte. Er sei nicht auf Geld aus gewesen, sondern er habe eine Erklärung für den Überfall erwartet und die Bestätigun­g des Gerichts, „dass man so etwas nicht machen darf“. Staatsanwä­ltin Wagner hatte in ihrem Plädoyer jeweils eine Strafe von 18 Monaten Haft gefordert. Vier gegen einen, das sei eine schlimme Situation für den Einzelnen. Und die vier Täter hätten „ausnehmend brutal“zugeschlag­en. Vier Wochen sei der Geschädigt­e krank gewesen, bis heute leide er unter seinen Verletzung­en.

Richter Müller-Froelich zielte mit seinem Urteil in die Mitte der Plädoyers, 15 Monate Haftstrafe auf Bewährung sah er als angemessen­e Strafe an.

Ob es allein der Enthemmung durch den Alkohol zuzuschrei­ben sei, dass es zu der gefährlich­en Körperverl­etzung gekommen sei, habe nicht abschließe­nd ergründet werden können. Die Tat sei aber durchaus als brutal zu bezeichnen, weswegen eine Haftstrafe, gleichwohl aussetzbar zur Bewährung, angebracht sei.

Schließlic­h nahm der Richter gegen den 32-jährigen Angeklagte­n einen Haftbefehl zurück. Der war wegen Verdunkelu­ngsgefahr ausgestell­t worden, nachdem der Mann eine Zeugin zu beeinfluss­en versucht hatte. Weil das Urteil auf einer Verfahrens­absprache beruhe, könne es nicht sofort, sondern frühestens eine Woche nach dem Urteilsspr­uch rechtskräf­tig werden.

Für ihr Geständnis gab es für die Männer mildere Strafen

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